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Potsdam: Landtag zahlt Abgeordneten illegale Zulagen

Ein Gutachten belegt, dass mit Ausnahme der Grünen alle Landtagsparteien Sonderzahlungen für Vize-Posten und andere Funktionen geleistet haben, die laut einem Karlsruher Urteil aus dem Jahr 2000 nicht verfassungsmäßig sind.

Im Brandenburger Parlament wird durch alle Fraktionen mit Ausnahme der Grünen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2000 zu „verdeckten“ Zusatz-Salärs für Funktionsträger missachtet. Das geht aus einem dem Tagesspiegel vorliegenden Gutachten hervor, das der parlamentarische Beratungsdienst des Landtages jetzt selbst erstellt hat, im Auftrag der FDP. Danach ist die gängige Praxis von SPD, Linken, CDU und FDP, aus den Fraktionskassen an Vize-Fraktionschefs, parlamentarische Geschäftsführer und weitere Funktionäre zusätzlich zu den regulären Diäten von 4503,74 Euro eine „Funktionszulage“ zu zahlen, nicht verfassungsgemäß.

Das 19-Seiten-Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das nun schon zehn Jahre alte Karlsruher Urteil, wonach Zulagen allein auf Landtags- und Vizepräsidenten sowie Fraktionschefs zu beschränken sind, auch für Brandenburg gilt. „Die Entscheidung entfaltet mit ihren wesentlichen Gründen auch für den Landtag Brandenburg Bindungswirkung“, heißt es wörtlich. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Spruch zu Thüringen weitere Zulagen etwa für Ausschussvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer und Vizefraktionschefs „als nicht vereinbar mit den Grundsätzen der Gleichheit aller Abgeordneten und der Freiheit des Mandats“ erklärt. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass im Parlament „Hierarchien“ und eine Art „Abgeordnetenlaufbahn“ entstehen und Abgeordnete in Entscheidungen nicht mehr frei seien. Neben den im Brandenburger Abgeordnetengesetz geregelten und unstrittigen Amtszulagen für den Landtagspräsidenten, seine Stellvertreterin und die Fraktionschefs dürfte, so nun auch das Landtags-Gutachten, für weitere Funktionszulagen „nach der gegenwärtigen Rechtslage wohl kein Raum sein“. Mindestens müsste dafür „unter Inkaufnahme eines deutlichen rechtlichen Risikos“ erst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die es demnach bislang nicht gibt.

Die Expertise ist um so brisanter, weil erst im September 2010 nicht nur die betroffenen Fraktionen, sondern selbst Rechnungshofpräsident Thomas Apelt und Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) die Praxis als legitim und verfassungskonform verteidigten. Die SPD zahlt solche Zulagen immerhin an sechs der 31 Abgeordneten, nämlich an den parlamentarischen Geschäftsführer (Zulage über 50 Prozent der Diäten), an die fünf Vize-Fraktionschefs und Arbeitskreisleiter (plus 20 Prozent). In der 19-köpfigen CDU-Fraktion sind es sieben Abgeordnete. Die Linken haben unter den 26 Abgeordneten acht Besserverdienende. In der FDP, die sich mit der in Auftrag gegebenen Expertise selbst ein Eigentor schoss, sind es zwei von sieben. Die Grünen zahlen keine solchen Zulagen.

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