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Der Autozulieferer Edag aus Wiesbaden zeigt seine autonomen Prototypen.

© Thomas Loy

Nachhaltiges Rasieren und autonomes Müllsammeln: Greentech-Festival auf dem Berliner Flughafen Tegel

200 Aussteller präsentieren beim Greentech-Festival in Berlin-Tegel Lösungen für eine klimaneutrale Wirtschaft. Auch Billie Eilish und Nico Rosbach sind dabei.

13 winzige Freiheitsstatuen hat Armin Lutz Seidel aus München auf seinem Präsentiertisch versammelt. Sie stehen für den Müll, den Millionen von Menschen in Deutschland beim Rasieren produzieren.

Das 13-fache Gewicht der US-Freiheitsstatue komme jedes Jahr durch das Entsorgen von Einweg-Rasierköpfen aus Plastik zusammen, hat Seidel ausgerechnet.

Der gelernte Maschinenbauer machte sich an die Arbeit und tüftelte an einem Rasierer aus Metall, bei dem nur noch die Klingen gewechselt werden müssen.

Das Ergebnis heißt Shavent, ist genderneutral, spülmaschinenfest und vor allem langlebig. Eigentlich ein Produkt, wie es vor der industriellen Massenproduktion hergestellt wurde, "wir drehen das zurück, das ist der Plan", sagt Seidels Tochter Romy Lindenberg, Co-Chefin und zuständig fürs Marketing im Familien-Start-up.

Das hat auch Ex-Rennfahrer Nico Rosberg überzeugt, der in das Unternehmen investiert hat. Rosberg ist Mitinhaber des Greentech-Festivals auf dem Flughafen Tegel, das noch bis Freitag rund 200 Aussteller zu den Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität versammelt. Er hat Seidel auf die Event-Messe eingeladen.

Armin Lutz Seidel und seine Tochter Romy Lindenberg zeigen ihren Rasierer Shavent.
Armin Lutz Seidel und seine Tochter Romy Lindenberg zeigen ihren Rasierer Shavent.

© Thomas Loy

Es ist heiß auf dem Vorplatz des Flughafens, die Sonne scheint aus einem wolkenlosen Himmel. Das richtige Wetter zur Einstimmung auf die Themen, die das Festival beschäftigt.

2019 in Berlin gegründet, hat die Greentech inzwischen Ableger in New York, London und Singapur. Die Berliner Greentech 2022 ist deutlich größer als in den vergangenen Jahren. Rosberg und sein Partner Marco Voigt bewerben es als das größte europäische Festival seiner Art.

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Die Aussteller kommen aus 20 verschiedenen Ländern, Partnerland ist diesmal Italien. Neben ihren Produkten und Lösungen, die im ehemaligen Lufthansa-Hangar und auf dem Platz davor zu sehen sind, können sich die Besucher auf Podiumsdiskussionen mit Firmenchefs, Umweltaktivisten und Politikern austauschen. Es werden Preise verliehen für innovative technische Lösungen und die vielversprechendsten Firmengründungen.

Billie Eilish soll ein Grußwort halten - per Video

Ausgedacht hat sich das Festival vor allem der Berliner Marco Voigt, studierter Ingenieur für Fahrzeugtechnik. Er hat bei Porsche gearbeitet und Ende der 1990er Jahre den Postdienstleister Pin AG gegründet, danach beriet er die Bundesregierung in Sachen E-Mobilität.

Voigt holt sich gerne Promis wie Sängerin Nena oder eben Rosberg an Bord, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Auf dem Festival soll Superstar Billie Eilish ein Grußwort halten, allerdings nur digital.

Ein anderer Promi-Gast wird live zu erleben sein: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er wird am Donnerstag um 13.30 Uhr erwartet, zusammen mit der Vize-Bürgermeisterin von Amsterdam, Marieke von Doorninck, die sich in der Stadt um das Thema Nachhaltigkeit kümmert.

Nico Rosberg (l.) und Marco Voigt im Zukunftsauto der BMW-Marke Mini.
Nico Rosberg (l.) und Marco Voigt im Zukunftsauto der BMW-Marke Mini.

© Thomas Loy

Unter den Ausstellern sind auch große Marken wie die Deutsche Bahn, Google, Lufthansa, L’Oreal, Telekom, E.On und Huawei. Die Immobilienberatung Drees & Sommer stellt das „Haus der Zukunft“ vor, natürlich mit vielen Smart-Home-Lösungen zum Sparen von Fläche und Energie.

