
© Julius Geiler
Pyrotechnik, Pfefferspray, Polizei-Kessel: So verlief die Demo gegen die „Syndikat“-Räumung in Neukölln
Die Neuköllner Szenekneipe „Syndikat“ wurde am Freitagmorgen geräumt. Beim Gegenprotest am Nachmittag und Abend kam es teilweise zu Ausschreitungen.
- Madlen Haarbach
- Silvia Perdoni
- Jette Wiese
- Julius Geiler
Stand:
Zahlreiche Menschen protestierten am Freitag gegen die Räumung der Kiezkneipe „Syndikat.“ Am Abend versammelten sich laut Polizei etwa 500 Demonstranten aus der linken Szene auf dem Neuköllner Richardplatz.
Dort war die Stimmung zwischenzeitlich sehr angespannt: Demonstranten zündeten Pyrotechnik und warfen Steine und Flaschen auf Polizeibeamte. Dabei wurde ein Polizist durch einen Flaschenwurf so schwer im Gesicht verletzt, dass er im Krankenhaus notoperiert werden musste. 29 weitere Beamte erlitten Atemwegsreizungen durch Reizgas. Die Polizei versprühte Pfefferspray und kesselte die Demonstranten ein. (Mehr dazu im Blog unten.)
Etwa ab Mitternacht habe sich die Lage beruhigt, sagte ein Polizeisprecher am Samstagmorgen. 16 Menschen wurden festgenommen, darunter 13 Männer und drei Frauen. Insgesamt wurden laut Polizei zwölf Ordnungswidrigkeitsverfahren und 15 Strafermittlungsverfahren eingeleitet. 34 Polizisten wurden verletzt.
Proteste bereits am Freitagmorgen
Bereits die Räumung am Freitagmorgen wurde von starkem Protest begleitet, bei dem es Ausschreitungen gab. Die Polizei nahm dort mindestens 44 Menschen fest, sechs Einsatzkräfte wurden verletzt. Bei einem Demonstrationszug am Nachmittag mit zwischenzeitlich etwa 800 Teilnehmern blieb es friedlich.
Mit der Räumung des „Syndikats“ ist nach mehr als 35 Jahren ein Neuköllner Treffpunkt verschwunden – weil die Eigentümer, eine britische Milliardärsfamilie, der Kneipe gekündigt und vor Gericht gewonnen haben.
[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: 35 Jahre existierte das „Syndikat“. Als die Kündigung eintraf, begann ein Kampf gegen Spekulanten und für das letzte bisschen Punk im Schillerkiez. Die Geschichte eines Untergangs.]
Demonstration am Richardplatz beendet – Lage im Kiez wieder ruhig
Polizei löst Kessel auf – weiter mehrere hundert Demo-Teilnehmende vor Ort
Lage rund um den Richardplatz entspannt sich langsam




Demonstration am Richardplatz eskaliert
Spontandemonstration am Neuköllner Richardplatz geplant
Nach dem Demonstrationszug mit rund 550 Teilnehmenden erwartet die Berliner Polizei am Abend weiteren Protest rund um den Neuköllner Richardplatz. Hier wurde zu „wütenden Aktionen“ aufgerufen. Wie unser Reporter Julius Geiler berichtet, haben sich dort bereits einige Aktivisten versammelt. Die Polizei ist mit mehreren Hundertschaften vor Ort.Kiezkneipe wendet sich an Unterstützer: Das Syndikat ist tot, lang lebe das Syndikat!

Demo mit rund 400 Teilnehmern startet am Herrfurthplatz

„Das war heute morgen unfair“
Im Schillerkiez ist es nach wie vor ruhig. Menschen sitzen in den Cafés, Anwohner wundern sich über die Polizeipräsenz im Kiez. Vor dem „Syndikat“ wurde die Weisestraße mittlerweile für den Verkehr wieder freigegeben, einige Polizisten schieben Wache vor der geräumten Kneipe. „Das war heute morgen unfair“ sagt eine ältere Nachbarin und blickt auf die Absperrgitter, die noch am Straßenrand lehnen. Sie wundere sich, dass die Gitter nachts nicht gestürmt worden sein. „Das hätte bei uns damals anders ausgesehen“, sagt sie und lacht. Um 17 Uhr soll am benachbarten Herrfurthplatz die nächste Demonstration starten. (Madlen Haarbach)Tagesspiegel-Recherche: das sind die Eigentümer
Hikel: „Es gibt nur Verlierer“
„Erfreulicherweise sind die Proteste im Vergleich zum letztenWochenende nicht ausgeartet“, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) auf Anfrage. Und weiter: „Trotzdem: Das ist kein guter Tag für Neukölln. Es gibt eigentlich nur Verlierer. Der Kiez hat seine Kiezkneipe verloren und die Polizei wird jetzt zum Buhmann gemacht, weil sie geltendes Recht durchsetzt. Es gibt nur einen Gewinner, und das sind die Pears-Brüder, die in London sitzen. Es bleibt dabei: Soziale Infrastruktur von Kitas über Jugendclubs bis hin zu Kiezkneipen müssen erhalten bleiben, damit unsere Stadt ihren Charakter nicht verliert.“
Erste Bilanz der Polizei
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