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Nach Lob für Israel-Hasserin: Nazi-Jäger beschwert sich über Berliner Richter
Thomas Walther vertrat Opfer und Überlebende in Prozessen gegen KZ-Wärter. Jetzt treibt ihn der Fall der Palästina-Aktivistin Yasemin Acar um – und deren Lob von ungewöhnlicher Seite.
Stand:
Er war Richter, Staatsanwalt, führender Ermittler zur Aufklärung von Nazi-Verbrechen, vertrat als Anwalt Opfer und Überlebende in Prozessen gegen KZ-Wärter. Doch nun treibt Thomas Walther ein Fall am Amtsgericht Tiergarten um.
Doch diesmal geht es nicht um Nazis, sondern um eine der bekanntesten und radikalsten Frauen der Palästina-Aktivisten-Szene Berlins: Yasemin Acar. Und um einen Richter, der warme Worte für die Aktivistin fand. Thomas Walther, 82 Jahre alt, hat deshalb eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Strafrichter eingereicht.
Die berufsethischen Grenzen überschritten.
der Jurist Thomas Walther über den Berliner Amtsrichter, der Palästina-Aktivistin Yasemin Acar lobte
Der Amtsrichter hatte die Frau Ende Juli für das mehrfache Verwenden der Parole „From the river to the sea, palestine will be free“ bei Instagram und bei Demonstrationen freigesprochen. Sie wurde aber wegen anderer Vorwürfe zu 1800 Euro Geldstrafe verurteilt – 120 Tagessätze zu je 15 Euro. Es ging um Widerstand sowie tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Verleumdung und versuchte Körperverletzung.
Richter sprach Palästina-Aktivistin Hochachtung aus
Vor allem aber hatte der Richter der 38-Jährigen seine Hochachtung dafür ausgesprochen, „wie Sie sich einsetzen“. Damit spreche sie wahrscheinlich einigen Leuten aus der Seele. Sie möge aber versuchen, künftig keine Angriffsfläche zu bieten. Später versuchte die Pressestelle des Gerichts die Sache einzufangen und erklärte, der Richter habe mit Hochachtung Acars Engagement für die Menschen in Gaza gemeint – mit ihren strafbaren Handlungen habe sie ihr Image beschädigt.
Thomas Walther, der einst bei der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen ermittelte, lässt das nicht gelten. Mit seiner Hochachtung habe der Richter „die berufsethischen Grenzen überschritten“, der Grundsatz von Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit „wird mit Füßen getreten“, sagte Walther dem Tagesspiegel. Die Berufsethik verlange vom Richter, „dass er weder seine persönlichen Wertungen, noch Sympathien und Antipathien noch aktuelle Meinungsströmungen der Öffentlichkeit in seinem gesamten richterlichen Auftreten vor Gericht zu Grunde legt“.

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Der Richter habe auch „gravierend gegen das ethische Prinzip der Unabhängigkeit des Richters verstoßen“. Er habe deutlich gemacht, eine Stimme des Israelhasses in Berlin „mit Wertschätzung, Würdigung, Anerkennung, Bewunderung und Respekt gedanklich zu unterstützen“.
Außerdem warnt Walther vor den Folgen für in Berlin lebende Juden. Die von dem Urteil „ausgehenden Veränderungen werden sich an dem vor uns liegenden zweiten Jahrestag des Hamas-Überfalls am 7. Oktober nachhaltig zeigen“. Das dürfte die „die Sorgen und Ängste der jüdischen Stadtgesellschaft multiplizieren“.
Das Amtsgericht bestätigte den Eingang der Beschwerde von Anfang August. Entschieden worden sei darüber aber noch nicht, sagte ein Sprecher. Auch das Urteil gegen Acar ist noch nicht rechtskräftig. Sie selbst, aber auch die Staatsanwaltschaft legten Rechtsmittel ein.
Es ging um die Parole „From the river to the sea“
Denn die Staatsanwaltschaft hält an der Strafbarkeit der Parole „From the river …“ fest. Aus Sicht der Behörde drückt die Parole den gewaltsamen Vernichtungswillen gegen den Staat Israel aus. Denn Palästina soll sich demnach vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer erstrecken – ohne Juden und ohne Israel. Das Bundesinnenministerium hatte die Parole beim Verbot der islamistischen Hamas in Deutschland im November 2023 als Kennzeichen der Terrororganisation eingeordnet.
Doch der Amtsrichter hatte im Fall Acar aus mehreren Gründen keine Strafbarkeit gesehen. Acar habe nicht die Hamas unterstützen wollen. Dabei bezog sich der Richter – sehr selektiv – auf einen Beschluss des Landgerichts.
Dort hatte die vierte Kammer im April entschieden, dass es in der Rechtsprechung umstritten sei, ob die Parole ein Kennzeichen der Hamas sei. Der Ausspruch werde „durchgehend und international von verschiedensten politischen Akteuren verwendet, um Kritik am israelischen Vorgehen in Gaza zu äußern“.
Allerdings war dies nur ein Beschluss. Und zwar zu einem Fall, in dem das Amtsgericht zu einer Anklage wegen der Parole kein Verfahren eröffnet hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte Beschwerde eingelegt, die vierte Kammer lehnte diese ab.
Häufig übersehen wird dabei aber, dass die für solche Fälle maßgebliche Staatsschutzkammer die Parole sehr wohl für strafbar hält – und das nicht nur per Beschluss, sondern per Urteil. Die Entscheidung vom November ist rechtskräftig, die Angeklagte hat ihre Revision zurückgenommen.
Eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist damit nicht absehbar. In Berlin wie auch bundesweit gibt es keine einheitliche Rechtsprechung, ob das Rufen der Parole als Verwenden von Kennzeichen terroristischer Organisationen strafbar ist.
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