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Sicherheit und Sauberkeit in Berlin: BVG plant einen „Musterbahnhof“ auf der U8
Weil das Pilotprojekt auf der Problemlinie gut ankam, wird es auf andere Strecken ausgedehnt. Auf einem Bahnhof will die BVG neue Überwachungstechnik testen.
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Das Display über dem Bahnsteig kündigt eine Zehnminutenlücke zwischen den nächsten beiden Zügen an, während die Prominenz mit dem Proletariat für die Fotografen posiert. Normalerweise müsste die U8 jetzt zur Mittagszeit am Alexanderplatz alle fünf Minuten fahren. Aber die Kundschaft der BVG muss seit Monaten damit leben, auf den Bahnhöfen oft mehr Zeit zu verbringen als früher. Umso wichtiger ist der Wohlfühlfaktor dort.
Im Februar hatte die BVG das „Pilotprojekt Reinigungsstreife“ auf der südlichen U8 getestet, die wegen sozialer Verwahrlosung – Junkies, Dealer, teils alkoholkranke Obdachlose – von immer mehr Fahrgästen als nahezu unbenutzbar empfunden wurde. Im Sommer wurde das Konzept auf die gesamte U8 ausgeweitet; jetzt folgt die dritte Phase. Dazu ist neben dem BVG-Vorstand einmal mehr der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auf den Bahnhof gekommen, um denjenigen zu danken, die hier unten tagtäglich unter oft unerfreulichen Bedingungen Dienst tun. Die BVG-Chefs wiederum wollen das Erfolgsmodell auf andere Linien übertragen und zugleich neue Methoden testen, um das Berliner U-Bahn-Netz für alle sicherer zu machen.
Die kombinierten Streifen sind jetzt auch auf der U5 und der U7 unterwegs
Geplant ist nach Auskunft von BVG-Vorstandschef Henrik Falk, die Teams aus Sicherheits- und Reinigungsleuten – gelegentlich mit Polizeibegleitung – nicht mehr nur auf der U8 einzusetzen, sondern auch auf der U7 zwischen den Bahnhöfen Neukölln und Yorckstraße sowie auf der U5 zwischen Alexanderplatz und Lichtenberg. Das Personal dafür soll teilweise von der nördlichen U8 abgezogen werden. Auf dem Südteil der Linie zwischen Alexanderplatz und Hermannstraße werde der Einsatz mit gleicher Intensität fortgesetzt.

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„Schritt für Schritt vorarbeiten“ wolle sich die BVG bei dem Test – auch um den künftigen Personalbedarf abschätzen zu können, sagt Falk. Mehrkosten fielen vorerst nicht an, weil „wir erst mal das, was wir haben, optimierter einsetzen“. Von den Kürzungen der schwarz-roten Koalition sei das Projekt „Reinigungsstreife“ nicht betroffen.
Die Motivation für die Ausweitung ziehen die BVG-Manager auch aus einer Fahrgastbefragung im Herbst: Von den rund 8000 Teilnehmern hätten 76 Prozent die Maßnahmen positiv beurteilt. Fast jede(r) Zweite habe auf der U8 die Präsenz von Reinigungs- und/oder Sicherheitspersonal bemerkt. 57 Prozent spürten den Effekt auch auf der nördlichen U8; 44 Prozent fühlten sich dort sicherer. Die Verbesserungen wirken laut dem BVG-Chef auch intern – weil das Personal weniger Angst haben müsse, dass sich unbefugte Personen in den Tunneln oder gar auf den Gleisen herumtreiben.
Die jetzt gestartete dritte Phase soll bis März dauern, fällt also in die für Obdachlose gefährlichste Zeit des Jahres. Man werde diese Menschen „nicht einfach nur rausschmeißen“, versichert Falk. Die Zusammenarbeit mit sozialen Trägern werde verstärkt, zusätzlich wolle man die Kleidersammlung von Stadtmission und Johannitern unterstützen.
Ganz neu ist das Konzept eines „Musterbahnhofs“, auf dem die BVG neue Technik testen will. Auserkoren dafür wurde das notorisch problematische Kottbusser Tor, wo künftig Kameras das unbefugte Betreten von Gleisen erkennen und die Leitstelle alarmieren sollen. Laut Falk will die BVG dort „weitere tolle Dinge probieren, die spannend sind“. Konkret soll ein Whatsapp-Kanal etabliert werden, auf dem Fahrgäste die Leitstelle über Vorfälle informieren können. Stadtweit will die BVG in den nächsten Monaten mit einer Kampagne über die richtige Nutzung der bereits vorhandenen Sicherheitseinrichtungen in ihren Fahrzeugen und auf den Bahnhöfen informieren.
Ein Reiniger des für die BVG tätigen Dienstleisters Sasse bestätigt am Rande des Pressetermins, dass die Streifen seine Arbeit angenehmer machten: Es helfe, wenn schnell jemand vom Sicherheitsdienst zur Stelle sei, wenn beispielsweise Betrunkene Ärger machten. Laut der BVG fühlt sich die Mehrheit der Reiniger durch den Einsatz der gemeinsamen Streife bei der Arbeit sicherer.
Sauberkeit und Sicherheit haben für den Senat hohe, wenn nicht gar höchste Priorität.
Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin
Regierungschef Kai Wegner versichert, dass und Sicherheit für den Senat „hohe, wenn nicht gar höchste Priorität“ habe. Das sei auch im Sinne der Mobilitätswende nötig. Er höre „überall, wo ich bin“, dass die Verbesserungen wahrgenommen würden. Zugleich erneuert Wegner sein Plädoyer für die Verdopplung der Speicherfrist von Videoaufnahmen auf 96 Stunden. „Der Senat ist sich da einig“, die Sache solle nach dem Jahreswechsel geregelt werden.
Parallel hat die BVG einige ihrer Sicherheitsleute testweise mit Bodycams ausgestattet, um Einsätze und Vorfälle besser zu dokumentieren. Das Projekt läuft nach Auskunft von Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe noch bis März und soll dann ausgeweitet werden. Die bisherige Resonanz spreche für eine „deeskalierende Wirkung“ der Kameras.
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