Schwache Konjunktur: Berliner Unternehmer blicken pessimistisch in die Zukunft
Trotz zufriedenstellender Geschäfte ist die Stimmung in den meisten Berliner Betrieben schlecht. Nur eine Branche boomt in der Krise.
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Wenn die Nachrichten schlecht sind, sinkt auch die Stimmung, da reagieren Unternehmer nicht anders als die breite Bevölkerung. Obwohl die Geschäfte in den meisten Branchen „überwiegend zufriedenstellend“ laufen, werden die Aussichten in als eher schlecht eingeschätzt. Das ist eine der Kernaussagen des gemeinsamen Konjunkturberichts von Industrie- und Handelskammer (IHK) und Handwerkskammer.
„Das produzierende Gewerbe geht überwiegend nicht davon aus, das relativ gute Sommergeschäft in den nächsten Monaten fortsetzen zu können“, heißt es im Bericht, der sich vor allem auf die Selbsteinschätzungen der befragten Mitgliedsunternehmen stützt. Bei den Dienstleistern und im Handwerk sind die Erwartungen weitgehend gleichbleibend wie im Frühjahr, im Handel und Gastgewerbe dominiert dagegen der Pessimismus.
In Zahlen ausgedrückt: Die wirtschaftliche Lage wird überwiegend positiv bewertet – plus 17 Prozentpunkte –, die Aussichten dagegen eher negativ, minus fünf Prozentpunkte. Beide Werte zusammengenommen ergeben einen Geschäftsklimaindex von 105.

© dpa/Hannes P Albert
„Seit den frühen 2000er Jahren erleben wir die längste wirtschaftliche Delle“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Jürgen Wittke. Im Vergleich zum Bund sehe es in Berlin zwar immer noch etwas besser aus, aber das habe eben auch mit der geringen Exportabhängigkeit der Industrie und einem großen öffentlichen Sektor zu tun.
Die Unternehmen befürchten, dass die mangelhaften wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zum dauerhaften Bremsklotz werden. Knapp 60 Prozent der Unternehmen sehen ihre wirtschaftliche Entwicklung hierdurch gefährdet.
Jan Eder, IHK-Hauptgeschäftsführer
„Die Unternehmen befürchten, dass die mangelhaften wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zum dauerhaften Bremsklotz werden. Knapp 60 Prozent der Unternehmen sehen ihre wirtschaftliche Entwicklung hierdurch gefährdet“, sagte IHK-Geschäftsführer .Jan Eder.
Er rechnet bestenfalls mit einem Wachstum in diesem Jahr von ein Prozent. Die Berliner Sparkasse geht aktuell von einem halben Prozent aus. Anfang des Jahres hatte die Investitionsbank Berlin noch mit drei Prozent gerechnet.
Krisengewinnler sind die Kfz-Werkstätten
Das Handwerk kann sich dem negativen Trend noch etwas entziehen, sagte Wittke, allerdings sei das von Branche zu Branche unterschiedlich. Das Sanitär- und Heizungsgewerbe sowie Solarinstallateure profitieren von der Umstellung auf dezentrale Energieversorgung und klimafreundliches Heizen.
Auch Augenoptiker, Zahntechniker und Orthopädietechniker, also Gesundheitsbetriebe, sind relativ krisenfest, liegen beim Geschäftsklimaindex mit 113 weit überm Durchschnitt. Friseure, Kosmetiker und Fotografen sowie Bäcker und Fleischer haben dagegen das Nachsehen.
Eindeutiger Gewinner der aktuellen Krise sind allein die Autowerkstätten. Bei ihnen kletterte der Geschäftsklimaindex auf einen historischen Rekordwert von 128. Wittke spricht von einem „Boom der Kfz-Werkstätten“.
Grund dafür ist die geringe Kauflaune im Neuwagenbereich. Die Autos werden immer länger gehalten, weil viele vor dem Kauf eines teuren E-Autos zurückschrecken. Einige setzen auch darauf, dass erneut eine Kaufprämie eingeführt wird.
„Das Neugeschäft dümpelt. Die Leute wissen nicht, was sie kaufen sollen und wann“, sagte Wittke. Wirkliche Gewinner sind denn auch die reinen Kfz-Werkstätten, nicht die Betriebe, die auch mit Neuwagen handeln..
War bislang der Fachkräftemangel das drängendste Problem vieler Betriebe, sind es nach Ansicht von Jan Eder inzwischen eher „strukturelle Probleme, die den Standort betreffen“, darunter Verkehr, Umwelt, Verwaltungshandeln, Energiepolitik und das Steuersystem.
Deutschlandfonds sehen die Kammern skeptisch
Ob ein „Deutschlandfonds“ zur Investitionsförderung, wie ihn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorschlägt, Abhilfe schaffen würde, sehen die Verbandsvertreter eher skeptisch. „Wenn’s eine Art von Investitionshilfe gibt, ist das gut, es muss aber auch bezahlbar sein“, sagte Eder.
Die Berliner Verwaltungsreform, seit Jahren von der Wirtschaft angemahnt, sehen Eder und Wittke auf einem guten Weg. „Wenn das, was in der Pipeline ist, umgesetzt wird, wäre das mehr als wir zu hoffen gewagt haben“, sagte Wittke. Einheitliche Verwaltungsverfahren in allen Bezirken, das wäre schon mal ein großes Plus.
Stark zum wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahre habe die Start-up-Ökonomie beigetragen, schreiben die Verbände in ihrem Konjunkturbericht. Besonders im Hochtechnologiebereich wachse das Start-up-Potenzial Berlins. „Angesichts der zähen Konjunktur- und durchscheinenden Strukturschwäche scheint es ratsam, dieses mit Nachdruck zu realisieren.“ (mit dpa)
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