
© Bearbeitung Tagesspiegel/Katia Vásquez Pacheco
„Sie haben ja ein bisschen Zeit in der JVA“ : Berliner Rechtsextremist gesteht vor Gericht
Mehrere Gewalttaten werden dem mutmaßlichen Leiter der Neonazi-Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ vorgeworfen. Am ersten Prozesstag in Berlin zeigt sich Julian M. reumütig.
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Es wird auf einmal sehr still im großen Saal des Landgerichts, als auf einer Leinwand das Video einer Überwachungskamera aus einer Berliner S-Bahn abgespielt wird. Zu sehen ist Julian M. umringt von seinen Kameraden, kurz nach einer rechtsextremen Demonstration im Oktober in Berlin. Völlig unvermittelt greift die vermummte Truppe einen Fahrgast an, traktiert ihn mit Schlägen und Tritten. Der Angegriffene soll ein Emblem der Antifa an seiner Jacke getragen haben.
Fahrgäste versuchen einzugreifen, um den Gewaltexzess zu unterbinden, werden aber von den Neonazis zurückgehalten. Mindestens eine Überwachungskamera versuchten die vermummten Täter vorher abzukleben, andere übersehen sie. Die Aufnahmen sind eindeutig, wohl auch deswegen zeigte sich der mutmaßliche Rädelsführer der Gruppierung gleich am ersten Prozesstag geständig.
„Die Vorwürfe treffen in tatsächlicher Hinsicht zu, er bereut die Taten“, sagte sein Anwalt Mirko Röder gleich zu Beginn. Die Staatsanwaltschaft wirft Julian M. mehrere verübte Gewalttaten innerhalb von zwei Monaten vor. Dem 24-Jährigen werden unter anderem Bedrohung, räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung zu Last gelegt.
Leiter von „Deutsche Jugend Voran“
M. gilt als Leiter der rechtsextremen Organisation „Deutsche Jugend Voran“ in Berlin und Brandenburg. Die Gruppierung besteht vor allem aus jugendlichen Mitgliedern und entstand wie viele andere rechtsextreme Verbindungen in diesem Milieu im Frühsommer vergangenen Jahres.
Mit seinen Mitstreitern fuhr der junge Neonazi vor allem im Sommer zu rechtsextremen Demonstrationen in Bautzen, Görlitz, Magdeburg oder Oranienburg. Auch dort trat M. wiederholt als tonangebender Anpeitscher auf. Viele seiner Kameraden schlugen gemeinsam mit M. zu. Die angeklagten Gewalttaten gehen alle auf das Konto verschiedener Mitglieder von „Deutsche Jugend Voran“, die teilweise gesondert von den Behörden verfolgt werden.
Die Beweislage ist auch deswegen erdrückend, weil neben der Videoaufnahmen aus der S-Bahn auch verschiedene Sprachnachrichten vor Gericht abgespielt wurden, die M. via WhatsApp versendet haben soll. In einer dieser Sprachnachrichten belegt er eine Aussteigerin seiner Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ mit Todesdrohungen.
Scheinhinrichtung in Hellersdorf
In einer weiteren Audiobotschaft aus dem vergangenen Herbst prahlt der 24-jährige Angeklagte mit einem brutalen Angriff auf einen Mann an einer Bushaltestelle in Hellersdorf. Hintergrund ist offenbar, dass dieser mal Streit mit Ms. Ex-Freundin hatte. Eine geplante Racheaktion.
„Zack auf die Fresse“, ist M. in der Aufnahme zu verstehen. Dann erzählt er übermütig, dass er seine Waffe gezogen habe. „Ich erschieß dich, ich erschieß dich“, habe er dann zu seinem Opfer gesagt, erzählt M. in der Sprachnachricht. Der attackierte Mann kann sich schließlich in einen Bus der BVG retten, bei der Waffe handelte es sich um eine Luftdruckpistole.
Nach etwa einer Stunde beendet die Richterin den ersten Prozesstag. Nicht ohne M. einen Rat mitzugeben. „Lesen Sie sich in die Akten ein“, sagt die Vorsitzende, „Sie haben ja ein bisschen Zeit in der JVA“. Seit einer Großrazzia im Oktober sitzt M. in Untersuchungshaft. Am Freitag wird weiter verhandelt, dann werden auch erste Zeugen angehört. (mit dpa)
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