zum Hauptinhalt
Nicolai Savaskan, Leiter des Gesundheitsamtes Neukölln, im Jahr 2021.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

„Konspirative Treffen“ und „Destruktion“: Stadträtin setzt Neuköllns Amtsarzt ab – der hatte sich heftig über die SPD-Frau beschwert

Nicolai Savaskan, Leiter des Gesundheitsamtes in Berlin-Neukölln, hat Hausverbot. Spitzt sich der Konflikt zwischen Amtsärzten und Politik zu?

In Neukölln hat sich der Streit zwischen der Gesundheitsstadträtin und ihrem Amtsarzt so zugespitzt, dass er demnächst vor Gericht fortgesetzt werden könnte, wie der Tagesspiegel erfuhr. Amtsarzt Nicolai Savaskan war am Freitag durch Gesundheitsstadträtin Mirjam Blumenthal (SPD) von seinen Aufgaben entbunden worden, das von ihm bislang geleitete Gesundheitsamt darf der Mediziner vorerst nicht betreten – ein zwischen Führungskräften ungewöhnlich heftiger Vorgang.

Die involvierten Betroffenen äußerten sich nicht zu der Situation. Auch der stellvertretende Bezirksbürgermeister Jochen Biedermann (Grüne) sagte auf Anfrage, man äußere sich nicht zu „Personaleinzelangelegenheiten“. Biedermann vertritt Bürgermeister Martin Hikel (SPD), der in Elternzeit geht.

Savaskan sieht sich mit einem Disziplinarverfahren konfrontiert. Unbestätigten Angaben zufolge soll er sich regelmäßig „im Ton vergriffen“ und Anweisungen der Hausspitze, also der Stadträtin, missachtet haben. Zudem soll der Arzt in einigen Finanzangelegenheiten nicht ausreichend „sorgfältig“ vorgegangen sein. Die Informationen sind kaum zu überprüfen, es gilt die Unschuldsvermutung.

Savaskan trat im Januar 2020 sein Amt an, Blumenthal wurde im November 2021 auf ihren Posten gewählt. Als Leiter des Gesundheitsamtes unterstanden dem Arzt circa 160 Beschäftigte, zuletzt hatte er Zusatzpersonal für den Neuköllner Pandemiestab gefordert und soll das aus Sicht der Hausleitung allenfalls mäßig gut begründet haben.

Savaskan sprach häufig mit diversen Medien, kritisierte dabei die Corona-Maßnahmen der Politik und trat auch noch öffentlich auf, als ihm das von der zuständigen Stadträtin untersagt worden sei. Blumenthal soll, so heißt es im Bezirk, schon vor einer Woche die zuständige Senatorin informiert haben: Demnach wusste Ulrike Gote (Grüne) von der Fehde zwischen Blumenthal und Savaskan.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Den Arzt von den Amtsgeschäften zu entbinden und ihm Hausverbot zu erteilen, sei von Juristen als zulässiges Vorgehen eingestuft worden – die Vorwürfe seien ausreichend „schwerwiegend“ gewesen, wie ein Kenner sagte. In einer internen E-Mail vom 29. Juli an die Beschäftigten des Gesundheitsamtes war der Schritt angekündigt worden.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Auch Savaskan hatte sein Unbehagen verschriftlicht. Am 25. Juli setze er eine „erweiterte Beschwerde“ gegen Blumenthal auf. Das Schreiben war an das Beschwerdemanagement des Bezirksamts adressierst. Darin, das erfuhr der Tagesspiegel aus Neukölln, schreibt Savaskan von einem riskanten „Ausmaß an Destruktion“, von „Mobbing“ durch die Stadträtin und davon, dass Blumenthal „konspirative Treffen mit Geheimhaltungsabsprachen“ organisiert habe. Eine „desolate Personalsituation“ mit Abgängen von Mitarbeitern sei Folge des „disziplinarisch-sanktionistischen Führungsstils“ der SPD-Frau, was in einem „beträchtlichen Maße den Dienstbetrieb stört“. Auch in diesem Fall gilt die Unschuldsvermutung.

Savaskan äußerte sich oft als Mitglied des Verbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Nicht nur der Neuköllner, auch andere Amtsärzte hatten in der Pandemie immer wieder Streit mit der Politik. Meist betraf die Kritik bestimmte Corona-Maßnahmen der Landes- und Bundesebene.

Vor einigen Tagen erfuhr der Tagesspiegel von einer Runde der Berliner Staatssekretäre zum Corona-Herbst 2022, in der es auch um die Rolle der Amtsärzte gegangen war. Der Bildungsstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) regte in der Runde mit Blick auf die zu erklärenden Schutzmaßnahmen an, auf „einheitliche Kommunikation der Behörden“ zu achten. In früheren Corona-Wellen sei die „eigenmächtige Kommunikation“ einzelner Amtsärzte „nicht hilfreich“ gewesen.

In Senatskreisen war dabei auch vom Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid die Rede, der die Schul- und Kitaschließungen in der Pandemie kritisiert hatte. Larscheid trat zu Jahresanfang mit dem Chef des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte aus dem Hygienebeirat der Bildungsverwaltung aus.

Jeder Berliner Bezirk hat einen Amtsarzt. Die Mediziner arbeiten fachlich unabhängig, unterliegen aber einer Oberaufsicht durch die politische Spitze der Verwaltung. Sollte Savaskan rechtlich gegen seine Absetzung vorgehen, wird ein Verwaltungsgericht entscheiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false