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Dickes Ding. Mehrere Gerichtsverfahren begleiten den Streit zwischen Behrendt und den Richterinnen bereits. Der Senator bekam bislang immer recht.

©  Arno Burgi/dpa

Rechtslücke bei Gleichstellungsvertretung: Richterin stellt Petition an Regierenden Bürgermeister

Berlins Richterinnen sind sauer auf Justizsenator Behrendt. Jetzt haben sie sich an den Regierenden Bürgermeister gewandt.

Es ist ein kurioser Streit, der derzeit auf den Fluren von Berlins Gerichten für Gesprächsstoff sorgt: Einige Richterinnen begehren gegen Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) auf. Der Streit ist nun so weit eskaliert, dass eine Richterin eine Petition an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller verfasst hat.

Worum geht es? Im Oktober hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Rechtsauffassung des Justizsenators stattgegeben, dass die Richterschaft nicht vom Landesgleichstellungsgesetz (LGG) erfasst ist. Es besagt, dass bei Besetzungsverfahren Frauenvertreterinnen zu beteiligen sind. Frauen sollen so gefördert werden.

Geklagt hatte die Gesamtfrauenvertreterin der Justiz, Anne-Kathrin Becker, und verloren. Die Folge: Sie wird nun nicht mehr an richterlichen Besetzungsverfahren beteiligt. Der Richter hatte die Entscheidung damals auch mit dem unsauber gearbeiteten LGG begründet.

Petition an den Regierenden Bürgermeister

Der Streit zwischen den Parteien ist seitdem nicht beigelegt – im Gegenteil. Die Leiterin der Personalabteilung der Justizverwaltung hatte im November verfügt, dass die mehr als 40 Frauenvertreterinnen in der Justiz nicht mehr an richterlichen Personal-Angelegenheiten zu beteiligen seien. So hatte es das Gericht entschieden.

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Sebastian Brux, Sprecher der Justizverwaltung, sagte dazu: „Wir finden diese gesetzliche Regelung auch nicht gut. Wir sind aber auch nicht der Gesetzgeber.“ Jahrelang wurde die Gesamtfrauenvertreterin beteiligt – über das erforderliche Maß hinaus, heißt es. Die Gerichtsentscheidung habe das nun unmöglich gemacht. Unter den Frauenvertreterinnen, unter ihnen viele Richterinnen, gärt es trotzdem.

Kritik am Justizsenator

Statt jetzt schnell beim Landesgleichstellungsgesetz nachzubessern, so der Vorwurf, ruhe sich Behrendt darauf aus, diesen Konflikt los zu sein. Doerthe Fleischer, Richterin am Kammergericht, hat deshalb nun eine Petition an den Regierenden Bürgermeister verfasst. Fleischer schreibt darin: Sie wende sich direkt an den Regierenden, weil sie „in Bezug auf rechtliches Gehör und freie Meinungsäußerung“ mit dem Justizsenator keine „ guten Erfahrungen“ gemacht habe. Mehrfach habe er Eingaben von ihr nicht weitergeleitet. Jede Kritik an ihm gelte gleich als „Majestätsbeleidigung“.

Aktuell, schreibt Fleischer, bestehe eine Rechtslücke bei der Gleichstellungsvertretung der richterlichen Beschäftigten. Richterinnen hätten nun keine Ansprechpartner mehr bei vermuteter Diskriminierung. Bislang habe der Senator jedoch keine Anstalten gemacht, dies zu ändern. Stattdessen haben viele Richterinnen das Gefühl, Behrendt sei froh, mit Becker einen „kritischen Geist in seinem Haus ausgeschaltet“ zu haben.

Richterinnen fordern Frauenvertretung

Einen entsprechenden Antrag hat nun die FDP im Abgeordnetenhaus eingereicht. Die Freien Demokraten wollen das LGG so ergänzen, dass es künftig auch für die Richterschaft gilt – und die Richterinnen wieder eine Frauenvertretung haben.

Maren Jasper-Winter, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, sagte dem Tagesspiegel: „Ein Justizsenator, der täglich von Antidiskriminierung spricht, im Handeln aber schon bei den einfachsten Grundlagen versagt, offenbart die eigene Unglaubwürdigkeit.“ Es könne nicht sein, dass alle Angestellten in der Justiz eine Frauenvertretung hätten, die Richterinnen aber nicht.

Zwar gibt es in der Justiz mittlerweile immer mehr Frauen, auf den Beförderungspositionen sitzen aber weiterhin eher Männer. Dass Behrendt ein gesteigertes Interesse hat, das zu ändern, glauben einige Frauenvertreterinnen nicht. „Als ein Grüner 2016 ins Amt kam, hatten wir hohe Erwartungen“, sagt Richterin Fleischer.

Mehr weibliche Neubesetzungen

In der Justizverwaltung ist man verwundert über die Eskalation des Konflikts. Auch aus Teilen der Richterschaft heißt es, Becker habe sich durch ihr kompromissloses Verhalten selbst ein Bein gestellt. Justizsprecher Sebastian Brux sagte dem Tagesspiegel: „Kein Justizsenator in der Geschichte hat mehr für die Frauenförderung in der Justiz getan.“

Tatsächlich hat Behrendt in letzter Zeit deutlich mehr Frauen als Männer zu Richtern gemacht. Auch daran gibt es Kritik. Dirk Behrendt und die Richterschaft – das scheint eine schwierige Beziehung. Gesamtfrauenvertreterin Becker will weiterkämpfen und wird Beschwerde gegen das Urteil einlegen. Viel Zeit bleibt nicht mehr, denn 2020 werden neue Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Sie, die selbst Richterin ist, und viele Richter-Kolleginnen könnten dann nicht mehr antreten.

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