
© Patrycia Lukas
Schmuckdesignerin Leo Eberlin im Porträt: „Ernährt habe ich mich von Tiramisu. Morgens, mittags, abends, immer nur Tiramisu“
Leo Eberlin hat es geschafft: Mit 16 kam sie mittellos und ohne Schulabschluss nach Berlin. Über 20 Jahre später leitet sie zwei erfolgreiche Schmuckunternehmen.
Stand:
Angehende Juwelenräuber hätten es schwer, bei Leo Mathild, dem Schmuckunternehmen von Leo Eberlin, mit Sitz auf dem mittleren, dem schicken Teil des Ku’damms. Zwischen Boutiquen von Chanel und Valentino, in einem der oberen Stockwerke der hiesigen Prachthäuser, erstreckt sich ihr Atelier weitläufig über mehrere Zimmer. Der Eintritt erfolgt über eine schwere Doppeltür, bei der sich die zweite erst öffnet, nachdem die erste wieder geschlossen ist – und umgekehrt. Alles ist verkabelt, nichts läuft über WLAN. Sicher ist sicher.
Als angekündigter Gast oder Kunde wird man trotzdem freundlich hereingebeten und betritt lichtdurchflutete, modern eingerichtete Räumlichkeiten. Zum Termin mit der Chefin darf man sich in einem der vielen Zimmer, vor einen großen Marmorschreibtisch setzten. Wenn sie dann hereinkommt, auf der andere Seite Platz nimmt und einen mit großen, blauen Augen erwartungsvoll anschaut, fühlt man sich ein bisschen wie bei einem Bewerbungsgespräch und vergisst kurz, dass man ja hier ist, um Fragen zu stellen.
Eine Matratze und ein bisschen Platz im Kühlschrank
Leo Eberlin ist Schmuckdesignerin und erfolgreiche Gründerin ihrer beiden Unternehmen: Leo Mathild für High End-Kollektionen und LM Studio für Schmuck mit im Labor gezüchtete Diamanten. Außerdem ist Eberlin – der US-Amerikaner würde sagen – „selfmade“. Sie hat es ohne finanzielle Hilfe oder anderer familiärer Privilegien geschafft; von der Tellerwäscherin zur Millionärin, oder in ihrem Falle: von der Kellnerin zur Schmuckdesignerin.
Köln hat mir Angst gemacht. Deshalb habe ich entschieden, nach Berlin zu gehen.
Leo Eberlin, Unternehmerin
Tatsächlich fing alles an, als sie vor über 20 Jahren als damals 16-Jährige die Schule ohne Abschluss schmiss, die Familie in Köln verließ und alleine nach Berlin zog. Der Vater war verstorben und die Mutter von der Situation überfordert. Eberlin kam die Stadt ihrer Kindheit monoton und einengend vor: „Köln hat mir Angst gemacht. Deshalb habe ich entschieden, nach Berlin zu gehen. Und auch wenn der Plan eigentlich war, irgendwann wieder zurückzukehren, lebe ich seither hier.“
Geld verdiente sie durch einen Job im legendären Stammhaus des Café Einstein und Obdach fand sie in einem kleinen Zimmer, „einer Art Abstellkammer“, bei einer Frau, deren Kinder nach Amerika gezogen waren. „In das Zimmer hat eigentlich nur eine Matratze und zwei Regalbretter reingepasst“, erinnert sie sich. Sie durfte das Badezimmer benutzen und hatte im Kühlschrank eine eigene Ecke. Das Ganze kostete 80 Euro im Monat. „Ernährt habe ich mich in der Zeit von Tiramisu aus dem Stammhaus. Morgens, mittags, abends, immer nur Tiramisu“. Erst heute Morgen sei sie mal wieder dort, am neuen Standort, gewesen. Und auch wenn sie damals immer zu spät zur Arbeit erschienen sei, freue sich ihr alter Chef immer noch, sie zu sehen.
Ein wenig später kam dann noch ein Job bei einem Berliner Juwelier hinzu, bei dem sie zunächst den Laden putzen, irgendwann die Vitrinen einräumen und sich von dort weiter hocharbeiten durfte. Der erste professionelle Kontakt mit Schmuck. Nebenbei besuchte sie die Abendschule, um eine Ausbildung zur Kauffrau für Marketingkommunikation zu absolvieren. Der Mutter zuliebe, weil sie bis hierhin ja keinen Schulabschluss hatte. „Mir war das eigentlich egal und wie ich das bestanden habe, weiß ich bis heute nicht. Ich war eigentlich nie da.“
Mehr schlecht als recht kam sie durch und versuchte ihr Glück zunächst in der Immobilienbranche. Bei Christine Birnstil, eine bekannte Maklerin am Stölpchensee bei Potsdam. „Bei meiner Bewerbung ging ich davon aus, dass ich den Job sowieso nicht bekomme, weil ich keine Erfahrung und keine Ahnung vom Geschäft hatte. Sie hat dann aber die Tür von ihrer Riesenvilla aufgemacht und mich angestrahlt, als wäre ich ihr verlorenes Kind.“ Später erfuhr Eberlin, dass Birnstils Wahrsagerin ihr gesagt hatte, dass ein ganz junges Mädchen kommen würde und die perfekte Person für ihr Leben sei. Schicksalshaft!
