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Wo einst Braunkohle abgebaut wurde, entsteht ein riesiger See - der Ostsee.

© Patrick Pleul/ZB/dpa

Mega-Bauprojekt bei Cottbus: Flutung des Ostsees beginnt am Freitag

Am Freitag beginnt die Flutung des Ostsees. Viele hoffen, dass das ein Wendepunkt für die Stadt Cottbus und die ganze Region wird.

Von Sandra Dassler

"Was mit der Flutung beginnt, wird unsere Heimatstadt für lange, lange Zeit verändern", sagt Denis Kettlitz: "Nicht für Jahre oder Jahrzehnte, sondern für Jahrhunderte. Cottbus wird bald am größten künstlichen See Deutschlands liegen, sich von einer typischen Revier- in eine Hafenstadt verwandeln. Vielen Menschen ist das noch gar nicht so klar." Auch deshalb engagiert sich der hauptberuflich als Personalberater tätige Kettlitz als Vorsitzender des im Sommer 2016 gegründeten Fördervereins Cottbuser Ostsee. Bis zum damaligen Zeitpunkt gab es bestenfalls Skepsis, oft aber sogar Kritik an dem Vorhaben, den ehemaligen Braunkohletagebau Cottbus-Nord zum flächenmäßig größten See des Lausitzer Tagebauseengebiets umzuwandeln - mit insgesamt 1900 Hektar.

"Die Diskussion wurde beispielsweise von Ängsten dominiert, wonach das Wasser die Keller in umliegenden Ortschaften überflutet", sagt Denis Kettlitz. "Die großen Chancen, die mit der Umgestaltung der Landschaft gerade auch in Verbindung mit der Energiewende erwachsen, sahen die wenigsten." Dass sich das inzwischen geändert hat, ist auch dem Förderverein zu verdanken, der in den vergangenen Jahren viele Aktionen gestartet hat. Kürzlich eröffnete er einen Infopunkt im Einkaufszentrum Spree-Galerie. Eine leere Ladenfläche wurde in ein kleines Seeparadies mit viel maritimem Flair und Infotafeln verwandelt, was die Cottbuser reichlich nutzten. Hier wird am Freitagabend ein Bürgerfest stattfinden, während Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und viele Prominente aus Politik und Wirtschaft die Flutung am westlichen Rand des ehemaligen Tagebaus feiern.

"Statt Absperrungen und wenig Sicht am See gibt’s bei uns ein buntes Programm mit Musik, Gewinnspiel, Getränkeverkauf, maritimen Überraschungen und Live-Übertragung", heißt es in der Einladung des Fördervereins. "Zählen Sie mit uns gemeinsam den Countdown runter und sehen Sie auf den Monitoren die Live-Bilder, wenn es endlich heißt: Wasser marsch!" Eine Drohne soll die Bilder von der offiziellen Flutungsfeier übertragen, zu der die Leag eingeladen hat. Der zweitgrößte Energieanbieter in Deutschland besteht aus der Lausitz Energie Verwaltungs GmbH, Lausitz Energie Bergbau AG und der Lausitz Energie Kraftwerke AG. In der offiziellen Presseeinladung heißt es, man habe alle bergmännisch und geotechnisch notwendigen Vorbereitungen für eine erfolgreiche und sichere Flutung pünktlich abschließen können.

Neben der Leag und der Landespolitik nehmen auch der Cottbuser Oberbürgermeister und Vertreter der Bergbausanierungsgesellschaft LMBV an der Feier teil. Letztere haben bereits viel Erfahrungen mit der Flutung anderer Bergbaufolgeseen. Der Cottbuser Ostsee ist mit knapp 19 Quadratmetern Wasserfläche allerdings der gewaltigste von ihnen und etwa zweieinhalb mal größer als der Müggelsee mit siebeneinhalb Quadratkilometern.

Kritiker des Vorhabens weisen seit Jahren darauf hin, dass man angesichts von Klimawandel und Wasserknappheit nicht wisse, ob das Vorhaben gelingt. Andere befürchten Sicherheitsrisiken – auch angesichts der jüngsten Sperrung des ebenfalls aus einem Tagebau entstandenen Senftenberger Sees (der Tagesspiegel berichtete). LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber verwies jedoch darauf, dass heute ganz andere, moderne Technik eingesetzt würde, so dass die Sicherheit gewährleistet sei.

Jede Menge Platz: Blick von einem Aussichtsturm über den ehemaligen Braunkohletagebau Cottbus-Nord.
Jede Menge Platz: Blick von einem Aussichtsturm über den ehemaligen Braunkohletagebau Cottbus-Nord.

© Patrick Pleul/dpa

Natürlich erst, wenn der See in etwa sechs Jahren vollgelaufen sei. Während des Einlaufens des Wassers käme es immer wieder zu Rutschungen, weshalb der künftige See auch abgesperrt sei. "Dann kann man aber mit der Nutzung beginnen", sagt Denis Kettlitz. "Und wenn alles gut geht, etwa im Jahr 2030 auch darin baden." Bis dahin gebe es aber noch viele Dinge zu regeln, so sei beispielsweise die Nachfrage nach Immobilien hoch und sollte durch die Leag beziehungsweise durch die anliegenden Kommunen klug gesteuert werden.

Denis Kettlitz hat da eine ganz eigene Vision. "Wohnen am Cottbuser Ostsee und arbeiten in der Berliner Friedrichstraße – warum sollte das nicht möglich sein?", fragt er. "Jedenfalls, wenn wir mit den Geldern für den Strukturwandel auch die angekündigte bessere Bahnanbindung nach Berlin bekommen." In jedem Fall könnte, so hofft zumindest der Förderverein,  die Entwicklung zur Seestadt in Cottbus nach Jahren der Stagnation und der schlechten Nachrichten eine ähnliche Euphorie auslösen wie Anfang der 90er Jahre die Entscheidung des damaligen Oberbürgermeisters Waldemar Kleinschmidt (CDU), die Bundesgartenschau kurzfristig in die Lausitz zu holen.

"Kleinschmidt hat es damals geschafft, dass die Cottbuser statt zu klagen die Ärmel hochkrempelten und ranklotzten", sagt Kettlitz. Zu Recht seien sie dann auch stolz auf ihre Stadt gewesen. Deshalb sei es gut, dass der jetzige Bürgermeister Holger Kelch (CDU) auf den unter anderem von Waldemar Kleinschmidt und dem Ostsee-Förderverein unterbreiteten Vorschlag, wieder eine Bundesgartenschau nach Cottbus zu holen, einging. Die Stadt bewirbt sich für die Buga 2033. Das einstige Revier wird sich bis dahin total verändert haben, sagt Kettlitz. Er wünsche sich, dass diese Veränderungen aktiv und optimistisch von den Bürgern der Stadt gestaltet werden. Getreu des alten chinesischen Mottos: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern – und die anderen Windmühlen."

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