Das Berliner Start-up NexAero präsentiert sein erstes wasserstoffgetriebenes Flugtaxi. Große Autohersteller wie Audi oder Hyundai zeigen ihre neuesten Elektrofahrzeuge, der Hersteller Mini einen fahrbaren Untersatz, der eher wie eine Lounge anmutet.

Das ist noch Spielerei der Entwickler, dennoch nehmen Rosberg und Voigt bei ihrem Presserundgang gerne mal Platz.

Ein elektrisch betriebener "City-Bot" für viele Aufgaben

Der große Automobilzulieferer Edag aus Wiesbaden stellt im Hangar ein Fahrzeug aus, das auch gut in einen Science-Fiction-Film passen würde. Marketing-Experte Johannes Imhof bezeichnet das stromlinienförmige Automobil als „City-Bot“, ein autonom agierendes Multifunktionsaggregat auf Rädern. #

Geeignet zum Transport von Menschen, aber auch zum Wegräumen von Müll oder dem Gießen von Straßenbäumen. Einziger Nachteil: Das Fahrzeug braucht einen abgesperrten Bereich ohne störenden Individualverkehr.

Auf dem Stadiongelände von Eintracht Frankfurt sei demnächst ein Pilotversuch geplant. Ob die Edag diese Prototypen später zusammen mit einem Partner baut, also einem großen Automobilhersteller, oder komplett eigenständig, sei noch nicht entschieden.

Der Roboter-Hund von Hyundai und seine Fans.
Der Roboter-Hund von Hyundai und seine Fans.

© Thomas Loy

Ein weiteres Schwerpunktthema des Festivals ist Wasser, vor allem die Wasseraufbereitung und Wassergewinnung in trockenen Gegenden der Erde. Und das Thema Beton, der wegen der energiefressenden Zementherstellung in den Fokus der grünen Technologie geraten ist.

Als Teil des Greentech-Festivals findet ab Donnerstag die BIGG-Konferenz statt, das steht für „Building Industry goes green“, dabei geht es vor allem darum, wie der hohe CO2-Ausstoß der Bauindustrie gesenkt werden kann.

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Zum Festival gehören auch die Greentech-Awards, die auf einer Gala verliehen werden. Im Bereich Innovation wurden drei Firmen nominiert, die große Umweltprobleme lösen wollen: Die österreichische Firma Phantor entwickelt „Wasser-Generatoren“, die per Kondensation Trinkwasser aus der Luft gewinnen.

Das israelische Unternehmen UBQ verspricht, unsortierten Hausmüll in einen Ersatzstoff für Plastik zu verwandeln. Die deutsche Firma Wastx Plastic macht aus nicht recyclefähigen Plastikabfällen einen flexibel einsetzbaren Brennstoff.

Wassergewinnung aus der Luft - mit Solarstrom

Die Wassergewinnung aus der Luft ist technisch relativ einfach, inzwischen geht es eher darum, den Energieaufwand zu reduzieren und die Geräte für den Alltagsgebrauch zu vereinfachen. Es gibt auch Rucksack-Lösungen, erzählt Christian Winzenried von der Züricher Firma Janus Management, die als Start-up-Inkubator das Unternehmen HuProTech unterstützt.

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Die Energie zur Wassergewinnung kommt von Solarpaneelen auf dem Rucksack – oder im größeren Maßstab auf einem Container, der dann autark bis zu 2000 Liter Trinkwasser aus der Luft gewinnen könne. Man sei mit einer UN-Organisation im Gespräch, die im Bereich Entwicklungshilfe aktiv ist.

Nachhaltigkeit ist in allen Bereichen inzwischen das Kernthema. Aki Tuncer vom dänischen Modelabel Knowledge Cotton war Umweltschutz schon immer sehr wichtig. Inzwischen werde er auf Modemessen geradezu hofiert, erzählt er, früher sei er in der hintersten Ecke platziert worden.

Beim Greentech kann er seine recycelten Jeans, Taschen aus ehemaligen Plastikflachen und T-Shirts aus Biobaumwolle im Zelt auf dem Außengelände zeigen. Für jedes verkaufte T-Shirt spendet das Unternehmen zehn Euro an das Hilfsprojekt Water-Aid.

Leider würden die großen Marken nur zögerlich oder gar nicht in nachhaltige Mode investieren, klagt Tuncer. Der Grund ist der Preis. Eine recycelte Jeans koste zehn bis 20 Euro mehr als eine normale.

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