zum Hauptinhalt
Von oben betrachtet ist von den „mehreren hundert“ Baumängeln am Marthashof nichts zu erkennen.

© Vincent Schlenner

Exklusiv

Marthashof in Berlin-Prenzlauer Berg: Stilvoll in die Insolvenz

Stefanel und Stoffel sind das Glamourpaar des Berliner Wohnungsbaus. Mit einem Luxusbauprojekt am Mauerpark haben sie keine Fortune.

Giovanna Stefanel und Ludwig Stoffel sind so etwas wie das Glamourpaar des Bauens in Berlin. Die Chef-Designerin des gleichnamigen italienischen Textilkonzerns und ihr Mann, Spross einer bayerischen Lebensmittelhändler-Dynastie, sind auf dem roten Teppich von Society-Events zu sehen, bauten und betreiben in Nepal eine Unterkunft für obdachlose Kinder – und traten mit der Baufirma „Stofanel“ an, das schicke Wohnen in Berlin zu revolutionieren. Aber jetzt das: Über zwei Firmen ihrer Gruppe hat das Amtsgericht Charlottenburg Insolvenzverfahren eröffnet.

Ausgerechnet „wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung“ läuft das Verfahren. Betroffen sind die Firmen, die in Prenzlauer Berg den Bau des Marthashofs verantworten. Das vor zehn Jahren gestartete Projekt umfasst 154 Eigentumswohnungen. „Luxusobjekte“ schimpften Kritiker diese, und vor vier Jahren traf das Quartier sogar den Anschlag von „Gentrifizierungsgegnern“: 28 Fensterscheiben zertrümmerten sie aus Protest gegen „Vertreibung durch Aufwertung von Wohngebieten“. Dabei sind die Bewohner des Marthashofs gestraft genug: Hunderte von Baumängeln beklagen sie bis heute – diese Altlast will Stofanel mit der Insolvenz loswerden.

„Die Anmeldung der Insolvenz kam überraschend“, sagt Rechtsanwalt Peter Kreillinger. Er vertritt drei der sechs Eigentümergemeinschaften im Wohnprojekt Marthashof und sagt: „Wir waren mitten in den Vergleichsverhandlungen und sehr weit fortgeschritten.“ Eine Behebung aller Schäden an den Häusern käme den prominenten Wohnungsunternehmern wohl teuer zu stehen: In jeder der von Kreillinger vertretenen Wohnungseigentümer-Gemeinschaften seien mehrere hundert Mängel vorhanden, darunter aber auch Kleinigkeiten. Das meiste sollte durch Zahlungen entschädigt werden, die wichtigsten Mängel sollten Handwerker beseitigen. Soweit seien sich Käufer und Verkäufer einig gewesen.

Glamourpaar des Bauens. Das Unternehmerduo Ludwig Stoffel und Giovanna Stefanel-Stoffel.
Glamourpaar des Bauens. Das Unternehmerduo Ludwig Stoffel und Giovanna Stefanel-Stoffel.

© imago/Metodi Popow

Fassaden sollen "systemische Mängel" haben

Zu den ganz großen Baumängeln zählen Kreillinger zufolge die Fassaden. Diese hätten „systemische Mängel“, die man nur beheben könne, indem die Häuser neu verputzt werden. „Eine siebenstellige Summe“ würde das wohl kosten. Zumal wegen des Baubooms Handwerker schwer zu finden sind und deshalb hohe Preise verlangen. Richtig teuer könne auch der Wasserschaden in der Tiefgarage kommen. Denn wo genau die Feuchtigkeit eindringt, ist unklar. Da die ausführende Baufirma insolvent sei, habe Stofanel allein dagestanden.

Dass die Mängel bestehen, darüber bestehe kein Streit mit Stofanel, sagt Kreillinger. Im Gegenteil, die Firma habe ihrerseits die bauausführenden Firmen gerichtlich belangt. Aber die Verfahren seien wohl nicht so zügig verlaufen, wie Stofanel gehofft habe. Mit der Pleite der Projektgesellschaft sowie der mit ihr verbundenen Projektverwaltungsgesellschaft sei jetzt der Insolvenzverwalter am Zuge.

