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Der Berliner Aktionskünstler Ben Wagin.

© Jörg Carstensen/dpa

Skurriler Streit um Ben Wagins Grabstätte: Wo der Berliner Künstler beerdigt wird, ist völlig unklar

Wo wird der verstorbene Bildhauer Ben Wagin begraben? Zwischen einer Malerin und Wagins Verein „Baumpaten“ gibt es einen etwas mysteriösen Streit.

Ben Wagin ist tot, das ist gesichert. Der berühmte Bildhauer und Umweltaktivist starb am 28. Juli im Alter von 91 Jahren. Noch völlig unklar ist allerdings, wo der Schöpfer des „Parlaments der Bäume“, einer Installation zum Gedenken an die Mauertoten im Berliner Regierungsviertel, bestattet wird. Um den Ort des Grabes ist ein Streit entbrannt, der schon skurrile Züge trägt.

Kontrahenten sind dabei die Brandenburger Malerin und Aktionskünstlerin Nicole Siebert und der Verein „Baumpaten“, den Wagin gegründet und bis zu seinem Tod geleitet hatte. Siebert hatte in Eigenregie Anfang der Woche für Wagin eine Grabstelle auf dem Dorotheenfriedhof in der Chausseestraße in Mitte organisiert. „Der Platz ist gesichert, die Grabstelle für Ben Wagin steht bereit“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Die Chausseestraße wäre durchaus ein passender Platz für Wagin. Dort sind viele Prominente bestattet, darunter der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der Schriftsteller Heinrich Mann, der Regisseur Heiner Müller, der Dramatiker Bertolt Brecht und die Schauspielerin Helene Weigel. Auch Alt-Bundespräsident Johannes Rau liegt hier.

Siebert hatte seit 2015 mit Wagin zusammengearbeitet, für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Wagin auf einem Prominenten-Fiedhof begraben werde. „Er hat mich zwar ab und zu geärgert“, sagte sie, „aber ich habe einen Blick auf das Ganze, auf sein Werk. Solche geniale Menschen wie ihn gibt es nicht viele“.

Wagin lebte in Tiergarten und arbeitete in Kreuzberg

Zudem habe Wagin sein Leben immer im Dreieck S-Bahnhof Tiergarten, in dessen Nähe seine Wohnung lag, dem Anhalter Bahnhof in Kreuzberg, Sitz seines Ateliers, und dem „Parlament der Bäume“ verbracht. Der Dorotheenfriedhof liege dazu passend in der Nähe dieses Dreiecks.

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Allerdings kann man sich nicht einfach dazu entscheiden, dort begraben zu werden. Man muss entweder Mitglied der Akademie der Künste gewesen sein oder eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Wagin war nie Akademie-Mitglied, aber Siebert erklärte, sie habe in Abstimmung mit der Präsidenten der Neuen Nationalgalerie, Joachim Jäger, und der Führungsspitze der Akademie der Künste eine Ausnahmegenehmigung erreicht.

Auch Wagins Nachbar favorisiert den Dorotheenfriedhof

Auch Andreas Tesch, ein Bauingenieur, der 35 Jahre lang über Wagin gewohnt hatte, unterstützt den Plan, den Bildhauer auf dem Dorotheenfriedhof zu begraben. „Ben war ein West-Berliner, der gehört nach Berlin, sein ganzes Wirken ist mit Berlin verbunden“, sagte er dem Tagesspiegel. Er bezeichnete sich als "guten Nachbarn, aber nicht als engen Freund" von Wagin. Der Friedhof liege in der Nähe seines „Parlaments der Bäume“, das sei ideal. In der Chausseestraße hätte „sein Wirken einen weiteren Platz gefunden“.

[Lesen Sie mehr: Ein Mann wie ein Baum: Ben Wagin – Berlins liebenswertester Anarchist (T+)]

Doch im Gespräch ist angeblich auch Seddiner See in Brandenburg. Das will jedenfalls Nicole Siebert aus den Reihen des Baumpaten-Vereins erfahren haben, „indirekt“. Der Verein präferiere den Ort im Landkreis Potsdam-Mittelmark als letzte Ruhestätte. Warum ausgerechnet Seddin, ist unklar, Siebert weiß darauf keine Antwort. Der Baumpaten-Verein kommuniziere nicht mit ihr.

Auch Wagins Erbe ist ungewiss

Der Verein könnte die Frage nach der Grabstelle leicht beantworten, aber stattdessen verweigerte er auch im Gespräch mit dem Tagesspiegel jeden Kommentar, stattdessen wird auf eine Pressemitteilung verwiesen, die irgendwann erscheinen werde. Der Grund für diese Geheimniskrämerei ist unklar. Die eigentlich eher banale Frage nach dem Ort der Grabstätte bekommt so einen mysteriösen Anstrich.

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Die kann allerdings nur deshalb entstehen, weil Wagin weder Frau noch Kinder hatte und derzeit unklar ist, wer seine Sachen und Werke erbt und damit auch die Grabstelle festlegt. Ob er jemals über seine letzte Ruhestätte gesprochen hat, ist nicht klar. Wagin war als chaotisch bekannt, Siebert überraschte es nicht, wenn er kein Testament hinterlasse hätte. Letztlich fiele das Erbe dem Land Berlin zu, und den Ort der Grabstelle müsste der Bezirk Mitte festlegen.

Die Option mit der Chausseestraße könnte aber erst mal sehr schnell wegfallen. Nicole Siebert plant, „dass ich am Donnerstag meine Reservierung für die Grabstelle auf dem Dorotheenfriedhof zurückziehe“.

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