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Die zwei Bus-Prototypen Alexandra und Dennis in einer Halle der BVG.

© Andreas Süß/BVG/dpa

Nachschub in Sicht: In Berlin mangelt es an Doppeldecker-Bussen

Nur noch 104 Doppeldecker sind in Berlin unterwegs. Einer wurde jüngst bei einem Unfall zerstört – der Fahrer hatte sich verfahren.

Stand:

So wenig Doppeldecker-Busse gab es noch nie in Berlin. Von einst 400 der stadtbildprägenden Fahrzeuge alten Typs sind nur noch 54 übrig. Nummer 55 wurde in der vergangenen Woche bei einem Unfall weitgehend zerstört. Der Fahrer des 282ers war von der vorgeschriebenen Wegstrecke abgekommen und blieb dann unter der viel zu niedrigen S-Bahn-Brücke an der Bergstraße in Steglitz stecken. Zwei Fahrgäste wurden schwer verletzt.

Es war der erste derartige Crash seit dem Jahr 2017. In den 90er und Nuller Jahren hatte es im Schnitt einen solchen Unfall pro Jahr gegeben. „Kein Wunder“, sagte ein Busfahrer, „es gibt ja kaum noch Doppeldecker“. Die Pressestelle bestätigte dies auf Nachfrage. Demnach gibt es derzeit 104 Doppeldecker, 54 alte und 50 neue des britischen Herstellers Alexander Dennis (ADL). Von denen sind allerdings erst 29 im Fahrgasteinsatz, die anderen 21 werden noch ausgerüstet.

Jahrzehntelang war Berlin wie London eine Stadt der Doppeldecker. In den Jahren 2020 und 2021 wurden jeweils etwa 100 Wagen verschrottet oder verkauft. Das Tempo hat sich zuletzt beschleunigt, in den ersten neun Monaten wurden 100 alte Fahrzeuge der Firma MAN ausgemustert. Doch nun kommen parallel erstmals seit vielen Jahren in nennenswertem Umfang neue Wagen dazu.

Der große Gelbe gehört zu Berlin wie der Fernsehturm.

 BVG-Chefin Eva Kreienkamp

Viele Jahre waren keine neuen Doppeldecker mehr bestellt worden. Die letzte Serie von 416 Stück stammt aus den Jahren 2005 bis 2010. Vor etwa zwei Jahren hatten Fahrgäste den Mangel zu spüren bekommen, als auf klassischen Doppeldeckerlinien wie dem M19 oder dem M29 wegen Wagenmangels nur noch Eindecker eingesetzt werden konnten. Diese bieten viel weniger Platz.

Bei der Vorstellung der ersten beiden englischen ADL-Busse hatte BVG-Chefin Eva Kreienkamp herzliche Worte gefunden: „Der große Gelbe gehört zu Berlin wie der Fernsehturm und das Brandenburger Tor. Ich freue mich, dass wir diese Tradition nun fortführen.“

Dass es kaum noch Doppeldecker gibt, liegt an jahrelangen Diskussionen und Verzögerungen vor Kreienkamps Start. Noch im Jahr 2018 hatte ihre Vorgängerin Sigrid Nikutta in einem Vortrag verkündet, dass die Zahl der Doppeldecker bis 2023 stabil bei 400 liegen werde. Doch dazu hätte man neue Fahrzeuge ausschreiben und bestellen müssen. Nach Angaben der BVG wird bei Doppeldeckern eine Lebensdauer von zwölf Jahren auf dem Papier angesetzt, danach werden Unterhalt und Reparaturen unwirtschaftlich teuer. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, wann die letzten alten Busse vom Typ MAN verschrottet werden.

Diese Fahrt endet hier. Der Doppeldecker hätte nicht durch die Bergstraße fahren dürfen.

© dpa / Paul Zinken

Immer wieder waren die Kosten der Doppeldecker kritisiert worden, verbunden mit der Forderung, doch am besten ganz auf diesen Typ zu verzichten. Denn die zweistöckigen Fahrzeuge sind deutlich teurer in der Beschaffung – weil es quasi Sonderanfertigungen für Berlin sind, die einzige deutsche Stadt mit Doppeldeckern. Letztlich setzten sich die Traditionalisten gegen die Manager mit dem Taschenrechner durch. Dann kam die Diskussion um die Elektromobilität, auch dies verzögerte die Ausschreibung neuer Wagen. Denn für Doppeldecker gab es bislang keine tauglichen Batterien, deshalb sind die englischen Busse von ADL wie früher Dieselwagen.

Zwei Prototypen waren getestet worden, erst im Oktober 2018 hatte die BVG der Abnahme von 198 weiteren Fahrzeugen zugestimmt. Doch die Auslieferung verzögert sich, auch wegen coronabedingter Lieferengpässe, sagte ein Sprecher. Bis Ende 2022 sollen 120 ADL-Doppeldecker im Linieneinsatz sein, der Rest folge dann kontinuierlich im Jahr 2023.

Wenn alles gut läuft, werden Ende 2023 also 200 von 1600 Bussen wieder Doppeldecker sein. Früher waren es viele Jahre 25 Prozent. Nach offiziellen Angaben gab es zu Jahresbeginn zudem 336 Eindecker und 922 Gelenkbusse – Berlin ist also die Stadt der „Schlenkis“ und nicht der Doppeldecker. Eine feste Planung für die Zukunft gibt es nicht, man beobachte die Entwicklung elektrischer Doppeldecker, hieß es – in London fahren sie bereits.

Und wieso ist nun vergangene Woche der Doppeldecker so dramatisch verunglückt? Der Busfahrer hat sich schlicht verfahren, schon Minuten vor dem Unfall. Wegen Bauarbeiten wird der Verkehr in Richtung Rathaus Steglitz in der Albrechtstraße auf die Gegenfahrbahn geleitet. Der Fahrer vergaß dies und wurde an der nächsten Ecke automatisch nach rechts in die Neue Filandastraße geleitet. Statt in der Leitstelle nachzufragen, bog er dann auf dem Weg der Linie 170 in die Bergstraße ein. Doch dort fahren nur Eindecker: Die Brücke ist nur 3,5 Meter hoch. Zwei Verkehrszeichen mit dieser Höhenbegrenzung übersah der Fahrer.

An dieser Brücke ereigneten sich auch die letzten beiden Unfälle, die 2016 und 2017 geschahen. Auch an der Klemkestraße in Reinickendorf haben sich schon öfters Lastwagen und Busse festgefahren. Einige Brücken wurden in den vergangenen Jahrzehnten umgebaut und erhöht, zum Beispiel an der Albrechtstraße in Steglitz. Zuletzt war die Niemetzstraße in Neukölln umgebaut worden.

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