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Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers.

© Paul Zinken/dpa

Update

"Nationalsozialistische Offensive": Mutmaßlicher Drohmail-Verfasser offenbar kein Einzeltäter

In der Serie bundesweit verschickter Drohungen mit rechtem Inhalt gibt es weitere Schreiben. Betroffen ist auch Generalstaatsanwältin Margarete Koppers.

Nach der Verhaftung des Tatverdächtigen André M. im Fall der bundesweit verschickten Mails mit rechtsextremistischem Inhalt sind weitere Drohschreiben aufgetaucht – auch gegen Generalstaatsanwältin Margarete Koppers. Die Staatsanwaltschaft Berlin geht davon aus, dass der in der vergangene Woche in Schleswig-Holstein verhaftete 30-Jährige, der verdächtigt wird, seit April 2018 mehr als 200 Bombendrohungen per Mail an Behörden, Gerichte, Politiker und Anwälte verschickt zu haben, doch kein Einzeltäter ist.

Es gebe einen weiteren Verdächtigen, hieß es am Dienstag. Zuvor hatten RBB und „taz“ über die neuen Drohmails berichtet. Die dem Tagesspiegel vorliegenden E-Mails gingen auch an Organisationen wie „NSU Watch“ und die Amadeu Antonio Stiftung, die beide gegen Rechtsextremismus aktiv sind. Auch die Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke), die Jusos und Journalisten erhielten entsprechende Schreiben.

Ein Justizsprecher sagte: „Uns ist der Fall bekannt. Es wird ermittelt.“ Auch die Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft, Oberstaatsanwältin Claudia Vanoni, hat eine Mail erhalten, die am Sonntagabend verschickt wurde – nachdem M. am Samstag in Untersuchungshaft kam. Da hatte die Staatsanwaltschaft noch erklärt: „Nach dem bisherigen Stand hat er offenbar allein gehandelt“. Es gebe keine Anhaltspunkte für Komplizen.

Nun ist doch von mindestens einem weiteren Verdächtigen die Rede. Wie die "taz" berichtet, waren der neuen Droh-Mail auch andere, im März verfasste Drohschreiben von André M. beigefügt.

André M. ist mehrfach vorbestraft

In der vom RBB zitierten Mail an Koppers hieß es: „Sie möchten sicher nicht, dass eines Tages Frau Generalstaatsanwältin Margarete Koppers etwas zustößt, oder?“ Eine Gruppe „Staatsstreichorchester“ fordert darin 100 Millionen Euro in der Kryptowährung „Monero. Anderenfalls werde eine neue Terrorgruppe entstehen. „Wir werden alles daran setzen, dass es bald wieder Pogrome in diesem Land gibt und dass sich kein Jude, Moslem (.) oder auch linke Journalisten und Politiker sicher fühlen“, heißt es in dem Schreiben.

Zudem wird der 30-jährige André M. - mit Klarnamen - vom „Staatsstreichorchester“ als Mitarbeiter bezeichnet, in der Mail für ihn Immunität gefordert. Die Verfasser beglückwünschen in der Mail Generalsstaatsanwältin Koppers zum Ermittlungserfolg bei den Drohmails. Das sei aber kein Rückschlag, die Verfasser zeigen sich „in keiner Weise beeindruckt“.

Das selbsternannte "Staatsstreichorchester" ist den Ermittlern bereits aus anderen Mails bekannt. Derzeit werde geprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der Gruppe und dem seit Samstag in Untersuchungshaft sitzenden Mann gibt. M. steht unter dringendem Tatverdacht, seit April 2018 Drohmails verschickt zu haben, die mit "Nationalsozialistische Offensive" oder "Wehrmacht" unterschrieben waren.

Im Fall von M. ging es zunächst um rund 80 Mails, im gesamten Ermittlungskomplex um mehr als 200 Mails, ein Teil davon war auch mit „Staatsstreichorchester“ unterzeichnet. In den Mails sind laut Staatsanwaltschaft "offensichtlich aus rechtsextremistischer Motivation heraus Bombenanschläge" auf Gerichte und Einrichtungen angekündigt worden.

Berlins Antisemitismusbeauftragte, die Oberstaatsanwältin Claudia Vanoni.
Berlins Antisemitismusbeauftragte, die Oberstaatsanwältin Claudia Vanoni.

© John Macdougall/AFP

Der Kölner Rechtsanwalt Mustafa Kaplan, der dem RBB-Bericht zufolge ebenfalls in der Mail angesprochen wird, sagte dem Magazin „Kontraste“ dagegen, er gehe von einem Netzwerk hinter den mehr als 200 bekannten Drohmails aus.

In der seit Monaten anhaltenden Serie von Bombendrohbriefen gegen Gerichte und Behörden in Deutschland war in der vergangenen Woche ein Verdächtiger festgenommen worden. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen. Er soll seit April 2018 an Behörden, Gerichte und Anwälte Drohmails geschrieben haben, die etwa mit "Nationalsozialistische Offensive" unterzeichnet war.

Gedroht wurde mit Bomben, aber auch mit Exekutionen auf offener Straße. Mehrfach wurden Rathäuser, Hauptbahnhöfe, ein Finanzamt und auch ein Kindergarten evakuiert. Sprengkörper wurden aber nicht gefunden. Die Schreiben gingen bei Finanzämtern, Rathäusern, Anwaltskanzleien, Verlagen und einzelnen Politikern in ganz Deutschland ein. Gedroht wurde nicht nur mit Bomben, sondern – wie im Fall der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke) – auch damit, „Bürger auf offener Straße zu exekutieren“.

Sachbeschädigung, Brandstiftung, Psychiatrie

Die Ermittler der Landeskriminalämter Berlin und Schleswig-Holstein hatten die Wohnung des Mannes am Donnerstag durchsucht. Bei der Auswertung von Computer und Unterlagen seien Indizien gefunden worden, „dass der Mann sich möglicherweise kundig gemacht hat, wie man eine Bombe baut“, sagte die Sprecherin. Laut dem Haftbefehl bestehe der dringende Tatverdacht auf „Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“.

André M. ist polizeibekannt und war in der Vergangenheit mehrfach durch Straftaten wie Sachbeschädigung und Brandstiftung aufgefallen. M. musste bereits mehrere Haftstrafen absitzen, zeitweise war er auch in der Psychiatrie untergebracht - Diagnose: Persönlichkeitsstörung. Wie der NDR berichtet hat, stand M. auch Visier des Verfassungsschutzes.

M. war dem Bericht des NDR zufolge auch wegen angeblicher Pläne für einen Bombenanschlag auf ein Apfelfest im Landkreis Pinneberg in die Schlagzeilen geraten. Die Polizei hatte ihn deshalb 2007 festgenommen. Vor Gericht war M. dann vom Vorwurf der Verabredung zu einem Mord freigesprochen worden - das Gericht habe nicht feststellen könne, dass M. die Pläne ernst gemeint habe. (mit dpa)

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