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Schule: Fein in den Sand gesetzt

Lange haben die Ingolstädter gewartet. Nun tanzt Audi mit dem neuen Q7 durchs Gelände, wo der Cayenne von Porsche und der Touareg von Volkswagen erfolgreich Staub aufwirbeln. Eine erste Ausfahrt mit dem feinen Freigänger

Wäre glatt was für unsere Familienministerin, dieses Auto. Die ganze neunköpfige Familie würde zwar nicht hineinpassen, aber die sieben Kinder könnten sich damit gemeinsam so sicher und fast ebenso schnell voran bewegen wie die Frau Mama mit ihrer Ministereskorte. Ja, sie sind bei Audi zweifellos ein wenig spät auf den Trichter mit den hochhackigen Edel-Geländemobilen gekommen - aber dafür ist der Q7 mit seinen maximal sieben Sitzen der Klassenprimus, zumindest, was die Größe angeht.

So platt läuft das Verkaufsgespräch aber auch wieder nicht, denn die Designer sehen das neue Gefährt ja nicht als Überlastesel, sondern als das Coupé unter jenen sportlichen Nutzfahrzeugen, für die sich das Kürzel SUV unausrottbar eingebürgert hat. (In der Pressemappe steht außerdem todernst der Begriff „Performance SUV“, danke, dass der Mappendeckel diesen Quark so schön magnetisch unter Verschluss hält.) Ein Coupé also? Höher über der Fahrbahn als im Q7 kann der Fahrer allenfalls im 30-Tonner schweben, aber das ist nicht gemeint.

Es geht eher um die elegante Linie, die den neuen Audi in der Tat von der Konkurrenz abhebt: M und X und Touareg und Cayenne sehen im Vergleich hinten tatsächlich ein wenig abgehackt aus. 5,09 Meter, das ist ein Wort, freilich eins, das der Benutzer landläufiger deutscher Parkhäuser ungern hört. Groß, sehr groß wirkt der Q7, darüber ist schon viel räsoniert worden; dabei entsprechen seine Grundmaße ziemlich genau der S-Klasse von Mercedes, und die treiben erfahrenen Lenkern auch nicht den Angstschweiß auf die Stirn. Dennoch: Audi hat den Q7 in Amerika vorgestellt, und das war insofern klug, als er dort zwischen all den ortstypischen Gefährten ungefähr so auffiel wie ein Golf auf dem Aldi-Parkplatz.

Audi will auch rund 45 Prozent der Produktion in Amerika verkaufen. Für die Grundausstattung mit Motoren heißt das: Acht Zylinder sind besser als sechs, der Benzinpreis ist eine Größe unter vielen. Deshalb wird als Top-Motorisierung zunächst der 4,2-Liter-Achtzylinder angeboten, der im Prinzip aus dem RS4 bekannt ist. Seine 350 PS machen mit den gut 2,2 Tonnen des Wagens kurzen Prozess, der Klang ist zweifellos Coupè, und vor allem in der Sporteinstellung der serienmäßigen Sechs-Gang-Tiptronic fliegen die Gänge hysterisch rauf und runter; von draußen röhrt das Triebwerk so krass vollfett, als hätte der Sounddesigner die Schalldämpfer noch nachträglich tiefergelegt.

Weiß der Teufel, was sie in Amerika mit ihrem Tempolimit von maximal 75 Meilen an so etwas haben. Das alte Europa ist mal wieder klüger: Hier wird sich der Q7 vor allem mit dem partikelgefilterten 233-PS-Diesel-V6 verkaufen, der drunten im Drehzahlkeller nicht weniger satt durchzieht und viel besser zum lässigen Charakter der großen Reiselimousine passt. Wer diesem Motor verübelt, dass er nur 210 statt 244 km/h bringt, der ist wahrscheinlich Ölscheich von Beruf oder klaut sein Benzin. 13,6 Liter Super plus stehen als Durchschnitt in den Datenblättern des Benziners, aber der Stadtverbrauch von 19,5 Litern dürfte der durchschnittlichen Realität näher kommen. Der Diesel begnügt sich offiziell mit 10,5 Litern bzw. 14,6 im Stadtverkehr, das ist auch ein schöner Schluck, aber dem schweren, hohen Fahrzeug angemessen.