Der vom Amtsgericht Charlottenburg bestellte „Sachwalter“ Sven Kirchner erklärt: „Die insolvente Stofanel Projektentwicklung GmbH&Co Marthashof Berlin KG hat einen Insolvenzplan eingereicht, jetzt prüfen wir diesen“. Kirchners Aufgabe ist es, die Interessen der Gläubigergesamtheit, also auch der Wohnungskäufer, zu wahren. Dazu muss er den Sanierungsplan vom Chef der insolventen Firma prüfen. Nur wenn dieses Angebot für die Gläubiger wirtschaftlich nicht schlechter ist als eine reguläre Insolvenz, kommt es zu einer Abstimmung über den Insolvenzplan. „In ein paar Wochen“ werde es so weit sein.

In einer ersten Informationsveranstaltung hat Kirchner die Wohnungskäufer erlebt. Es sei teils „sehr emotional“ zugegangen. Viele Eigentümer wohnten selbst in den Marthashöfen. Einige hätten ihre Wohnung als Alterssicherung gekauft und nach eigenen Auskünften „alles was sie hatten reingesteckt“. Der anhaltende Streit über die Baumängel gehe an die Substanz. Auszuschließen sei es nicht, dass beide Firmen endgültig Pleite gehen: Wenn es keine Mehrheit für den Sanierungsplan gibt, komme es so.

Was erwartet die Marthashof-Bewohner?

Pleite seien die beiden Firmen nicht, sagt der Geschäftsführer der Projektgesellschaft Marthashof. Andreas Hambach spricht lieber von einem „Schutzschirmverfahren“. Soll heißen: Die Geschäftsführung habe mit dem Sanierungsberater Daniel Wozniak und dem gerichtlich eingesetzten Sachwalter Kirchner ein Sanierungskonzept gestrickt. Das soll den Streit um Mängel und deren Beseitigung beenden. Nur wenn das scheitere, gehe es in die „Regelinsolvenz“.

Warum Hambach die Sanierung nicht gleich mit den 154 Käufern der Eigentumswohnungen direkt verhandelt hat? „Weil auch in drei Jahren keine Einigung mit allen zu finden ist.“ Und so lange sei die Wohnanlage baurechtlich nicht „abgenommen“ und die Marthashof-Gesellschaft bleibe in der Verantwortung. Das nun gewählte Verfahren habe den Vorteil, dass nicht alle Wohnungseigentümer dem Angebot zustimmen müssen, sondern nur die Mehrheit der Gläubiger. Und damit rechnet Hambach.

Was die Bewohner des Marthashofs zu erwarten haben? „Unsere Gruppe investiert noch einmal freiwillig einen bedeutenden Betrag“, sagt Hambach – ungefähr an der Millionengrenze. Außerdem überlasse sie den Eigentümern mehrere Millionen Euro „Restkaufpreise“ an den Wohnungen. Dabei handelt es sich um die letzten Raten von Käufern, die erst bei Beseitigung aller Mängel – oder eben bei einer Einigung – fällig werden.

Außerdem biete Stofanel die Abtretung aller Rechte aus den bereits laufenden Prozessen gegen die Handwerksfirmen an die Wohnungskäufer. Allerdings müssen diese die Gerichtsfehden aus der eigenen Kasse zu Ende führen. Darunter sind Prozesse gegen die Hersteller der mangelhaften Fassade und gegen die Malerfirma. Ausgang ungewiss, zumal die Firmen selbst pleitegehen könnten, wenn sie den Prozess verlieren – dann blieben die Eigentümer auf allen Kosten sitzen.

Hambach findet das trotzdem eine faire Lösung. Zumal Stofanel bereits einen „Verlustvortrag“ von knapp 8,5 Millionen Euro in der Bilanz des Konzerns (Stoffel Holding) beklagt. Hambach zufolge stammen diese Verluste aus dem Projekt Marthashof. Verdient an der frühen „Gentrifizierung“ Prenzlauer Bergs, wie Kritiker das Bauvorhaben nannten, hätten vor allem Käufer. Die ersten hätten ihre Wohnungen schon wieder zum Verkauf angeboten für fast 6000 Euro pro Quadratmeter. Bezahlt hatten sie nach der Fertigstellung um 2011 herum nur gut die Hälfte: 3500 Euro.

Zur Startseite