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Weil er die Maskenpflicht ablehnt: Rechte und Verschwörungstheoretiker solidarisieren sich mit Brandenburger Schulleiter
Ein Schulleiter in Rathenow verweigert die Maskenpflicht an seiner Schule. Er wird suspendiert. Der Vorgang lässt Rechte jubeln – wie auch Xavier Naidoo.
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Dieser Fall schlägt Wellen, in Rathenow sowieso, aber auch weit über die märkische Provinz hinaus. Mittlerweile solidarisierte sich Popstar Xavier Naidoo, selbst umstritten wegen einer möglichen Nähe zu Reichsbürgern, demonstrativ mit dem geschassten Maskenverweigerer aus der Mark, der inzwischen auf diversen Kanälen von AfD, Corona-Leugnern und Rechten aller Couleur gefeiert wird, aber auch Unterstützer bei Eltern seiner Schule und in der Havelstadt im Landeswesten hat.
Es geht um Frank G., den bisherigen Schulleiter der Grundschule „Friedrich-Ludwig-Jahn“ in Rathenow. Weil dieser die Durchsetzung der vom brandenburgischen Kabinett letzte Woche wegen der Corona-Pandemie beschlossenen Maskenpflicht in allen Schulgebäuden und Horten in seiner Schule verweigerte, ist Frank G. seit letzten Freitag vom Dienst suspendiert.
Einen Tag nach dem Kabinettsbeschluss zur Maskenpflicht an Schulen hatte Frank G. am 12. August in einem Brief an die Eltern der 360 Schüler seiner Schule mitgeteilt, dass er „gegen diese Weisung“ bei seinen Vorgesetzten demonstrieren, diese „nicht umsetzen“ werde, weil er diese für „völlig unverhältnismäßig und schädlich“ halte.
Schließlich gebe es im Westhavelland schon lange keine Neuinfektionen, so seine Begründung. Und mit dem Tragen einer textilen Maske entstehe „unter der gegenwärtigen Hitze ein Brutraum für Bakterien und Pilze, die von den Kindern aufgenommen werden und Schaden anrichten können“, hieß es darin. „Jedem ist es natürlich freigestellt, eine Maske im Haus zu tragen, wer es aber nicht möchte, braucht es in dieser Schule nicht zu tun.“
Das wurde vom Schulamt prompt kassiert, rückgängig gemacht. Brandenburgs Bildungsministerium bekräftigte am Montag in einer Erklärung, dass seit Montag „die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Grundschule „Friedrich Ludwig Jahn“ in Rathenow, so wie in der Umgangsverordnung des Landes Brandenburg vorgesehen, umgesetzt werde: „Darüber wurden die Eltern bereits am Freitag informiert.“
„Eine Abweichung steht einem verbeamteten Schulleiter nicht zu“
Die Suspendierung von Frank G. begründete das Ministerium damit, dass der Schulleiter mit seiner Weigerung „eindeutig rechtswidrig“ gehandelt habe. Ministerin Britta Ernst (SPD) verwies auf auf Anfrage auf die Landesregelung: „Es steht einem verbeamteten Schulleiter nicht zu, abweichend über die Umsetzung zu entscheiden.“
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Laut Ministerium hat Frank G. zudem „vor Mitarbeitern des Schulamtes erklärt, sich an die Weisung seines Dienstvorgesetzten nicht gebunden zu fühlen und ausgedrückt, dass er sich seinem Eid als Beamter nicht mehr verpflichtet fühlt“. Ein Disziplinarverfahren sei eingeleitet. Mitarbeiter des Schulamtes Neuruppin würden nun das Kollegium vor Ort unterstützen, seien „im Austausch mit den Eltern und dem Schulträger, der Stadt Rathenow“.
90 Menschen protestieren gegen die Suspendierung
Schon die Formulierung zeigt, wie sich die Geister scheiden. Denn es gibt Unverständnis und Empörung auf beiden Seiten, auch an seiner Suspendierung. Am Montag gab es vor der Grundschule eine Kundgebung, bei der rund 90 Menschen für die Wiedereinsetzung von Frank G. demonstrierten.
„Der Großteil waren Kinder, Angehörige, Großeltern“, sagt Hardy Krüger, ein freier Journalist aus Rathenow, der vor Ort war und als ein Kenner der rechten Szene in der Region gilt. Dabei seien auch der Chef der Stadt-AfD Ralf Maasch gewesen, Verschwörungstheoretiker, die bei Hygienedemos in Rathenow dabei gewesen seien.
Der Chef der NPD, der seine Teilnahme angekündigt hatte, sei aber nicht erschienen. Weil die Kundgebung nicht angemeldet war, ermittelt die Polizei wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Wie groß die Resonanz auf diesen Fall ist, registriert Krüger anhand der Zugriffszahlen seines Blogs: Er habe seit den Berichten 17.000 Zugriffe, so viele wie noch nie.
„Dieses fiktive Corona“
Und Frank G. selbst? In einem Interview mit der rechten Youtube-Plattform „Hallo Meinung“ bekräftigte der Ex-Schulleiter, der nach eigenen Angaben die Schule nicht mehr betreten darf, sein Veto gegen die Maskenpflicht und seine Ansicht zur Pandemie: „Das kann ich meinen Kindern nicht antun.“ Und: „Die Kinder könnten Kinder wirklich davon krank werden und nicht von diesem fiktiven Corona.“
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Er habe die Schule „bürgerlich-konservativ“ geführt. Schon 2015 sollen zudem Hinweise kursiert haben, dass er mit den Reichsbürgern sympathisieren könnte, wofür es aber offenbar keine Belege gab. Wenn sich das jetzt bestätige, sei „der Verfassungsschutz gefragt“, sagte Christian Görke, Linke-Landtagsabgeordneter und Ex-Minister, dessen Wahlkreis das Havelland um Rathenow ist.
Für Brandenburgs AfD, die gegen die Maskenpflicht an Schulen polemisiert, klagen will, ist das Kaltstellen des Schulleiters ein gefundenes Fressen. „Wer an den teils übertriebenen Maßnahmen in Land und Bund den geringsten Zweifel äußert, werde gesellschaftlich geächtet“, mit Bußgeldern bedroht und – wie jetzt im Fall des Schulleiters – in seiner Existenz bedroht, erklärte Vize-Landeschefin Birgit Bessin. Der Fall wird weitere Kreise ziehen.
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