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Ein Jahr Breitscheidplatz-Anschlag in Berlin: Gesang und Kerzen für die Opfer des Terroraktes
Ein Jahr nach dem Anschlag am Breitscheidplatz gedachte Berlin der Opfer. Angela Merkel gestand Fehler ein, Michael Müller bat um Verzeihung. Lesen Sie hier die Ereignisse im Newsblog nach.
- Angie Pohlers
- Ingo Salmen
- Kai Portmann
- Sylvia Vogt
- Ronja Ringelstein
Stand:
- Deutschland gedachte der Opfer des Terroranschlags vom Berliner Weihnachtsmarkt vor einem Jahr, am 19. Dezember 2016.
- Angehörige der zwölf Todesopfer sowie damals Verletzte enthüllten an der Gedächtniskirche ein Mahnmal enthüllen.
- Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach beim nicht-öffentlichen Gedenken zu den Angehörigen und Opfern.
- Der Jahrestag des Anschlags wurde am Abend mit einer Kundgebung und einer Lichterkette auf dem Breitscheidplatz beendet
- Der Umgang der Behörden mit dem späteren Attentäter Anis Amri wirft weiter Fragen auf.
Tag des Gedenkens geht zu Ende

Michael Müller: "Eine Ausnahmesituation für uns alle"

Kundgebungen am Rande
"Berlin ist die Stadt der Toleranz und Freiheit", sagt Michael Müller. Zuvor hat die Sängerin Jocelyn B. Smith am Klavier in der Gedächtniskirche sitzend gesungen - durch die Lautsprecher hallte es über den ganzen Platz.

Gedenken und Verkehrseinschränkungen bis in die Nacht
Bewährungsprobe für die Politik
Nur elf Tage vor dem Terrorakt am Breitscheidplatz wurde Berlins rot-rot-grüner Senat vereidigt. Landespolitik-Reporterin Sabine Beikler hat den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und weitere Poltiker gefragt, wie sie die Nacht in Erinnerung haben. Hakan Tas von den Linken erzählte ihr, dass Einsatzkräfte herbeigeeilten Politikern geraten hätten, nicht genau hinzuschauen. „Ich war geschockt und irritiert." Den Artikel finden Sie hier.

Weihnachtsmärkte trotzden dem Terror

Eine App zum Gedenken
Am Jahrestag des Anschlags präsentierte die EU-weite Initiative "Stop Extremism" eine Smartphone-App, die Augmented Reality nutzt. Auf dem Bildschirm der Nutzer erscheint eine riesige goldene Hand, wenn Sie sich am Breitscheidplatz aufhalten. In einem kurzen Twitter-Video wirbt die Berliner Anwältin und Moscheegründerin Seyran Ateş vor der Gedächtniskirche für das "virtuelle Mahnmal" und fordert: "Lassen Sie uns gemeinsam den Extremismus stoppen." Das Ziel der Kampagne: Eine Unterschriftensammlung für ein EU-Maßnahmenpaket gegen politischen Extremismus jeglicher Art.
Kurt Beck: "Wir waren nicht ausreichend vorbereitet"
Im Abgeordnetenhaus spricht der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Kurt Beck. Er möchte den Opfern und Hinterbliebenen Dank sagen, dass sie sich geöffnet haben. Er hoffe, dass dieser Gedenktag, dieser würdige Gottesdienst, als „Zeichen von Ihnen angenommen werden, um mit Ihnen solidarisch diese schweren Stunden gemeinsam durchzustehen“.
Überall dort, wo Terroristen, Einzelne oder Angehörige in so furchtbare Situationen hineinreißen würden, heiße das auch, dass „wir auch ein besonderes Maß als Gemeinschaft, als Staat hätten“. An vielen Stellen hätte man „auf Versäumnisse“ geblickt.
Wenn so etwas Schreckliches passiert, „müssen Folgerungen daraus gezogen werden“, um den Willen daraus zu entwickeln, sich besser zu orientieren. „Wir waren, das muss man konstatieren, in Deutschland nicht ausreichend vorbereitet.“ Nicht was das wirkliche Annehmen der terroristischen Herausforderung betrifft.
Beck hat der Bundesregierung als Opferbeauftragter viele Ansätze und Verbesserungen vorgetragen. „Ich bin dankbar dafür, dass die Anstöße aufgenommen werden. Es kommt darauf an, dass sie jetzt umgesetzt werden.“
Er plädiere erneut dafür, auch beim Bund und in Ländern dauerhafte Ansprechstellen für Opfer und Hinterbliebene von Anschlägen entstehen sollen. Das Beispiel Berlin als erstes Bundesland mache es vor, wo eine Zentralstelle eingerichtet wird. Beck fordert, dass die materiellen Entschädigungen „einigermaßen ansprechend“ sein müssten. „Die materielle Situation in solchen Situationen müssen abgemildert werden. Sie muss angemessener als bisher umgesetzt werden.“
Kurt Beck fügt hinzu, das Opferentschädigungsrecht müsse überarbeitet werden. „Das alles hoffe ich, wird nicht irgendwann, sondern in den kommenden Wochen umgesetzt.“ Er bitte „ausdrücklich“ darum, dass Hinterbliebene und Betroffene erwarten dürften, dass nichts auf die lange Bank geschoben werden dürfe. „Es geht um die freiheitliche Form des Lebens, aber auch um die daraus resultierenden Verantwortlichkeiten daraus“, sagt Beck. (Sabine Beikler)

