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Die „Kadterschmiede“ befindet sich im Erdgeschoss der Rigaer Straße 94.

© dpa/Paul Zinken

Update

Linkes Szenehaus „Rigaer 94“ in Friedrichshain: Räumungsklage gegen Kneipe „Kadterschmiede“ scheitert wohl erneut

Das teilbesetzte Haus in Friedrichshain beschäftigt seit Jahren Polizei und Justiz. Derzeit befassen sich wieder mehrere Richter mit Räumungsklagen. Erste Entscheidungen soll es bald geben.

Stand:

Im Streit um das wohl letzte besetzte Haus Berlins zeichnet sich eine weitere Niederlage für die Eigentümergesellschaft ab. Seit Jahren versucht die Eigentümerin der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain, die Bewohner:innen räumen zu lassen. Bei der Gesellschaft handelt es sich um eine britische Limited – eine Geschäftsform, die seit dem Brexit in Deutschland nicht mehr rechtsfähig ist.

Nachdem das Landgericht II vergangene Woche in der Berufungsverhandlung über die Räumungsklage für einige Wohnungen bereits deutliche Zweifel an der Prozessfähigkeit der Eigentümergesellschaft erkennen lassen hatte, ging eine andere Kammer desselben Gerichts in einer Verhandlung an diesem Mittwoch noch weiter.

In der erneuten Räumungsklage gegen die Kneipe „Kadterschmiede“ im Erdgeschoss des Hauses signalisierte der Richter, dass er die Vollmacht der Anwälte der Eigentümergesellschaft für nicht ausreichend hält. Eine Entscheidung darüber, ob er die Klage zulässt, will er am 8. Oktober verkünden. 

Die Kneipe wird seit 2013 von einem Verein ohne Mietvertrag betrieben. Die Eigentümerin verlangt die Herausgabe sowie eine Entschädigungszahlung von 650 Euro monatlich.

Prozessvollmacht angezweifelt

In einem früheren Verfahren im März 2022 hatte eine andere Kammer des Landgerichts die Klage der Eigentümerin als unzulässig abgewiesen: Auch die Kammer begründete dies mit der unzureichenden Prozessvollmacht. Das Berliner Kammergericht bestätigte diese Entscheidung in der nächsten Instanz, womit sie rechtskräftig wird.

Der Richter im aktuellen Verfahren deutete an, dass er dieser Entscheidung folgen werde: Seit dem damaligen Prozess hätten die Anwälte keine neuen Nachweise vorgelegt, die eine Prozessvollmacht belegen würden. Konkret zweifelte der Richter an, dass die vermeintliche Geschäftsführerin in England tatsächlich die Geschäfte führe: Es liege kein Nachweis darüber vor, dass die Personen, die sie benannt hätten, tatsächlich Gesellschafter der Eigentümerin seien.

Aus Sicht des Vereins hinter der „Kadterschmiede“ handelt es sich bei der Geschäftsführerin lediglich um eine Strohfrau: Sie soll weder ein Büro haben noch eigene Entscheidungen treffen. Stattdessen scanne sie lediglich Briefe ein und schicke diese zur Entscheidung zurück nach Berlin. Zudem sei sie auch in 71 anderen Gesellschaften als alleinige Geschäftsführerin eingetragen.

Strohfrau soll als Geschäftsführerin fungieren

Die Anwältinnen des Vereins zweifeln zudem an, dass es sich bei den vermeintlichen Gesellschaftern in den Dokumenten überhaupt um reale Personen handelt. Tatsächlich soll ein Berliner Unternehmer die Geschäfte führen und seine Identität hinter der haftungsbeschränkten Limited verschleiern.

Daher gibt es, neben der Vollmacht, auch Streit darüber, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in England oder tatsächlich in Berlin hat. Nur in ersterem Fall wäre sie in Deutschland prozessfähig. Auch hier deutete der Richter im aktuellen Verfahren an, der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Kreuzbergs folgen zu wollen: Dieses hatte diverse Klagen mit Verweis auf den Verwaltungssitz abgewiesen.

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Verfahren zur Räumung von Wohn- und Gewerbeeinheiten in der Rigaer 94 laufen aktuell

Der Richter im aktuellen Verfahren erklärte, dass Räumungsansprüche gegen die „Kadterschmiede“ durchaus gerechtfertigt sein könnten. Dafür wäre aber eben zunächst nötig, die Klage überhaupt zuzulassen. Sollte er die Prozessvollmacht anerkennen, erwäge er, die vermeintliche britische Geschäftsführerin zu laden. „Dann kann sie selbst erklären, was sie eigentlich macht“, sagt er.

Allerdings war diese einer Ladung im parallelen Verfahren zu den Wohnungen nicht gefolgt: Stattdessen hatten die Anwälte eine Krankschreibung in englischer Sprache vorgelegt, die allerdings auf einen anderen Nachnamen ausgestellt worden war.

Klagen aus formalen Gründen abgewiesen

Der Gebäudekomplex in der Rigaer Straße 94 mit rund 30 Wohnungen beschäftigt seit Jahren Gerichte. Bislang sind die meisten Räumungsklagen der Hauseigentümerin aus formalen Gründen als unzulässig abgewiesen worden. Zu einer inhaltlichen Prüfung möglicher Ansprüche der britischen Gesellschaft kam es deswegen nie.

In einem weiteren Verfahren hatte das Berliner Kammergericht allerdings im Sommer 2024 anders geurteilt und die Rechtsfähigkeit festgestellt.

Neben dem Verfahren rund um die „Kadterschmiede“ werden aktuell zwölf Räumungsklagen gegen Hausbewohner:innen verhandelt. In diesen Fällen wird voraussichtlich Anfang Oktober eine erste Entscheidung erwartet. Dabei geht es um Wohnungsmietverträge aus dem Jahr 1992.

Einige der früheren Bewohner:innen haben allerdings mittlerweile signalisiert, die Wohnungen freiwillig räumen zu wollen. In einigen Fällen wurden daher bereits Vergleiche geschlossen. Diese nutzen der Eigentümerin allerdings nur bedingt: Tatsächlich bräuchte sie Räumungstitel gegen die aktuellen Bewohner:innen, um das Haus räumen zu lassen. Deren Identitäten sind allerdings weitgehend strittig oder unbekannt.

Die aktuellen Bewohner:innen der „Rigaer 94“ verkündeten im Vorfeld der Prozesse, dass sie kein Interesse daran hätten, sich in irgendeiner Form mit der Eigentümerin zu einigen. „Auch wenn Richter:innen also entscheiden sollten, dass Leonid Medved und die Cops das Recht hätten, unser Haus zu räumen, wollen wir daran erinnern, dass wir uns nicht an ihre Spielregeln halten“, heißt es in einem Statement. Medved soll der reale Eigentümer des Hauses sein.

Und weiter: „Kein Immobilienhai sollte sich in dieser Stadt sicher fühlen.“ Zudem kündigten sie an, sich einer möglichen Räumung mit Gewalt zu widersetzen. Auch ihre Unterstützer:innen riefen sie dazu auf, „die Dinge selbst in die Hand zu nehmen“. Dem folgten offenbar einige: In den vergangenen Wochen brachen Unbekannte unter anderem in das Berliner Büro Medveds ein und attackierten auch das Café seiner Tochter.

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