Die größte Leistung der Audi-Konstrukteure besteht vermutlich in der Selbstverständlichkeit, mit der sich der Q7 bewegen lässt. Das Auge sagt: Schön weit oben, hier. Der Hintern sagt: Flutscht wie ein Pkw. Das Armaturenbrett ähnelt stark der A6-Konsole, und so problemlos funktioniert auch die Bedienung. Die Lenkung arbeitet so, dass sie sich bei Audi den Ehrentitel „Benchmark" verliehen haben, was auf deutsch schlicht heißt: besser geht´s nicht. Seitenneigung findet praktisch nicht statt, unzählige elektronische Helferlein lassen nur jene Fehler zu, die der Fahrer unbedingt und auf schriftlichen Antrag machen will, und der obligatorische Quattro-Antrieb heftet das Fahrwerk auch dort auf dem Boden fest, wo sonst nur noch die Diktatur der Flugphysik gilt. Schon ein simpler Krawallstart vom Straßenrand, halb Schotter, halb Asphalt, belegt die Souveränität dieses Antriebs. War da was?

Schwere Geländetechnik, etwa ein Sperrdifferential, ist für den Q7 nicht vorgesehen, dafür haben die Entwickler dem ESP allerhand Finessen angezüchtet, die den Wagen auf Stock und Stein sicherer machen, beispielsweise einen Bergab-Assistenten, der das Tempo konstant auf 20 km/h hält, eine elektronische Differentialsperre und den Offroad-Modus, der auf losem Untergrund einen gewissen Schlupf erlaubt; schlingernde Hänger werden von einer eigenen Gespannstabilisierung beruhigt. Die Luftfederung (Option) erlaubt darüber hinaus nicht nur, die Fahrwerksgrundeinstellung zwischen „Comfort" und „Dynamic“ zu wählen, sondern sie lupft die Karosserie auch auf maximal 240 Millimeter Bodenfreiheit im Gelände. Selbst im Stand fällt noch ein Bonus ab – denn dann geht die Federung vor dem Bierkastenholer auf Wunsch sieben Zentimeter in die Knie. Na, es funktioniert auch mit der Limonade für die Leyen-Familie.

Viele weitere elektronische Assistenten stehen bereit, den Q7 in technisches Neuland und entlegenste Ecken der Aufpreisliste zu befördern. Das „in vielen Märkten serienmäßige“ (Audi) konventionelle Piep-Parksystem beispielsweise ist nur die Basis. Es kann um einfache optische Anzeigen erweitert werden oder um eine über dem hinteren Kennzeichen eingebaute Kamera, deren Bild vorn auf dem Monitor erscheint. Hilfslinien, die mit dem Lenkeinschlag gekoppelt sind, zeigen klar, ob es hinten gleich kracht oder nicht. Die „Adaptive Cruise Control“ überwacht den Abstand zum Vordermann, klopft dem Fahrer zunächst per Gong und Warnlicht auf die Finger und holt ihn dann notfalls mit einer kleinen Schreckbremsung aus dem Sekundenschlaf. Schließlich ist auch ein Rückseitenradar erhältlich, das den Raum hinter und neben dem Q7 überwacht und durch ein dezentes gelbes Warnlicht an den bratpfannengroßen Rückspiegeln anzeigt, wenn ein anderes Auto im toten Winkel unterwegs ist. Versucht der Fahrer dennoch, den Fahrstreifen zu wechseln, wird er durch helleres Blinken nachdrücklich gewarnt. All das funktioniert mit psychologisch ausgefeilter Dezenz, der Fahrer wird nie von zu viel Gepieps genervt, und das zentrale Bediensystem MMI mit einem Dreh-/Druckknopf in der Mitte erklärt sich zwar nicht von selbst, gibt aber auch keine unnötigen Rätsel auf. Was passiert, wenn eines dieser Helferlein Zicken macht und sich vom Dienst abmeldet, mag man sich nur ungern ausmalen. Indessen gilt der A6, von dem die Elektronik stammt, als zuverlässig.

Sehr audiesk, das alles, vor allem die Verarbeitung, mit der sich die Ingolstädter wie üblich vor keiner Konkurrenz verstecken müssen. Wertvoll anmutende Materialien allüberall, Leder serienmäßig im Achtzylinder, auf Wunsch japanisches Tamoholz und anderer Schnickschnack aus der feinen Zutatenkiste – allerdings wirkt es doch ein wenig knickerig, dass die Sitze im Basis-Diesel für immerhin fast 47000 Euro noch per Schubs mit dem Hinterteil verstellt werden müssen; elektrische Sportsitze serienmäßig bietet der Achtzylinder, der fast 20000 Euro teurer ist.

Dies ist die Ursula von der Leyen unter den sportlichen Geländelimousinen. Ob das Ministergehalt ausreicht, um der Familie dieses Fahrzeug zugänglich zu machen? Perfekt genug ist es auf jeden Fall.

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