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Das Kino Colosseum im Prenzlauer Berg

© imago/Sabine Gudath/imago/Sabine Gudath

Erinnerungen an Berliner Traditionskino: „Im Colosseum begann mein ‚Titanic‘-Trauma“

Das Colosseum in Prenzlauer Berg wird 100 Jahre alt. Tagesspiegel-Redakteure teilen ihre Erinnerungen an das Kino – und die Aufzeichnungen eines besorgten Teenager-Vaters.

Von Tagesspiegel- Autor:innen

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Das „Colosseum“ hatte vor seinem Leben als Kino schon so einige Funktionen: Es beherbergte Pferde und Busse, war Theater und nach dem Zweiten Weltkrieg kurzzeitig Lazarett, später Spielstätte des Metropol-Theaters. An diesem Sonnabend feiert das Filmtheater an der Schönhauser Allee seinen 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass blicken wir zurück auf die Geschichte des Hauses – und haben Erinnerungen an das Traditionskino gesammelt.

1957 wurde das Colosseum als erstes Totalvisionskino der DDR wiedereröffnet. Nach der Wende erwarb Filmproduzent Artur Brauner gemeinsam mit der Sputnik-Gruppe das Gebäude in Prenzlauer Berg. Bei einer Sanierung in den Jahren 1996/97 wurde das Kino auf 2800 Plätze in zehn Sälen erweitert.

Die letzte große Zäsur erlebte das Colosseum im März 2020, als es pandemiebedingt schließen musste. Im Mai 2020 folgte die Insolvenz. Ein Projektentwickler übernahm schließlich das Gebäude, im September 2023 öffnete es wieder.

Dieses Bild entstand wohl kurz vor der Wiedereröffnung 1957.

© picture-alliance / dpa/zb/Karlheinz_Schindler

Gegen die Schließung des Kinos nach der Insolvenz 2020 demonstrierten Mitarbeiter.

© picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Der denkmalgeschützte Kinosaal 1 sowie zwei weitere Säle werden nun für Filmvorführungen genutzt. Die übrigen Räumlichkeiten übernimmt die Colosseum Event Berlin GmbH für kulturelle Veranstaltungen. Im Kinoprogramm läuft eine Mischung aus gehobenem Mainstream, Special Interest und Sondervorführungen wie Anime, Musikfilmen und Independent-Produktionen.

Die unsichere Zukunft des Kinos bewegte damals den ganzen Kiez.

© imago images/Seeliger/snapshot-photography/ T.Seeliger via www.imago-images.de

Die kulturelle Nutzung ist zunächst als Pop-up-Betrieb für zwei Jahre bis Ende 2025 angelegt. Der neue Eigentümer Values Real Estate plant nach dieser Zwischennutzung einen Umbau zu einem Veranstaltungs- und Bürokomplex.

Tagesspiegel-Redakteur:innen erinnern sich an ihre Colosseum-Besuche:


Zitternd im Saal

Vor einigen Jahren saß ich fröstelnd im eiskalt runtergekühlten Kino Colosseum und müsste plötzlich an die Zeit zurückdenken, als es hier noch keine Klimaanlage gab und keine zwölf Säle.

Als ich klein war, sind meine Freunde und ich immer aus Pankow mit der „49“ angefahren gekommen, um im Colosseum, das damals nur einen großen Saal hatte, „Plattfuß am Nil“ mit Bud Spencer oder irgendeinen Louis-de-Funès-Film zu gucken. Auch im Hochsommer kamen wir dabei nicht ins Schwitzen. Björn Seeling

Das Colosseum um 1990.

© IMAGO/Rolf Zöllner/IMAGO/Rolf Zöllner

Am Foyer...

© IMAGO/Rolf Zöllner/IMAGO/Rolf Zöllner

... und am Kassenhäuschen vom „Colosseum“ mussten alle vorbei.

© IMAGO/Rolf Zöllner

Das „Colosseum-Filmtheater“ war bei seiner Eröffnung im Mai 1957 für die Vorführungen von Filmen in Totalvision (Cinemascoope) eingerichtet. 819 Zuschauer konnten auf Schaumgummi-Sesseln Platz nehmen.

© Bundesarchiv/Rudolf Hesse


Im Kino gewesen, dann Albträume

Mit zarten elf Jahren habe ich im großen Kinosaal 1 des Colosseum „Titanic“ gesehen. Keine gute Idee. Das Filmepos, im Januar 1998 kam es in die deutschen Kinos, raubte mir wochenlang den Schlaf. Nicht nur, weil ich mich unsterblich in Leo DiCaprio verliebt hatte. Auch die schönsten Bravo-Poster hielten die Albträume nicht fern. Ich erlitt ein ‚Titanic‘-Trauma.

Immer schon auf Augenhöhe mit der U2.

© imago images/Steinach/via www.imago-images.de

Mein Vater notierte sich damals: „9.2.: Cz. ist krank. Ihr gehen die Bilder aus ,Titanic‘ v.a. die Wasserleichen, nicht aus dem Kopf, sie hat Fieber und Magengeschichten. Ihr Fazit: ,Ich gucke nur noch ‚Benjamin Blümchen‘ und ‚Die kleine Meerjungfrau‘!‘ Einen Monat später schrieb er: „Cz. wieder unwohl, fiebrig, magengestört. Immer noch Titanic?“

Ende März begann ich wohl mit einer Selbsttherapie: „Cz. ist am Bewältigen ihres ,Titanic‘-Traumas: Sie hat die Szene, da Kate Winslet und Leonardo DiCaprio mit ausgebreiteten Armen, er sie von hinten umfassend, vom Bug aufs Meer sehen, mit Stofftieren nachgestellt, was irrsinnig komisch aussieht.“ Constanze Nauhaus


Mittelerde in Pankow

Winter 2003, der letzte Teil der „Herr der Ringe“-Trilogie kam in die Kinos – und mit ihm eine besondere Aktion im Colosseum: Alle drei Teile des Filmepos konnten hintereinanderweg in einer Kinonacht angeschaut werden. Ein unvergesslicher, über neun Stunden andauernder Filmmarathon mit Frodo und Gollum in Mittelerde – mitten in Pankow. Lydia Hesse


Von einem Film zum nächsten geschlichen

Auch eine Leserin erinnert sich an ihre Kindheit im Colosseum: „Weil die Kinos fast alle im zweiten Stock waren, haben wir uns oft nach einem Film direkt in den nächsten geschlichen. Das war immer eine Überraschungstüte: Mal Kinderfilm, mal Horror. Das waren die besten Nachmittage!“ Laura W.

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