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Prozess zu rechten Anschlägen in Berlin-Neukölln endet: Keine neuen Beweise, Kritik am Verfassungsschutz
Die Richterin beendete am Donnerstag die Beweisaufnahme im Prozess gegen zwei Neuköllner Neonazis. Trotz einiger Wendungen brachte das Berufungsverfahren kaum Neues.
Stand:
Der Berufungsprozess zu rechten Anschlägen in Neukölln am Berliner Landgericht neigt sich seinem Ende zu. Am Donnerstag beendete die Vorsitzende Richterin der Staatsschutzkammer, Susann Wettley, die Beweisaufnahme. Am 12. Dezember werden dann die Plädoyers und im Anschluss auch das Urteil erwartet.
Dass sich an dem Strafmaß für die beiden Hauptangeklagten, die Neuköllner Neonazis Sebastian T. und Tilo P., viel ändert, erwarten Beobachter:innen kaum. In erster Instanz hatte das Berliner Amtsgericht beide mit Blick auf den Hauptanklagepunkt, die Brandstiftung an den Autos des Linken-Politikers Ferat Koçak und Heinz Ostermann in der Nacht zum 1. Februar 2018, aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
T. und P. wurden lediglich in den anderen angeklagten Punkten – wegen Sachbeschädigung, Drohschmierereien und volksverhetzender Sticker – verurteilt. Die Taten werden dem Neukölln-Komplex mit insgesamt mindestens 72 rechtsextremen Straftaten zugerechnet, darunter sind weitere Brandanschläge und Morddrohungen.
Zwei Zeugen mussten nicht aussagen, weil sie gelogen haben könnten
Am Donnerstag hörte das Gericht unter anderem die Vorsitzende Richterin des ersten Prozesses, Ulrike Hauser, als Zeugin an. Sie musste Angaben zu den Aussagen von zwei Zeug:innen machen: Beide mussten vor Gericht in zweiter Instanz nicht aussagen, weil sie womöglich in erster Instanz gelogen haben und sich bei einer erneuten Aussage selbst belasten könnten.
Konkret ging es um die Ex-Freundin des Bruders des Angeklagten P., die ein Gespräch zwischen ihm und seiner Mutter belauscht haben will. Vor der Polizei und vor Gericht machte sie unterschiedliche Aussagen darüber, ob P. in diesem Gespräch die Brandstiftungen eingeräumt hatte. Nun gab sie an, vor Gericht gelogen zu haben – aber ließ offen, was genau nicht stimmte.
Richterin als Zeugin angehört
Auch Richterin Hauser konnte nicht erklären, ob die Zeugin vor der Polizei vielleicht den Bruder ihres damaligen Ex-Freundes falsch beschuldigt hatte – und das dann vor Gericht zurücknahm, weil sie mit dem Bruder inzwischen wieder zusammen war. Vielleicht war es auch genau umgedreht und sie wollte P. genau deswegen plötzlich nicht mehr belasten, log also vor Gericht.
Der zweite Fall betrifft den Neonazi Maurice P., der mit P. gemeinsam inhaftiert war. In einem vom Verfassungsschutz belauschten Telefongespräch soll er aus der Haft berichtet haben, dass P. ihm gesagt habe, man wolle ihm „wegen der anderen Sachen“ etwas anhängen, dabei habe er „nur Schmiere“ gestanden.
Was weiß der Verfassungsschutz?
Vor Gericht sagte Maurice P. in erster Instanz, dabei sei es nicht um Brandstiftungen, sondern Graffiti gegangen. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt nun wegen einer möglichen Falschaussage gegen ihn.
Unklar blieb bis zuletzt auch, welche Erkenntnisse der Verfassungsschutz zu den beiden Hauptangeklagten hat. Klar ist: Seit 2017 überwachte der Nachrichtendienst neben Sebastian T. und Tilo P. auch zwei weitere Neonazis, Oliver W. und Julian B.
In der Nacht des 15. Januar 2018 hörten die Verfassungsschützer ein Gespräch zwischen P. und T. mit, während dessen sie offenbar Ferat Koçak in seinem roten Smart verfolgten. Genau dieses Auto brannte zwei Wochen später. Auf die mehrmalige Anfrage Richterin Wettleys hin räumte der Verfassungsschutz zwar ein, dass es weitere Erkenntnisse zu T. und P. gebe. Diese seien aber als geheim eingestuft und nicht für den Prozess relevant, teilte der Verfassungsschutz dem Gericht mit. Richterin Wettley nannte dies vor Gericht „äußerst unbefriedigend“.
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