Mahnwache an der Gedächtniskirche
Bilder des Gedenkens



Müller: "Ich bitte Sie um Verzeihung"
„Mir fehlen bis heute wie so vielen die richtigen Worte“, sagt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er spricht von schweren Pannen bei der Verfolgung des Mannes, der am 19. Dezember so viel Leid verursacht hat, von den Demütigungen der Behörden bei den Hinterbliebenen. „Ich bitte Sie als Regierender Bürgermeister für diese Fehler um Verzeihung.“
Auch er werde den schrecklichen Anblick am Tatort nicht vergessen. Aber er habe es als sehr ermutigend gesehen, wie engagiert die vielen Rettungskräfte gearbeitet haben an diesem Abend. Auch der ehrenamtliche Opferbeauftragte Roland Weber habe sich unermüdlich für die Opfer eingesetzt. Berlin richte als erstes Bundesland eine zentrale Anlaufstelle für Opfer ein. „Dort sollen sie Empathie und persönliche Hilfe erhalten.“
Eine hundertprozentige Sicherheit könne und werde es nicht geben. „Es ist ein quälender Gedanke“, dass dieser Attentäter schon vor dem 19. Dezember hätte abgeschoben werden. Michael Müller nennt den Namen Anis Amri nicht. Er erinnert erneut an die Versäumnisse, die offen benannt werden müssten. „Wir fühlen uns heute an diesem Tag besonders verbunden mit vielen Städten wie Paris, Nizza oder New York. „Überall geht es darum, den Opfern schnell zu helfen.“ Auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche habe nach dem Anschlag ein „unermüdliches Engagement“ gezeigt. Er sei dankbar für die Hilfe von Pfarrer Martin Germer für die Vorbereitung des Gedenktages.
„Wir müssen alles tun, dass sich solche schrecklichen Ereignisse nicht wiederholen“, sagt Müller. Dieser „Macht der Zerstörung“ müsse man die „Kraft der Versöhnung“ entgegensetzen.
Der Chor singt "Ruhetal" von Felix Mendelssohn Bartholdy. (Sabine Beikler)
"Wir verneigen uns in Trauer"
Im Abgeordnetenhaus hat die Gedenkstunde begonnen. Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD) spricht zu Beginn. Anwesend sind die Bundesminister Heiko Maas, Hermann Gröhe, Katharina Barley, Staatssekretär Hans-Georg Engelke aus dem Bundesinnenministerium, die Vize-Präsidentin des Bundestags, Petra Pau, viele Landespolitiker, Diplomaten und Botschafter. Hinterbliebene und Verletzte sitzen im Plenarsaal, viele haben Kopfhörer auf, um die Reden übersetzt zu hören. Es gibt einige, die abgeschirmt und direkt in gesonderte Räume geführt worden.
Ralf Wieland sagt: „Hundertprozentige Sicherheit kann es in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht geben.“ Der wirksamste Schutz gegen Gewalt und Terror sei die Verteidigung der Freiheit. Für die Hinterbliebenen und Opfer, für die Helfer könne das kein Trost sein. „Wir verneigen uns in Trauer vor den zwölf Getöteten und den Verletzten.“
Der Parlamentspräsident liest die Namen der Getöteten vor. (Sabine Beikler)

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