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Am Donnerstag wurde die Regenbogenfahne in der  Ibn Rushd Goethe-Moschee von Seyran Ates gehisst.

© Madlen Haarbach

„Liebe ist halal“ : Imamin Seyran Ateş hisst Regenbogenfahne in ihrer Berliner Moschee

Seit Jahren werden die liberale Imamin und ihre Moschee bedroht. Kurz vor dem Berliner Christopher Street Day setzt sie mit ihrer Gemeinde dennoch ein Zeichen für Diversität und queeres Leben.

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Die Fahne sei ein Zeichen stellvertretend für all jene Muslim:innen, die sich nicht trauen würden, ihre Stimme zu erheben, sagt Seyran Ateş. Die Imamin und Frauenrechtlerin steht am Donnerstagmorgen in ihrer Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin-Mitte und hält eine regenbogenfarbene Fahne mit dem Spruch „Liebe ist halal“ in die Höhe. Hinter ihr haben Mitstreiter gerade die große Regenbogenfahne der Moschee gehisst – wenn auch drinnen statt wie sonst draußen.

In den vergangenen beiden Jahren hatte die liberale Moscheegemeinde stets vor dem Christopher Street Day ein öffentliches Zeichen für Diversität und Liebe gesetzt. In diesem Jahr wollte Ateş darauf erst verzichten: Seit Jahren wird die Moschee von Islamisten bedroht, vor einigen Monaten wurden konkrete Anschlagspläne bekannt. „Die wollten uns töten“, sagt Ateş über acht Terroristen, die deswegen ab Ende Juli vor Gericht stehen. „Ich muss auch an die Sicherheit meiner Gemeinde denken“, sagt sie.

Unter anderem nach Gesprächen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) habe sie dann aber entschieden: Zumindest drinnen muss die Fahne hängen. „Das ist nur eine Alternative, aber besser, als nichts zu tun“, sagt Ateş. Sie stehe damit auch für all die Muslim:innen, die sich nicht trauen, die Moschee zu besuchen. „Viele haben Angst, hier herzukommen“, sagt sie. Umso wichtiger sei es, immer wieder Zeichen zu setzen und zu zeigen: Auch queere Muslim:innen existieren.

Viele haben Angst, hier herzukommen.

Seyran Ateş, Imamin und Frauenrechtlerin

Neben Mitgliedern der Gemeinde sind auch Politiker:innen und queere Aktivist:innen am Donnerstag in die Moschee gekommen. Berlins Bürgermeister Stefan Evers (CDU) trägt ein Shirt, das ebenfalls der Spruch „Liebe ist halal“ ziert. Evers, selbst schwuler Katholik, betont die Bedeutung von solidarischen Akten mit der queeren Community. Es sei leider nach wie vor nicht selbstverständlich, dass queere Menschen an allen Orten sichtbar sind. „Es gehört immer noch sehr viel Mut dazu, das zu tun, was Seyran Ateş tut“, sagt Evers. „Ich wünsche mir, dass dieses Symbol über das Symbol hinauswirkt.“

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) ist stellvertretend für seine elf Amtskolleg:innen vor Ort. Das sei ihm wichtig, weil sein Bezirk nach wie vor eher nicht mit queerem Leben assoziiert werde – auch wenn es mittlerweile viele queere Institutionen im Bezirk gebe. „Wer wen liebt oder wer wo wohnt, das darf kein ausschlaggebendes Kriterium sein“, sagte Hikel.

Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee bietet auch Seelsorge für queere Muslim:innen an. „Wir retten hier jungen Menschen wortwörtlich das Leben“, sagt Seyran Ateş. Ihr Neffe Tugay Sarac besucht zum Beispiel Schulen, um mit muslimischen Schülern ins Gespräch zu kommen. „Ich war selbst Salafist und wollte mein Schwulsein mit Gebeten bekämpfen“, sagt Sarac. Er organisiert auch Stammtische mit queeren Muslim:innen. Das sei durch die akuten Drohungen aber mittlerweile sehr schwierig: „Wie organisiert man Treffen, wenn man nicht weiß, wer mit am Tisch sitzt?“, sagt er.

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