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Mit gelben Tonnen und dem Radioaktiv-Zeichen demonstrieren Greenpeace-Aktivisten gegen Atommüllendlager. 

© Sebastian Kahnert/dpa

Markus Dröge über die Suche nach einem Atommüll-Endlager: „Wir haben Schiedsrichterfunktion“

Der ehemalige Berliner Bischof Markus Dröge wacht über die Suche nach einem Atommüllendlager. Der Prozess müsse transparent und fair ablaufen. Ein Interview

Anfang der Woche sorgte die Nachricht für Aufsehen: Halb Deutschland komme als Standort für ein Atommüll-Endlager in Frage, teilte die Bundesgesellschaft für Endlagerung mit. Ging da wirklich alles mit rechten Dingen zu? Das zu beurteilen ist Aufgabe des Nationalen Begleitgremiums, dem der ehemalige Berliner Bischof Markus Dröge angehört.

Bischof Dröge, was hat ein Bischof im Ruhestand mit der Suche nach einem Atommüllendlager zu tun?
Als ich in Pension ging, sprach mich die Vorsitzende des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag, Silvia Kotting-Uhl, an: Parallel zur Suche nach einem Endlagerstandort durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) sieht das Standortauswahlgesetz vor, dass es einen unabhängigen Beirat gibt, der den Prozess kritisch begleitet. 

Berufen durch Bundestag und Bundesrat, engagiere ich mich nun in diesem Gremium, dem so genannten Nationalen Begleitgremium, kurz NBG. Denn für mich gehörte zur Glaubwürdigkeit des Christseins immer auch das gesellschaftliche Engagement, auch dort, wo die Fragen schwierig werden. Und bei der Suche nach einem Atommüllendlager steht nichts weniger als der Zusammenhalt der Gesellschaft auf dem Spiel. Deswegen ist es wichtig, hier für Transparenz und Fairness zu sorgen.

Welche Aufgabe hat das Gremium, dem Sie angehören?
Wir sollen die Arbeit der BGE und des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) kritisch begleiten. Der Bundestag hatte ja beschlossen, dass die Suche nach einem Endlagerstandort partizipativ und transparent sein soll. Das Ganze soll wissenschaftlich fundiert geschehen: Am Ende soll die Öffentlichkeit dem Verfahren vertrauen und die Entscheidungen nachvollziehen können.

Dr. Markus Dröge ist evangelischer Theologe und war Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Dr. Markus Dröge ist evangelischer Theologe und war Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

© Mike Wolff

Was kann Ihr Gremium dazu beitragen?
Wir sind ein Beirat ohne Entscheidungskompetenz. Wir entscheiden also nicht darüber, wo das Endlager am Ende steht. Wir haben Schiedsrichterfunktion. Und deshalb auch das Recht auf Akteneinsicht. Uns stehen Bundesmittel zur Verfügung, die wir sowohl für Informationsveranstaltungen verwenden können als auch für externe Gutachter, die dann überprüfen, ob sich zum Beispiel die BGE bei ihrer Tätigkeit an die Kriterien des Standortauswahlgesetzes hält. 

Erst vor Kurzem haben wir beispielsweise im Rahmen einer Stichprobe untersuchen lassen, auf Basis welcher Daten und Kriterien die BGE zur aktuellen Einstufung von Gorleben und eines Standortes in Sachsen-Anhalt gekommen ist. Dasselbe werden wir für zwei ausgewählte Standorte mit Tongestein und zwei Standorte mit kristallinen Gesteinen in Auftrag geben.

Dort, wo Landkreise sich auf der Karte möglicher Endlagerstätten wiederfanden, ist man besorgt – in der Prignitz oder in Rheinsberg zum Beispiel. Was sagen Sie den Menschen dort?
Zur Zeit gelten 54 Prozent des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland als für eine mögliche Endlagerung geeignet. Daran erkennt man, dass nun erst einmal eine geologische Sichtung vorgenommen wurde. Wir sind noch immer in der allerersten Phase der Suche nach einem Endlager. 

Bis 2030 wird sich das immer weiter einengen: Einige Gebiete werden obertägig untersucht, dann werden zum Beispiel auch Naturschutzgebiete und Bebauung eine Rolle spielen. Die letzten in Frage kommenden Gebiete sollen schließlich mit extra gebauten Schächten erschlossen und geprüft werden..

Aber wenn das Endlager dann doch in die Region kommt?
Ziel des Verfahrens ist es, den absolut besten und sichersten Platz für den Atommüll zu finden. Den Ort, der nach allem menschlichen Ermessen der sicherste Ort in Deutschland ist. Wenn dieser Ort gefunden ist, wird es natürlich einen entsprechenden Ausgleich für die betreffende Region geben – in Finnland beispielsweise haben sich manche Regionen sogar aktiv darum beworben, Standort des Endlagers zu sein. 

Und eines darf man auch nicht vergessen: Derzeit wird unser Atommüll in 16 unsicheren, zum Teil oberirdischen Zwischenlagern aufbewahrt. Wer ab 2030 in die engere Wahl kommt, leistet deswegen einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft.

In Bayern sieht man das offenbar anders - dort wehrt man sich jetzt schon gegen die Vorstellung, dass das Endlager in den Freistaat kommt. 

Ich kann es als NBG-Mitglied nur scharf kritisieren, wenn Bayern nun versucht, das Verfahren zu politisieren und von den transparenten, im Vorfeld festgelegten Kriterien abrücken will. Denn Bundestag und Bundesrat haben das Verfahren 2017 mit großer Mehrheit so beschlossen, wie es jetzt durchgeführt wird. Und Bayern war auch dafür!

Wie konkret wollen Sie denn in den nächsten Jahren das Verfahren weiter begleiten?
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) wird im kommenden Jahr mehrere Fachkonferenzen dazu anbieten. Sie werden vor allem online stattfinden. Dort können alle Bürger ihre Anliegen und Sorgen vorbringen. Und schon heute gilt: Wer etwa auf ein Schreiben an die BGE oder an die BASE eine unbefriedigende Antwort erhalten hat, kann sich an uns wenden. Als Anwälte der Öffentlichkeit haken wir dann nach.

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