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Leif Ludwig

© BIH/Thomas Rafalzyk

Preis für Berliner Arzt: Dank seiner Forschung werden Blutanalysen deutlich günstiger

Der Berliner Arzt Leif S. Ludwig hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Stammzellen besser analysiert werden können. Jetzt wird er dafür ausgezeichnet.

Woher kommen all die Blutzellen, die aus dem Finger tropfen, in den das Messer beim Zwiebelschneiden gerade schnitt? Diese Frage stellt sich im Augenblick des Schmerzes wohl niemand.

Aber eine genaue, auch therapeutisch wirksame Antwort darauf zu haben, kann für Menschen, denen Blutplättchen zum Wundverschluss oder bestimmte weiße Blutkörperchen zur Abwehr von Viren und Bakterien fehlen, überlebenswichtig sein.

Wie aus den blutbildenden Stammzellen im Knochenmark all die Dutzenden von unterschiedlichen Zelltypen mit verschiedenen Eigenschaften und Funktionen entstehen, lässt sich jetzt mit einer neuen Technik besser und kostengünstiger untersuchen, die der Biochemiker und Arzt Leif Ludwig entwickelt hat.

Dafür ist dem Forscher des Berlin Institute of Health (BIH) am Dienstag der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2023 verliehen worden, wie der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung bekanntgab.

Jeden Tag bildet der Körper Milliarden von Blutzellen, Millionen pro Sekunde – etwa rote Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren, Thrombozyten, die Blutungen stoppen und Wunden verschließen, Immunzellen wie die Granulozyten für die erste, angeborene Abwehrreaktion von Mikroben und die T- und B-Zellen des gedächtnisbildendes Immunsystems. Alle gehen zurück auf blutbildende Stammzellen, die im Knochenmark sitzen.

Aber die vielen Zwischenschritte auf dem Weg bis zur reifen, voll funktionstüchtigen Zelle waren bisher schwer und nur mit teuren Methoden möglich. Und oftmals ließ sich die Entwicklung der Zellen auch nur im Labor nachahmen, nicht aber in der natürlichen Umgebung im Körper – mit teils falschen Rückschlüssen.

Mutierte Zellen tragen „Brotkrumen“

Eine wichtige Neuerung brachte eine Art „Hänsel und Gretel“-Trick: Um den Entwicklungsweg der Zellen nachverfolgen zu können, werden sie genetisch markiert. Mit solchen künstlichen „Brotkrumen“ im Genom („Lineage Tracing“ im Fachsprech) können Forschende sogar einzelne Zellen bei der Reifung beobachten.

Allerdings nur in Versuchstieren, da sich solche Eingriffe ins menschliche Erbgut verbieten. Aber praktischerweise streut der menschliche Körper die nötigen Brotkrumen selbst. Hier und da passiert beim Kopieren des Erbguts im Laufe der Teilung einer Zelle auch Fehler. Es entsteht eine „mutierte“ Zelle, so dass jede ihrer Tochterzellen diese charakteristische Mutation, den „Brotkrumen“, enthält, mit der sie von den Milliarden anderen Blutzellen unterschieden werden kann.

Doch selbst damit blieb das Verfahren noch mühsam und kostspielig, da die Suche nach den genetischen Brotkrumen im 3,3 Milliarden Bausteine großen Erbgut aufwändig ist. Der „Wald“ ist einfach zu dicht, um im Bild zu bleiben.

Die Idee von Leif Si-Hun Ludwig, der Medizin an der Charité und Biochemie an der Freien Universität Berlin studiert und unter anderem am Whitehead und Broad Institute in Cambridge/USA geforscht hat, ist so einfach wie genial: ein kleines Genom benutzen, den Wald verkleinern.

Denn jede menschliche Zelle hat in den Mitochondrien, den Energielieferanten der Zelle, kleine, nur 16.600 Bausteine große Mini-Genome. Auch sie mutieren gelegentlich, nur ist das Auffinden dieser Mutationen einfacher. Das macht das Verfahren, so das BIH, 1000fach preiswerter, schneller, zuverlässiger - und ermöglicht neue Erkenntnisse.

So zeigen Ludwigs Untersuchungen, dass es offenbar verschiedene blutbildende Stammzellen gibt, also solche, die nur oder vor allem Thrombozyten hervorbringen und andere eher T- und B-Zellen. Das neue Verfahren erlaubt auch, sogar im Patienten, besser zu erkennen, an welcher Stelle im Entwicklungsweg einer Blutzelle gefährliche Fehler passieren, die etwa zur Veränderung zur Blutkrebszelle führen. Alles Wissen, das die Behandlung von Patienten entscheidend beeinflussen kann.

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