
© dpa/Sebastian Gollnow
Affäre um Fördermittel in Berlin: Wohin leiteten CDU-Politiker die Millionen zur Antisemitismusprävention?
Phantomprojekte, eine Immobilienfirma und Marlene Dietrich – die Hauptstadt-CDU steht wegen mutmaßlich illegal verteilter Fördermittel in der Kritik. Die bezuschussten Projekte werfen Fragen auf.
Stand:
Der Vorwurf mutmaßlich illegal vergebener Fördermittel durch Ex-Kultursenator Joe Chialo (CDU) belastet die Berliner CDU weiter. Am Donnerstag musste seine Nachfolgerin, Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson (parteilos, für CDU), einräumen, dass es bei der Vergabe der Mittel für Projekte zur Antisemitismusprävention „offensichtlich an klaren Förderrichtlinien gefehlt hat“.
Allerdings bestehen nicht nur Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Mittelverteilung. Auch mehrere der geförderten Projekte selbst werfen Fragen auf.
Was wollten die Empfänger mit den teils sechsstelligen Summen überhaupt konkret machen? Mehrere können dazu auch auf Nachfrage keine konkreten Angaben machen. Zugleich zeigen Tagesspiegel-Recherchen ein überraschendes Netzwerk hinter mehreren Projekten.
39.000 Euro Fördermittel wurden etwa der Fablhaft GmbH & Co. KG für das Projekt „Future Narrative Fund – Fund for German-Israeli Co-Productions” von der Kulturverwaltung zugewiesen. Doch auf der Internetseite der Firma ist davon nichts zu sehen.
Dort stellt sich das Unternehmen nur als „Ihr zuverlässiger Partner für Immobilienverwaltung und Neubautenentwicklung“ dar. Inwiefern hier Kompetenzen zur Bekämpfung von Antisemitismus vorliegen, erschließt sich nicht.
Fährt man zu der im Impressum angegeben Adresse der Gesellschaft, landet man bei einem Wohnhaus in Weißensee. Am Klingelschild ist die Firma nicht zu finden, dafür der Name des Geschäftsführers, auf dessen Briefkasten auch ein Schild der Fablhaft GmbH klebt. Jedoch öffnet niemand die Tür, als geklingelt wird.
Projekte tauchen auf Websites nicht auf
Sucht man weiter nach dem „Future Narrative Fund“, landet man auf einer Website eines gleichnamigen Vereins. Er unterstütze Kreative aus Deutschland und Israel dabei, „Film-, Fernseh- und Theaterprojekte zu entwickeln, die Empathie fördern, Vorurteile hinterfragen und die kulturelle Brücke zwischen unseren Gesellschaften stärken“, heißt es dort. Um welche Projekte es geht, wird nicht klar. Außer der Ankündigung findet sich auf der Internetseite nichts.
Vergangene Projekte oder laufende Projekte dürfte der Verein aber auch nur schwerlich vorweisen können. Eine Abfrage ergibt, dass der Verein erst in der vergangenen Woche am 28. Oktober 2025 ins Vereinsregister eingetragen wurde. Die Satzung stammt vom 3. September 2025.
Unter der auf der Internetseite aufgeführten Telefonnummer meldet sich eine Frau, die aber weder ihren Namen noch genauere Details zum Projekt nennen will.
Fragen bleiben unbeantwortet
Der Geschäftsführer der Fablhaft GmbH verweist auf schriftliche Anfrage auf die Presse-Verantwortliche des Vereins und möchte ebenfalls keine Fragen beantworten. Ebenso die Presse-Verantwortliche, die auf Fragen zum erhaltenen Geld und den geplanten Maßnahmen ihres Vereins nicht eingeht.
Sie verweist am Donnerstag stattdessen schriftlich auf eine „offizielle Pressekonferenz vom Senat“, die am Donnerstagmorgen stattgefunden habe. „Bitte erkundigen Sie sich diesbezüglich direkt beim Senat“, schreibt sie. Allerdings: Der Senat war Donnerstagvormittag bei der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus anwesend, eine Pressekonferenz zu den geförderten Projekten gab es nicht.
Eine Person taucht mehrfach auf
Seit Donnerstag – und damit nach den ersten Tagesspiegel-Berichten über die Einflussnahme bei der Fördermittelvergabe – gibt es ein Impressum auf der Homepage des „Future Narrative Fund“ mit einer Vereinsadresse und drei Vorstandsnamen. Darunter einer, der auffällt: Mark Pinhasov.
Denn der „Future Narrative Fund“ ist nicht das einzige frisch von der Kulturverwaltung geförderte Projekt, an dem Pinhasov beteiligt ist. Er ist auch Geschäftsführer der Mosaik G.C.B. gUG. Sie hat 89.000 Euro Fördermittel bewilligt bekommen. Zunächst war der Antrag der Mosaik G.C.B. bei einem Verfahren der Kulturverwaltung mit Jury-Auswahl abgelehnt worden.
Laut Zuwendungszweck der Kulturverwaltung soll das Unternehmen ein Filmformat namens „Jojo and Simha: Exploring Berlin“ entwickeln. Auf der Internetseite taucht das Vorhaben lediglich als eines mehrerer Filmplakate auf einem offenbar mit künstlicher Intelligenz generierten Bild auf. Sonst findet sich zu diesem oder anderen Projekten der Firma nichts.
