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Anne Rolvering (l-r), Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), Moderatorin Barbara Schöneberger und Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin, testen während ihres Besuchs im Jugendprojekt auf dem Gelände „Falscher Fisch“ ein von Ali (2.v.l) und Shaheen (r) aus Afghanistan aus Alltagsgegenständen gebautes Soundsystem aus Lautsprechern und Mikrofonen.

© dpa/Soeren Stache

„Projekte wie dieses machen mir Mut“: „Barbara Schöneberger besucht Jugendprojekt in Neukölln

In einem früheren Fischrestaurant erproben Jugendliche mit Fluchtgeschichte ihre Talente und entwickeln gemeinsame Ideen für die Zukunft. Gefördert werden sie vom Familienministerium.

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Barbara Schöneberger steht zwischen hölzernen Strukturen mit neonorangenen Hütchen, durch die Luft schallt ein lautes Knatschen und Tröten. „Das klingt ja fast wie ein Song von Depeche Mode“, sagt die Moderatorin und lacht. „Manche Mikros bei Veranstaltungen funktionieren auch nicht besser als das hier.“

Am Donnerstag besuchte Schöneberger gemeinsam mit Ekin Deligöz, Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, das selbsterklärte „Institut für spontanen Nestbau“ des Jugendvereins „Schlesische 27“ in Neukölln. Seit dem vergangenen Jahr organisiert der Verein auf dem Gelände eines früheren Fischrestaurants nahe dem Estrel-Hotel verschiedene Jugendprojekte. Ziel sei es, die Jugendlichen zu befähigen – und ihnen die Möglichkeit zu geben, eigene Projekte durchzuführen.

Bei einem dieser Projekte entstanden jene Noiseboxen, also Tonmaschinen, mit denen Barbara Schöneberger gerade herumexperimentiert. Ali zeigt ihr, sichtlich stolz, wie sie mit einem neongelben Mixer und einer gleichfarbigen alten Ledertasche verschiedene Töne erzeugen kann. „Das ist Kunst!“, ruft Schöneberger. Das Projekt besucht sie in ihrer Funktion als Botschafterin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.

Familienministerium fördert autonome Jugendprojekte

Den Ansatz, Jugendlichen mehr zuzutrauen, verfolgt auch das Bundesfamilienministerium mit dem sogenannten „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“: Das Programm solle dazu dienen, dass die Stimmen der Jugendlichen gehört würden, sagte Deligöz. Die Kinder und Jugendlichen könnten die Gelder direkt beim Bund beantragen und dadurch erleben, dass ihre Ideen wahrgenommen und umgesetzt würden.

Barbara Schöneberger (Mitte) und Staatssekretärin Ekin Deligöz (rechts) prosten in der Bar mit Said (links) und Mohammad an.

© dpa/Soeren Stache

Mithilfe dieser Gelder haben auf dem Neuköllner Gelände rund 20 Jugendliche, fast alle mit Migrations- oder Fluchtgeschichte, in den vergangenen Monaten tatsächlich einen eigenen Ort für ihre Projekte erschaffen. Gemeinsam entwickelten sie das Konzept für eine Bar mit Club, bauten DJ-Pult, Tresen und Deko-Elemente. In dem schmalen Clubraum aus Holzbrettern und weißen Fliesen haben die Jugendlichen mit Styropor auch den Namen des Clubs befestigt: „Pilon“.

„Wir haben hier auch eine Familie gefunden“, sagt Lamin, einer der Jugendlichen, der aus Gambia stammt. Neben ihm mixt derweil Said aus Afghanistan Drinks für die Besucher:innen an der selbstgebauten Bar. Mohamed aus dem Iran beschreibt, wie er die Jugendlichen bekocht hat. „Wir haben jede Woche eine andere Essenskultur ausprobiert“, erzählt er und erklärt die Unterschiede zwischen persischem und arabischem Essen.

Junge Menschen haben ein Recht auf Beteiligung, darin wollen wir sie unterstützen.

Ekin Deligöz, parlamentarische Staatssektretärin im Familienministerium

„Von außen denkt man, das hier sei ein leeres, verlassenes Gelände“, sagt Staatssekretärin Deligöz. „Dann tritt man ein und entdeckt ganz viel Leben.“ Mit dem „Zukunftspaket“ wurden Deligöz zufolge bislang rund 745 Projekte deutschlandweit gefördert. Insgesamt habe das Bundesfamilienministerium 55 Millionen Euro eingeplant, 258.000 Kinder und Jugendliche hätten sich bislang beteiligt.

Sie hätten „Projekte zum Klimaschutz umgesetzt, Theateraufführungen geplant oder Jugendparlamente gegründet“, berichtete Deligöz. „Junge Menschen haben ein Recht auf Beteiligung, darin wollen wir sie unterstützen“, sagte die Staatssekträtin.

Die Jugendlichen würden über verschiedene Wege zum Verein gelangen, berichtet Projektleiterin Jessy Medernach. Das Projekt sei auch eine Form, mit fehlenden Freiräumen in Berlin umzugehen. Eine Gruppe von Jugendlichen habe neue Orte in der Stadt gesucht, die sie gemeinschaftlich entwickeln könnten, sagt sie. „Mit anpacken, zusammen bauen, Events planen und Peers einladen, das schafft ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Selbstwirksamkeit.“

Gauthier und Lisa berichteten über die Arbeiten am selbstgebauten Club „Pilon“.

© dpa/Soeren Stache

„Hier ist etwas entstanden, das mich in meiner Jugend auch begeistert hätte“, betont Barbara Schöneberger und witzelte über ihre eigenen Handwerksfähigkeiten. „Ich hätte hier gut mitmachen können: Ich bin gut im Ausführen, aber nicht so gut in der Idee.“ Projekte wie das „Institut für spontanen Nestbau“ würden ihr vor allem aber Mut machen: Wenn sie abends den Fernseher anschalte und Nachrichten über aktuelle Krisen in der Welt sehe, sei es manchmal schwer, zuversichtlich zu bleiben. „Projekte wie dieses zeigen aber, wie kreativ und motiviert junge Menschen sind.“

Viele junge Menschen würden noch die Auswirkungen der Coronakrise spüren, seien angesichts der Klimakrise und dem Ukraine-Krieg verunsichert, sagte auch Anne Rolvering von der DKJS. „Das Projekt zeigt: Junge Menschen wissen ganz genau, was sie brauchen.“ Auf dem leerstehenden Gelände hätten sie sich einen Ort geschaffen, in dem sie ihre Stärken und Ideen einbringen, Lösungen diskutieren und gemeinsame Entscheidungen treffen können. Davon profitiere auch die Gesellschaft, sagte Rolvering.

Beim Rundgang durch das Gelände zeigen die Jugendlichen auch Fotos einer gemeinsamen Projektwoche in Brandenburg und berichten von ihren Zukunftsplänen. Während der eine von einer Zukunft in der Aerodynamik träumt, hat der andere in dem Projekt seine Leidenschaft für Elektronik entdeckt.

„Das schöne ist aber auch: Viele der beteiligten Jugendlichen sind heute gar nicht da, weil sie mittlerweile einen Ausbildungsplatz gefunden haben“, sagt Anne Rolvering. Auch das sei ein Ziel des Projektes: Die Jugendlichen zu vernetzen, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Talente auszuprobieren.

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