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Zwei Schüler prügeln sich auf dem Schulhof (Symbolbild)

© dpa/Oliver Berg

Update

Mindestens fünf Polizeieinsätze täglich: Gewalttaten an Berliner Schulen steigen deutlich

Statistiken und Einschätzungen der Polizei zeigen: Gewalttaten an Schulen haben 2023 weiter zugenommen. Auch ein Blick auf die Jahre vor der Corona-Pandemie bestätigt den Eindruck.

| Update:

Fünfmal am Tag rückte die Berliner Polizei im Jahr 2023 durchschnittlich zum Einsatz an eine von Berlins gut 1000 Schulen aus. Die Zahl der erfassten Gewalttaten an Berliner Schulen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Zwar liegen die endgültigen Zahlen für 2023 noch nicht vor und in den Jahren 2021 und 2022 muss die Corona-Pandemie berücksichtigt werden, dennoch zeigt die Tendenz eindeutig nach oben. Das belegen Statistiken und Einschätzungen, die die Polizei der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

Demnach registrierte die Polizei 2021 insgesamt 1133 sogenannte Rohheitsdelikte. 2022 waren es 2344 entsprechende Taten und für 2023 sei eine „erneute deutliche Steigerung der Fallzahlen“ zu verzeichnen.

War es im Jahr 2021 noch 750 Mal der Fall, dass Einsatzkräfte an Berlins Schulen ausrücken mussten, stieg der Wert auf 1003 Fälle (2022) und 1076 Fälle im vergangenen Jahr, wie bereits feststeht.

Vor einer Zunahme der Gewaltdelikte an Schulen hatte bereits Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Tagesspiegel-Interview gewarnt. Es habe 2023 einen Anstieg um 17 Prozent gegeben, so Slowik. „Das ist ein bundesweiter, sogar europäischer Trend und nicht nur ein Berlin-Phänomen“, sagte die Polizeipräsidentin weiter.

Interessant ist bei den genannten Zahlen, dass die Taten fast nie von den Schulen oder der Polizei der Öffentlichkeit und den Medien mitgeteilt werden. Meistens handelte es sich bei den Delikten um vorsätzliche einfache Körperverletzungen (2022: 1379). Dazu kamen jeweils dreistellige Zahlen von gefährlichen Körperverletzungen (370), bei denen eine Art von Waffe eingesetzt wird, sowie ähnlich viele Bedrohungen (361). Anzeigen wegen Raub (62) und Nötigungen (79) lagen im zweistelligen Bereich.

Auch ein Blick auf die Jahre vor der Corona-Pandemie bestätigt weitgehend den Eindruck. So sind für 2019 nur etwa halb so viele Fälle von Raub (30) und Bedrohung (198) an Berliner Schulen registriert, auch bei Körperverletzungen (1425) liegt die Zahl unter dem Wert von 2022 (insgesamt 1820 Fälle). Bei den Straftaten insgesamt ist im Vergleich zu 2019 (5137) ein Anstieg von 19 Prozent zu verzeichnen.

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Nur bei Nötigungen (88), Rauschgiftdelikten (81), Diebstahl (1543) und Hausfriedensbruch (214) lag die Zahl der Fälle 2019 etwas höher. 2022 hatte es im Vergleich 80 Nötigungen, 61 Rauschgiftdelikte, 1474 Diebstähle und 190 Fälle von Hausfriedensbruch an Berliner Schulen gegeben.