Dafür ist auf dem Bild auch ein Plakat für einen Film namens „Fakeland“ zu sehen. Für diesen Dokumentarfilm wiederum hat die Traumfabrik Babelsberg 30.000 Euro vom Senat erhalten. Wie man die Mittel verwenden will und worum es bei dem Film gehen soll, bleibt unklar. Auf der Internetseite der Traumfabrik Babelsberg findet sich zu dem Projekt nichts. Eine Anfrage ließ das Unternehmen unbeantwortet.
Pinhasov wird zudem auf der entsprechenden Homepage auch als Verantwortlicher für das Zera Institute genannt, das von der Kulturverwaltung 390.000 Euro an öffentlichen Geldern erhielt. Bei dem Verein ist Pinhasov laut Homepage gemeinsam mit Maral Salmassi verantwortlich. Die wiederum sitzt mit dem CDU-Abgeordneter Christian Goiny im Vorstand des CDU-Ortsvereins Lichterfelde. Goiny steht im Zentrum der Vorwürfe, er soll ihm vertraute Projekte gezielt mit Mitteln aus dem Fördertopf versorgt haben.
Die Mosaik gUg und Pinhasov antworteten auf eine Anfrage zu den bewilligten Mitteln und den damit verfolgten Maßnahmen zur Antisemitismusbekämpfung zunächst nicht.
Verein erklärt sich
Das Zera Institut erklärte in einer Mitteilung am Donnerstag, der Verein habe Ende März den Antrag auf Förderung eingereicht. Anfang Juni habe es eine Eingangsbestätigung gegeben, am 27. Juli sei die Bewilligung ausgestellt worden.
Die Zusammenarbeit einzelner Personen über verschiedene Träger hinweg ist kein Ausdruck von ‚Klüngel‘, sondern Ausdruck interdisziplinärer Praxis.
Pressemitteilung des Zera Institute e.V.
Laut Homepage hat der Verein am 4. November eine erste Abendveranstaltung organisiert, ein zweiter Workshop ist für Mitte November angekündigt. Der Verein schreibt, man verwende die Mittel zur „Entwicklung und Durchführung interdisziplinärer Forschungs- und Kulturprojekte im Themenfeld Antisemitismus und demokratische Kultur“, zum „Aufbau eines digitalen Wissensarchivs und interaktiver Bildungsformate“ sowie „öffentlich zugängliche Veranstaltungen, Publikationen und Diskussionsreihen“.
Auch zur Verbindung von Personen zu mehreren Projekten erklärt sich das Zera Institut: „Die Zusammenarbeit einzelner Personen über verschiedene Träger hinweg ist kein Ausdruck von ‚Klüngel‘, sondern Ausdruck interdisziplinärer Praxis – ein Standard im Kultursektor, der von Bund und Ländern ausdrücklich gefördert wird.“
Nicht alle Projekte gelten als umstritten
Dass einzelne Mitglieder – darunter auch die Vorsitzende Maral Salmassi – „verschiedene Akteure innerhalb dieses kreativen und vielfach jüdischen Netzwerks“ kennen, sei im Sinne der Vernetzungsarbeit „ausdrücklich erwünscht und notwendig“. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund parteipolitischer Zugehörigkeit habe „zu keiner Zeit stattgefunden“, heißt es.
„Die in der Berichterstattung konstruierten Zusammenhänge zwischen Förderentscheidungen, persönlichen Bekanntschaften und parteipolitischen Strukturen entbehren jeder Grundlage“, schreibt der Verein. Zu Verbindungen mit anderen Projekten heißt es: „Kooperationen mit anderen Akteuren, wie etwa der Mosaic G.C.B. gUG, bestehen projektbezogen in Form von inhaltlichem Austausch, Veranstaltungen und thematischen Schnittstellen – nicht in finanzieller Abhängigkeit oder Trägerschaft.“
Bei weiteren Projekten ist zumindest nicht eindeutig ersichtlich, inwiefern sie zur Sensibilisierung oder Bekämpfung von Antisemitismus beitragen. So erhielt das Unternehmen „The Good Media Network“, das unter anderem Filmfestivals ausrichtet, 60.000 Euro für das Projekt „Marlene D.“.
Co-Gründerin Vivian Schröder sagte dem Tagesspiegel am Donnerstag, dass mit dem Geld eine Social-Media-Kampagne namens „Glanz und Widerstand“ über Marlene Dietrich erarbeitet werden soll. Die Schauspielerin war bekennende Antifaschistin, sie legte 1939 die deutsche Staatsbürgerschaft ab und nahm die US-amerikanische an.
Insgesamt haben 14 Projekte Fördermittel von der Kulturverwaltung für „Projekte von besonderer politischer Bedeutung“ zur Antisemitismusbekämpfung bekommen. Darunter sind auch zahlreiche Träger, die seit Jahren in dem Bereich Antisemitismusprävention tätig sind und auf Anfrage schlüssig Projekte zur Bekämpfung von Antisemitismus nennen konnten, die sie mit den erhaltenen Mitteln finanzieren.
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