zum Hauptinhalt
Viel Trubel: Blick auf den Eingang der Spandau-Arcaden.

©  Ralph Peters / Imago

Kriminalität in Berliner Einkaufszentren: Spitzenreiter Spandau Arcaden

1368 Straftaten in einem Jahr – in keinem Einkaufszentrum werden so viele Delikte gemeldet wie in Spandau. Doch ein Ortsbesuch vermittelt ein anderes Bild.

Das hier soll ein Ort mit besonders vielen Straftaten sein? Davon haben sie noch nie was gehört, die jungen Männer, die sich vor der Saturn-Filiale in den Spandau Arcaden versammelt haben. Sie sind keine Jugendbande, wie man vielleicht nach den jüngsten Kriminalitätszahlen aus Berliner Einkaufszentren vermuten könnte. Sondern Gamer, Computerspieler. Sie treten bei einem PlayStation-Turnier gegeneinander an. Ersan Ocak ist einer von ihnen. Er wohne in der Nähe, besuche die Arcaden häufig. Gefährlich sei es hier nicht. Gewalttaten habe er hier „noch nie erlebt“, sagt Ocak.

Diese Begegnung vor ein paar Tagen scheint so gar nicht zu einer neuen Liste aus der Innenverwaltung zu passen, die vergangene Woche veröffentlicht wurde. „Wie viele Straftaten wurden zwischen 2014 und 2018 in den Shopping-Malls verübt?“ lautete die Frage, die der Abgeordnete Marcel Luthe (FDP) beantwortet haben wollte.

Die Verwaltung antwortete mit einer Auflistung für 48 Einkaufszentren. Die Summe der Straftaten war hoch. Dennoch teilte die Polizei mit: Einkaufszentren seien keine Kriminalitätsschwerpunkte, sondern sogar besonders sicher. Wie passt das zusammen?

Alleine in den Spandau Arcaden, dem Spitzenreiter der Liste, wurden laut Innenverwaltung im Jahr 2018 insgesamt 1368 Straftaten angezeigt. Das sind 3,75 Delikte pro Tag – mehr als in allen anderen Shopping-Centern. Danach folgen das Alexa mit 1008 Delikten und das Gesundbrunnen-Center mit 859 Straftaten im Jahr 2018.

„Die Bürger fühlen sich sehr sicher in Einkaufszentren“, kommentiert Luthe die Zahlen. Doch das Gefühl sei trügerisch, wie die „teils erschreckenden Zuwächse bei Gewalt- und Sexualdelikten“ zeigten. Der FDP-Innenexperte fordert daher mehr Polizeipräsenz.

Überwachungskameras hält Luthe für ineffektiv. Die hohe Zahl von Straftaten zeige, dass Kameras keine Taten verhindern könnten. „Sicherheit im öffentlichen Raum ist Kernaufgabe des Staates“, sagt Luthe. „Wenn der Schutzmann jederzeit um die Ecke kommen kann“, mache das immer noch am meisten Eindruck auf potenzielle Täter.

„Wenn wir die Ladendiebstähle abziehen, fallen die Zahlen immens“

„Die Präsenz von Polizei wirkt der Kriminalität entgegen“, sagt auch Thilo Cablitz, Sprecher der Berliner Polizei. Die Sicherheit in Einkaufszentren bewertet er jedoch ganz anders als Luthe. Mehr als die Hälfte der aufgelisteten Straftaten seien Eigentumsdelikte. „Wenn wir die Ladendiebstähle abziehen, fallen die Zahlen immens.“ Bei den Anzeigen in den Spandau Arcaden beispielsweise handele es sich in mehr als 60 Prozent der Fälle um Diebstähle. 840 Mal wurde geklaut.

Gefährlich für die Bürger seien aber vor allem Gewaltdelikte. Deren Zahl sei in den Shopping-Centern „verschwindend gering“, verglichen mit anderen öffentlichen Orten in der Großstadt. Sie seien auch nicht signifikant gestiegen. 2018 wurden in den Spandauer Arcaden 44 Fälle von Körperverletzung angezeigt, zwölf Raubdelikte und acht Sexualstraftaten.

Zum Vergleich: Im Gebiet Alexanderplatz, einem „kriminalitätsbelasteten Ort“, zählte die Polizei insgesamt 668 Körperverletzungen im Jahr 2017. Und am Kottbusser Tor waren es 328.

„Die Spandau Arcaden liegen direkt am Verkehrsknotenpunkt Bahnhof Spandau“, sagt Center-Manager Volker Ahlefeld. Deshalb kämen hier viele Menschen zusammen. Dadurch gäbe es viele Strafanzeigen. Die würden dann unter der Anschrift der Arcaden registriert, stünden aber nicht unbedingt in Zusammenhang mit dem Einkaufszentrum. Zum Beispiel führten Großveranstaltungen wie Fußballspiele regelmäßig zu Polizeieinsätzen mit „Delikten jedweder Art“.

Danilo Hoffmann ist Verkäufer im Bekleidungsgeschäft „Jack & Jones“ in den Arcaden. Dass sein Arbeitsplatz an einem gefährlichen Ort sein soll, habe er erst aus der Presse erfahren. Das habe ihn gewundert, denn Gewalt habe er hier nie erlebt. In seinem Laden gäbe es nur sehr selten Diebstähle. Bis vor einigen Monaten habe er in einem Neuköllner Center gearbeitet. Dort sei viel mehr geklaut worden. Doch im Kiez um die Karl-Marx-Straße würden nicht alle Ladendiebstähle zur Anzeige gebracht, vermutet Hoffmann. „Vielleicht gibt es in Spandau mehr Anzeigen, weil die Leute sehr aufmerksam sind.“

Auf dem Platz vor dem Center steht eine Bratwurstbude. Gefährlich sei es hier nicht, sagt die Verkäuferin. Manchmal prügelten sich abends Betrunkene. Aber die Bundespolizei aus dem Bahnhof sei dann immer schnell zur Stelle. Am Park vor dem Bahnhof steht ein Mannschaftswagen der Polizei. „Wir zeigen hier einfach Präsenz“, sagt der Gruppenführer, auch mit Fußstreifen. Der Schutzmann kommt also hin und wieder um die Ecke, so wie Marcel Luthe es fordert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false