Auch Lehrer werden Opfer von Angriffen

Als Opfer von Gewaltdelikten zählte die Polizei 2021, als wegen der Corona-Pandemie viele Schultage ausfielen, 903 Schüler und Schülerinnen. Im Folgejahr waren es 2136 Schüler. Auch hier wird für 2023 eine weitere Erhöhung erwartet. Opfer von Angriffen oder Bedrohungen waren auch Lehrer und Lehrerinnen: 2021 lag die Zahl bei 123, 2022 dann schon bei 237 Lehrern. Die Polizei teilte mit: „Im Jahr 2023 ist auch hierbei eine Steigerung der erfassten geschädigten Lehrkräfte in Schulen zu verzeichnen.“

Alarm wurde an den Schulen im vergangenen Jahr 24 Mal ausgelöst. 2022 und 2021 waren es jeweils nur einzelne Fälle. Die Frage, wie oft der Alarm begründet oder unbegründet war, konnte die Polizei aus der Statistik nicht beantworten. Eine Gesamtzahl aller sichergestellten Waffen lag ebenfalls nicht vor. Allerdings wurden 2021 38 Fälle und 2022 54 Fälle im Bereich „Messerangriff“ registriert. Drohungen oder Schüsse mit Schusswaffen gab es dreimal (2021) beziehungsweise neunmal (2022).

Um noch mehr Gewalt zu verhindern, arbeitet die Polizei in der ganzen Stadt mit den Schulen zusammen. Dafür gibt es besonders ausgebildete Präventionsbeauftragte, die Veranstaltungen anbieten und auch Strafanzeigen aufnehmen und weiterleiten können.

Schulverwaltung: „Zuletzt deutlich in Prävention investiert“

Die Berliner Schulverwaltung teilte dem Tagesspiegel am Montag auf Anfrage mit: „Solche Gewaltvorfälle nehmen wir außerordentlich ernst und bieten Unterstützung und ganz konkrete Hilfe vor Ort an.“ Die Verwaltung habe zuletzt „deutlich in Prävention und Unterstützungsangebote investiert“.

Neben zahlreichen fortlaufenden Projekten zu Gewaltprävention gebe es an den Schulen mehr Schulpsycholog:innen und Sozialarbeiter:innen, sowie Notfallpläne und Krisenteams. Für Betroffene sowie Täter:innen gebe es durch Schulpsychologie sowie die Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) unterstützende Angebote. Zudem sei „Gewaltprävention eines von 13 fächerübergreifenden Themen des Berliner Rahmenlehrplans, eng verknüpft mit den Themen Demokratiebildung und Bildung zur Akzeptanz von Vielfalt“, teilte ein Sprecher mit.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, teilte mit: „Es kann keinen überraschen, dass die Straftaten an Berlins Schulen ansteigen, denn wir erleben in unserer gesamten Gesellschaft einen Verlust an Respekt und Kompromissbereitschaft sowie einen Anstieg des gewalttätigen Meinungsaustauschs.“ Das zeige sich auch beim Krieg Russlands und der Lage im Gaza-Streifen, die zu Konflikten in Berlin führten.

Diese Komplexe müssten im Unterricht mit Argumenten besprochen werden. „In diesem Zusammenhang müssen wir auch darüber reden, wie oft Unbefugte auf Schulgelände kommen und sich an Auseinandersetzungen beteiligen.“ Letztlich müssten demokratische Werte und gesellschaftliche Normen aber im Elternhaus vermittelt und vorgelebt werden. 

Berlins Schulleitungen schätzen die Lage vielfach sehr ähnlich ein. Sven Zimmerschied ist Vorstandsmitglied bei der Berliner Vereinigung der Sekundarschulleiter:innen und berichtete dem Tagesspiegel, gerade die Beteiligung von schulfremden Personen – etwa Nachbarn, Freund:innen oder Verwandte – an Gewaltvorfällen sei derzeit ein großes Thema. „Wir wünschen uns, dass die Schule gesamtgesellschaftlich als geschützter Raum anerkannt wird, in den man nicht einfach reinkommen kann, um jemandem Prügel anzudrohen – am besten noch jemandem, der zehn Jahre jünger ist.“

Zimmerschied betonte ebenfalls, die gestiegene Gewaltbereitschaft sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. So falle ihm auch im Umgang mit Eltern auf, dass die „Zündschnur“ seit der Pandemie „deutlich kürzer“ geworden sei. (mit dpa)

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