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Lamborghinis sind im Clan-Milieu beliebt.

© Gestaltung: TSP; Fotos: imago images (2)

Spuren führen ins Clan-Milieu: Berlin geht gegen Vermieter von Luxusautos und Fluchtwagen vor

Fluchtwagen, Kokstaxis, Autorennen und Protzfahrten: Das Landeskriminalamt führt ein europaweites Projekt gegen kriminelle Autovermieter an. Deren Zahl in Berlin steigt.

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Das Berliner Landeskriminalamt (LKA) verschärft den Kampf gegen dubiose Autovermietungen. Bei einer Sonderanalyse stellten die Experten des LKA im vergangenen Jahr Spuren ins Clan-Milieu fest. Demnach haben von den 2000 Berliner Autovermietungen mit rund 60.000 Fahrzeugen rund 60 Firmen mit ihren rund 2200 Autos Verbindungen zur Clankriminalität. Vor zwei Jahren waren es 40 verdächtige Vermieter.

Berlin hat laut Senatsinnenverwaltung beim Einschreiten gegen die Geschäfte solcher Vermieter eine Vorreiterrolle. Deshalb leitet das LKA nun für zwei Jahre ein europaweites Projekt namens „Rent“. Mit dabei sind die europäische Polizeibehörde Europol, die Niederlande, Italien und Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen, aber auch die Versicherungswirtschaft. Eine Million Euro fließen dafür von der Europäischen Union.

Autos dienen als Rennfahrzeuge, Koks-Taxis und Fluchtwagen

Oft sind es teure und PS-starke Autos nobler Marken. Überwiegend junge Männer, die bei den großen Vermieterketten solche Wagen gar nicht erst bekämen, kommen nur über kleine Anbieter an die Fahrzeuge heran.

Ermittlern fallen regelmäßig Clan-Sprösslinge auf, die eigentlich Sozialleistungen bekommen und sich trotzdem Luxuswagen ausleihen. Sei es, um zu protzen, denn die Wagen dienen auch als Herrschaftssymbol und sichern im Milieu Anerkennung. Oder aber für sogenannte Profilierungsfahrten, also Autorennen. Nicht selten kommt es zu schweren Unfällen.

Obendrein vermieten einige Anbieter ihre Wagen gezielt an Kriminelle – als Fluchtwagen für Einbrüche, Raub, Überfälle auf Geldtransporter oder Kokstaxi-Fahrten. Die Ermittler sprechen vom Phänomen „Crime as a service“ – also Kriminalitätsdienstleistung.

Einige Autovermieter hätten teils einzig die Aufgabe, ihre Dienste Kriminellen anzubieten oder allein zum Zweck der Geldwäsche. Weit verzweigte Strukturen führen häufig dazu, dass Ermittler nicht einmal feststellen können, wer einen Mietwagen, der als Fluchtauto genutzt wird, gefahren hat.

Durchsuchungen bei bekannter Großfamilie in Neukölln

Gegen einen der 60 verdächtigen Vermieter sind Staatsanwaltschaft und Polizei bereits vorgegangen. Im Januar durchsuchten Ermittler in Süd-Neukölln eine Firma, vier Männer stehen unter Verdacht. Der Kopf der Bande ist Mitglied der berüchtigten arabischen Großfamilie Miri. Es geht um Versicherungsbetrug, Krediterschleichung, Sozialleistungsbetrug und Geldwäsche.

Die Männer sollen die Autos als Privatwagen versichert haben, was deutlich günstiger war als Mietwagen. Um 45.000 Euro sollen sie damit die Versicherung betrogen haben. Die Ersparnis soll in weitere Autos geflossen sein.

Zudem soll weitere Beute aus Straftaten in die Firma gewaschen worden sein. Bei der Razzia fanden die Ermittler auch ein Koks-Taxi. Auch Drogen wurden gefunden und ein Vermögen von 250.000 Euro beschlagnahmt. Durch Betrug sollen sie sich auch Kredite in Höhe von 400.000 Euro erschlichen haben.

Berlins Innensenatorin will gegen organisierte Kriminalität vorgehen

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bezeichnete das vom LKA initiierte Projekt als wichtigen Baustein im Kampf gegen Clankriminalität. Damit solle die organisierte Kriminalität an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen werden: bei Geld, Status und Prestige.

Spranger erhofft sich davon einen wichtigen Schlag gegen Geldwäsche und Versicherungsbetrug. „Außerdem steigern wir dadurch die Sicherheit auf den Berliner Straßen“, sagte die Innensenatorin. Gerade die Wagen der dubiosen Autovermieter fielen durch aggressives Verhalten der Fahrer, Raserei und fehlender Rücksichtnahme auf. Die schwächsten Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Familien, Kinder und Senioren, müssten davor geschützt werden, sagte Spranger.

Die Ermittler setzen darauf, mit dem Projekt die Strukturen auszuleuchten. Die Niederlande etwa sind dabei, weil dort bereits härter vorgegangen wird gegen kriminelle Vermieter. Zudem beklagen sich die Behörden dort, dass etwa Banden, die gewerbsmäßig Geldautomaten sprengen, inzwischen auf deutsche Vermieter für ihre Tatfahrzeuge zurückgreifen.

Auch das Bundesinnenministerium ist Teil des Projekts. Die Senatsinnenverwaltung will neue rechtliche Vorgaben anstoßen, etwa dass Autovermieter sich ihr Geschäft von den Behörden genehmigen lassen müssen. Bislang reicht es, die Vermietung anzumelden. Auch sind Vermieter nicht wie Banken oder Versicherer verpflichtet, Hinweise auf Geldwäsche zu melden. Angestrebt wird auch eine Regulierung des Markts. So könnten neue Vorgaben zur Dokumentation der Geschäfte kommen. Einige Vermieter verschleiern ihre Strukturen bis in Ausland. Auch Leasingfirmen erleiden dadurch Verluste.

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