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Lage im Berliner Maßregelvollzug weiter prekär: 25 Prozent der Pflege- und Arztstellen sind unbesetzt
Vor einem Jahr hatte der Ärztliche Leiter des Maßregelvollzugs wegen der katastrophalen Zustände gekündigt. Neue Zahlen zeigen: Es gibt noch immer zu viele Patienten und zu wenig Personal.
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Im Berliner Krankenhaus des Maßregelvollzugs arbeiten weiterhin zu wenige Ärzt:innen, Pflegekräfte und Therapeut:innen. Zudem sind nach wie vor mehr Patient:innen in der Klinik untergebracht, als behördlich genehmigte Betten zur Verfügung stehen. Das hat der Senat auf die parlamentarische Anfrage des CDU-Politikers Burkard Dregger geantwortet.
Anfang Dezember waren demnach 75 Menschen mehr untergebracht als vorgesehen. Von 54,75 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) bei den Ärzt:innen konnte das Land 14,65 nicht besetzen. Davon waren fast acht VZÄ durch Psycholog:innen besetzt, also durch nichtärztliche Kräfte. Ein VZÄ entspricht einer Vollzeitstelle und kann auf mehrere Personen aufgeteilt sein.
Bei der Pflege blieben bis Dezember ebenfalls knapp 25 Prozent der insgesamt 438 vorgesehenen VZÄ unbesetzt. Gibt es in einer Schicht zu wenig Personal, muss das Krankenhaus teure Leasingkräfte bestellen. An Psycholog:innen mangelt es der Klinik nicht.
Ärztlicher Leiter kündigte aus Gewissensgründen
Im Maßregelvollzug bringt das Land Berlin Straftäter:innen unter, die aufgrund einer psychischen Störung als eingeschränkt schuldfähig gelten und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. In den vergangenen Jahren hatten Gerichte zudem mehr Suchtkranke in der Spezialklinik unterbringen lassen. Nach einer Gesetzesreform, mit der die Definition einer entsprechenden Erkrankung enger gefasst wurde, werden voraussichtlich aber weniger dieser Personen ihre Strafe im Maßregelvollzug verbüßen.
Seit Jahren gilt die Klinik, die einen großen Standort in Reinickendorf und einen deutlich kleineren in Buch unterhält, wegen ihrer dünnen Personaldecke und der Überzahl an Verurteilten als völlig überfordert. Beschäftigte des Hauses hatten seit 2020 mehrere Brandbriefe an die Politik geschrieben, nachdem sich schwere Angriffe auf sie gehäuft hatten.
In der Antwort auf Dreggers Fragen verwies Gesundheitsstaatssekretärin Ellen Haußdörfer (SPD) auf 40 durch Insass:innen verletzte Mitarbeitende im Jahr 2023. Die Zahl solcher Vorfälle ging bis September 2024 immerhin auf zehn zurück.

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Den Ärztlichen Leiter Sven Reiners hat diese vermeintliche Besserung der Situation allerdings nicht davon abgehalten, seinen Dienst zu quittieren. „Ich kündige aus Gewissensgründen“, sagte der Chefarzt dem Tagesspiegel im April vor einem Jahr. „Unter den Bedingungen, wie sie im Maßregelvollzug seit Jahren herrschen, ist fachlich angemessene Arbeit nicht möglich. Patienten werden nicht ausreichend therapiert, die Beschäftigten durch den ständigen Mangel zermürbt.“
Vielleicht ist der Krankenstand auch deshalb seit Langem außergewöhnlich hoch. Die Zahlen belegen: Er pendelt hartnäckig um die 14-Prozent-Marke. Das bedeutet: Das ohnehin überlastete Kollegium muss auf viele eigentlich verfügbare Kräfte verzichten.
49 weitere Betten in Lichtenrade
Um die Missstände in den Griff zu bekommen, verfolgt der Senat verschiedene Strategien. Zum einen hat die Gesundheitsverwaltung die Zahl der Planstellen erhöht, damit sich mehr Fachkräfte um die Verurteilten kümmern können.
Zum anderen haben die Haushälter:innen des Landes den Etat für den Maßregelvollzug erhöht: In Lichtenrade, kurz vorm brandenburgischen Mahlow am Südzipfel der Hauptstadt, sollen im Oktober dieses Jahres 49 zusätzliche Betten in einer früheren Arrestanstalt in Betrieb gehen. Am Standort in Reinickendorf plant das Land „mit Nachdruck“, das Haus acht auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik bis 2030 zu ertüchtigen und um weitere 60 Betten aufzurüsten.
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