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Polizeibeamte im S-Bahnhof Neukölln, nachdem dort Sprengstoff gefunden worden war.

© dpa/Soeren Stache

Sprengstoff-Fund in Berlin-Neukölln: Polizisten hielten hochexplosives Kristallpulver erst für Drogen

Die Bundespolizisten, die am S-Bahnhof Neukölln eine Tasche mit Sprengstoff fanden, entgingen wohl nur knapp einer Explosion. Offenbar hielten sie das TATP zunächst für Drogen.

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Jetzt wird klar, was beim Sprengstofffund auf dem S-Bahnhof Neukölln am vergangenen Mittwoch schieflief und warum die Berliner Polizei erst spät informiert wurde. Offenbar hielten die beiden Bundespolizeibeamten das explosive Pulver zunächst nicht für Sprengstoff. Nur durch Glück ist der Sprengsatz nicht gleich hochgegangen. Sicherheitskreise bestätigten einen entsprechenden Bericht der „Bild“. Die Bundespolizei erklärte, dass sie sich „aus einsatztaktischen Erwägungen“ nicht dazu äußert.

Zwei Bundespolizisten überprüften am Mittwoch um 15.45 Uhr auf dem Bahnsteig zwei Männer, es war eine „verdachtsunabhängige Kontrolle“. Doch die beiden rannten sofort los und flohen vor den Beamten über die Gleise. Einer der Männer ließ eine Tasche fallen und damit den Inhalt zurück.

In der Tasche befand sich ein in Plastikfolie eingewickeltes Paket, darin ein helles kristallines Pulver. Daneben lagen zwei leere Plastikflaschen, um die Drähte gewickelt waren, und eine Tüte mit Kabeln. Aber auch ein gestohlener polnischer Ausweis.

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Zunächst sollen die Beamten aber gar nicht daran gedacht haben, dass es sich um Sprengstoff handelt. Stattdessen sollen sie ein Loch in das Päckchen geschnitten haben, um einen Drogen-Schnelltest vorzunehmen. Der verlief jedoch negativ.

Die Beamten sollen nach der internen Auswertung der Behörde nur knapp einer Katastrophe entgangen sein. Denn es handelte sich um den Sprengstoff TATP (Triacetontripedroxid). In Sicherheitskreisen und im Nahen Osten heißt er nur „Mutter des Satans“, ist bei Islamisten beliebt für Terroranschläge.

TATP ist leicht herzustellen – aber schon das ist hochriskant. Das sogenannte „Selbstlaborat“ ist chemisch sehr instabil, kleinste Erschütterungen und Schläge führen zur Explosion. Seine Sprengkraft entspricht zu 80 bis 100 Prozent der von TNT.

Doch offenbar hatten nicht nur die beiden Polizisten, sondern auch zahlreiche Fahrgäste auf dem Bahnhof großes Glück. Die 500 Gramm TATP sollen frisch hergestellt, noch feucht, die Kristalle noch nicht voll ausgebildet und damit noch etwas weniger fragil gewesen sein.

Um 16.15 Uhr sollen die Beamten dann die Entschärfer der Bundespolizei angefordert haben. Gegen 17 Uhr sollen die Experten dann beim Röntgen der Tasche Teile für einen Zünder entdeckt haben. Erst dann soll die Berliner Polizei über den Fund informiert worden sein, wie der Tagesspiegel erfuhr. Dann musste es schnell gehen: Denn der Stoff wurde immer gefährlicher, das Paket musste im nächstgelegenen Park Thomashöhe in die Luft gejagt werden.

Dank DNA-Spuren und Bildern konnten die Ermittler die beiden flüchtigen Männer schnell identifizieren. Beide, ein Pole und ein Moldauer, jeweils Anfang 30, sind als Geldautomatensprenger polizeibekannt. Die Staatsanwaltschaft verzichtet aus ermittlungstaktischen Gründen vorerst darauf, mit Bildern nach ihnen zu fahnden.

Experten und Polizisten fragen sich jedoch, warum mutmaßlich erfahrene Automatensprenger einfach so mit einem hochgefährlichen Stoff mit der S-Bahn durch Berlin fahren. Mit 500 Gramm TATP würde auch bei Geldautomaten nicht mehr viel übrigbleiben, auch nicht von den Geldscheinen, wie Experten erklären. Eine Explosion auf dem Bahnsteig hätte verheerende Folgen für umstehende Personen gehabt. Zum Vergleich: Eine übliche Handgranate beim Militär hat um die 40 Gramm TNT. Das gefundene TATP hätte mindestens die zehnfache Sprengkraft gehabt.

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