Das Spielerfrauen-Klischee
Nachdem sie hier dann recht lang gearbeitet hatte, wechselte sie nochmal zu einem Bauentwickler. Aber, obwohl ihr die Arbeit gefielt, sie als inzwischen Anfang 20-Jährige gutes Geld verdiente, merkte Eberlin, dass sie das ganze gar nicht so sehr interessierte: „Weil der Schmuck mich nie losgelassen hat, habe ich entschieden, dass ich es versuche – ich wollte Schmuck machen“.
Mit dem Klischee, dass eine solche Karriereentscheidung häufig von Spielerfrauen oder ähnlichen Charakteren getroffen wird, wurde sie schon damals konfrontiert. Das war ihr aber egal. Eberlin wusste, dass sie daraus ein richtiges Geschäft machen wollte und sie wusste auch, wie sie das angehen würde. „Ich habe mit Silber und erschwinglichen Edelsteinen, mit Modeschmuck, angefangen. Für eine Diamant-Kollektion brauchst du schnell 100.000 Euro Cash und dann musst du die erstmal verkaufen. So leicht ist das also nicht.“
Es zahlt sich aus, wenn man am Anfang die Kosten niedrig hält.
Leo Eberlin, Unternehmerin
Von Beginn an, ließ sie ihre Entwürfe extern produzieren, was bedeutete, dass sie zunächst herausfinden musste, wo das gemacht wird. Wie sie von dem großen Bazar in Istanbul erfahren hatte, daran kann sie sich heute nicht mehr erinnern, irgendwoher wusste sie aber, dass dort viele Schmuckhersteller arbeiten, die, zumindest damals, auch Massenware hergestellt hatten.
„Anfangs war das sehr frustrierend. Ich habe wahnsinnig viel Geld ausgegeben und nichts hat funktioniert – es war fürchterlich. Ich habe da am Bazar in einem heruntergekommenen Hotel gewohnt und jeden Tag weinend meine Mutter angerufen. Sie sagte immer, dass ich nachhause kommen soll, dass es vielleicht später funktionieren wird. Das wollte ich aber nicht hören.“
Kurz bevor sich ihre dortige Zeit dem Ende neigte, fand sie dann doch den passenden Produzenten: „Ich saß auf einer Bank und die Sonne schien auf den in Papier eingewickelten Ring. Er war perfekt und ich wusste, das bin ich, ich bin Schmuckdesignerin. Jetzt kann es losgehen.“

© Patrycia Lukas
Von Beginn an vertrieb sie ihre Entwürfe hauptsächlich online, ungefähr zur selben Zeit, als sie ihr Unternehmen gründete, wurde auch Instagram als visuelle Social-Media-Plattform immer wichtiger. „Man konnte wahnsinnig schnell Reichweite gewinnen“, weiß Eberlin noch, „ich habe manchmal etwas gepostet und sofort hatte ich 800 neue Follower. Das funktioniert heute nicht mehr.“
Mit wachsendem Erfolg, konnte sie sich dann auch ihr erstes Büro hier am Ku’damm leisten. Einen kleinen Raum für 720 Euro im Monat – ein Bruchteil ihrer Nebenkosten von heute, knapp zwölf Jahre später. „Aber“, so sagt sie, „es zahlt sich aus, wenn man am Anfang die Kosten niedrig hält.“
Auf dem Boden und in Berlin geblieben
Inzwischen arbeiten mindestens 15 Menschen für sie, produziert wird in Berlin, Belgien, Italien und Asien. Das größte Geschäft macht sie dabei immer noch online, obwohl ihre Produkte auch im stationären Handel vertreten sind. „Das Hauptgeschäft sind Maßanfertigungen, insbesondere Brautschmuck und Eheringe. Und dann natürlich die Haute Collection, die ganz teuren Sachen, Anfertigungen, die Monate lang dauern – wo die Materialien super schwer zu bekommen sind.“ Die Ergebnisse dieser Prozesse, tragen dann, unter anderem, Stars wie Madonna, Cher oder Gwen Stefani.
Ja, Leo Eberlin hat es geschafft und ist dabei auf dem Boden geblieben. Und in Berlin: „Die Leute sagen immer, man müsse nach Dubai, da könne man Geld verdienen. Sie haben dabei aber nur ihren persönlichen Reichtum im Blick.“ Sie lebe gerne hier und sie sei dankbar in Deutschland geboren zu sein: „Verglichen mit den meisten Orten auf dieser Welt, ist es in Deutschland nicht so besonders schwierig erfolgreich zu sein“, sagt sie. Schwierig sei es nur, wenn man dann wirtschaftlichen Erfolg hat, dann nehme sich der Staat wieder seinen Teil.
Und dennoch, die Dankbarkeit überwiegt und gilt auch der Stadt Berlin, die Stadt, in der sie sich als Frau so verwirklichen konnte, wie sie es wollte: „Wenn Leute infrage stellen, warum ich hiergeblieben bin, anstatt international Fuß zu fassen, sage ich, dass ich hier mein Glück gefunden habe. Dass Berlin meine Heimat ist. Und von hier aus ist internationaler Erfolg genauso möglich.“ Dafür ist Leo Eberlin wohl der beste Beweis.
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