
© Screenshot: privat
Saisonauftakt der Tunerszene in Berlin eskaliert: Qualmende Reifen und eine Attacke auf die Polizei
Am Samstagabend hat sich in Berlin die Szene der Autotuner zum Saisonauftakt getroffen. Als die Polizei kam, schaukelten erboste PS-Fans einen Einsatzwagen durch. Die Initiatoren distanzieren sich.
Stand:
Sie ließen die Reifen quietschen, bis der Gummi qualmte, die Protzautos drifteten, die Motoren aufheulten – am Sonnabend beging die Szene der Auto- und Motorradtuner ihren Auftakt für die Sommersaison. Mehrere hunderte Autos waren beteiligt, darunter sehr hochwertige und aufgemotzte PS-Boliden.
Als bei einem Treffen in Berlin-Spandau ein Einsatzwagen der Polizei mit Blaulicht und Sirene kam, protestierten Teilnehmer und Schaulustige. Schließlich bedrängten sie die Beamten und schaukelten den Streifenwagen. In den sozialen Medien sind zahlreiche Videos von dem Treffen veröffentlicht worden – auch davon, wie die Teilnehmer auf den Polizeiwagen zu rannten. Einige rüttelten heftig am Auto, das hin und her schwankte.
Ein Mann filmte in das Auto rein und machte sich über die wackelnden Polizisten darin lustig. Ein anderer nahm Anlauf, sprang hoch und trat heftig gegen den Einsatzwagen. Andere filmten alles per Handy johlend mit.

© Screenshot: privat
Irritierend: Alle Auto- und Motorradfahrer, die dabei waren, störte es wenig, dass zahlreiche Schaulustige alles aufzeichneten – inklusive der Autokennzeichen. Sie kamen aus Berlin, Brandenburg, ja sogar aus Lettland.
Die Teilnehmer teilten die Videos auch auf ihren eigenen Kanälen. Zu sehen war dabei auch, wie ein Wagen seine Hinterräder durchdrehen ließ und der Reifen kaputtging. Ein anderes Video zeigte, wie ein Mann einen driftenden Wagen per Handy filmte und dabei sogar leicht angefahren wurde.
Los ging es zunächst auf dem Parkplatz eines Baumarkts in Stahnsdorf. Von dort ging es weiter in Richtung Berlin. Doch die Hauptstadtpolizei war informiert. Über die A115 kamen die Fahrer nicht nach Berlin, die Polizei hatte eine taktische Sperre in Höhe Dreilinden errichtet.
In Spandau drehten die Tuner auf
Stattdessen fuhr der Tunerkonvoi dann nach Spandau, in Zivil getarnte Polizisten hatten ständig alles im Blick. Eine Zivilstreife der Direktion 4 begleitete die Karawane ab der Stadtgrenze. Dann trafen sich die Autotuner in Spandau wieder, etwas frustriert, weil ihr Plan für den Auftaktautokorso nicht aufging und durch offensives Vorgehen gestört wurde, wie ein Polizist berichtet.
Auf zwei Parkplätzen ließen die Tuner dann die Reifen quietschen: Auf dem Parkplatz An den Freiheitswiesen vor einem Mediamarkt und auf dem Parkplatz vor einem Baumarkt an der Nonnendammallee.
Nach den ersten Bußgeldzetteln suchten die Tuner das Weite
Die Polizei zählte mehrere hundert Fahrzeuge. Verkehrssicherheitsdienst, Streifen des Polizeiabschnitts 21, die Zivilstreife und Beamte der 23. Einsatzhundertschaft verhagelten den Tuningfans den Spaß. Wegen des Großeinsatzes rund um die Demonstrationen zum Weltfrauentag hatte die Polizei nur bedingt Personal einsatzbereit – dennoch bekamen die Beamten die Lage nach Angaben eines Sprechers schnell in den Griff.
Zwar konnte die Polizei keine Verkehrskontrollstelle einrichten, um möglichst viele Tuner zu überprüfen. Doch nach den ersten Kontrollen und ersten Anzeigen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten suchten die Tuner das Weite. Und sollte die Polizei jemanden wiedererkennen, der den Streifenwagen aufgeschaukelt hat, oder dessen Auto anhand des Kennzeichens entdecken, könnte das für einige Tuner noch ein Nachspiel haben.
Initiatoren des Tunertreffs bitten Polizei um Entschuldigung
Bedrohlich soll die Lage für die Beamten nicht gewesen sein, wurde dem Tagesspiegel berichtet. Die Teilnehmer hätten sehr schnell erkannt, dass die Polizei sich gar nicht auf Diskussionen einlässt. Die Schaukel-Aktion dauerte nur eine kurze Zeit. Die meisten – überwiegend Männer – filmten die Szenerie mit dem Handy, grölten herum und gingen dann.
Viele Leute aus der Tunerszene lebten in einer Fantasiewelt der Straßenverkehrs- und Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, sagte ein Beamter. „Dort werden sie bei Polizeikontrollen immer hart herausgeholt – zurück auf den unbarmherzigen Asphaltbelag der Straßenverkehrssicherheit in der Metropolenregion.“
Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte, wie man Menschen, die einfach nur ihren Job ausüben, so behandeln kann.
Vertreter der Gruppe „Berlin Underground“
Verabredet hatten sich die Tuner über die sozialen Medien und über einen Telegram-Kanal. Dort veröffentlichten die Organisatoren um die Gruppe „Berlin Underground“ am Sonntag eine Erklärung.
„An erster Stelle möchten wir uns bei der Berliner Polizei aufrichtig entschuldigen für das respektlose Verhalten“, heißt es dort. „Wir möchten klarstellen: Berlin Underground steht für keinen Stress, keine Probleme und vor allem keine Gewalt – weder gegenüber anderen Menschen noch gegenüber der Polizei.“
GdP fordert Arbeitsgruppe „Poser“
Und an alle, die den Polizeiwagen „gerüttelt und getreten haben“, erklärten die Macher: „Ihr braucht nie wieder auf unseren Treffen zu erscheinen. Wir distanzieren uns ausdrücklich von Euch und tolerieren ein solches Verhalten in keiner Weise.“
Schließlich findet einer der Initiatoren deutliche Worte: „Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte, wie man Menschen, die einfach nur ihren Job ausüben, so behandeln kann. Denn am Ende sind sie genauso Menschen wie du.“
In Berlin ist kein Platz für Fast and Furious oder GTA.
Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht ein grundsätzliches Problem. Es sei nicht überraschend, wenn man bei Tuner-Treffen dem Rechtsstaat in diversen Reels und Posts offen ins Gesicht lacht, weil die Polizei nicht vorbeischaut, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Die Hundertschaften der Polizei und der Verkehrsbereich der Polizei haben außerdem mit rund 8.000 Demonstrationen und Versammlungen im Jahr sowie Großevents viel zu tun.
„Ehrlicherweise genießt der Kampf gegen Raser und Profilierungsfahrten in der Hauptstadt keine große Priorität, obwohl durch diesen Wahnsinn Menschenleben gefährdet werden“, stellte Jendro fest. „In Berlin ist kein Platz für Fast and Furious oder GTA. Um das deutlich zu machen, brauchen wir endlich eine Arbeitsgruppe Poser, wie sie in Hamburg, Hessen oder NRW schon fest verankert ist.“ Nur so könne Berlin die vorhandene Expertise bündeln, „um konzentriert, flexibel, lageorientiert und nachhaltig gegen dieses Phänomen vorzugehen“. (Mitarbeit Julius Geiler)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: