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Stimmungsmache gegen angebliche Trickbetrüger: Wie Neonazis für eine Demonstration durch Berlin mobilisieren
Rechtsextremisten und Neonazis wollen Ende November durch Berlin marschieren – angeblich, um vor Trickbetrug zu warnen. Hinter dem Aufruf verbirgt sich ein rassistisches Narrativ.
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Bei jungen Rechtsextremen und Neonazis in Berlin handele es sich „nicht um ein vorübergehendes Phänomen“, sagte Innen-Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) jüngst im Ausschuss für Verfassungsschutz. Er sollte Recht behalten: Nach kürzlichen Razzien und Festnahmen im Umfeld der Neonazi-Gruppe „Deutsche Jugend voran“ (DJV) hat sich diese offenbar konsolidiert und bläst gemeinsam mit der rechtsextremen Partei „Die Heimat“ und deren Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) zum nächsten Protest in der Hauptstadt.
Am 29. November will das Bündnis durch Berlin-Mitte marschieren. Man wolle auf „Betrüger“ „Hütchenspieler“ „Spendensammler“ und „Rosenverkäufer“ aufmerksam machen, heißt es in einem Demo-Aufruf, den „Die Heimat“ auf Instagram veröffentlichte.
Was erst einmal klingt wie eine Recruiting-Veranstaltung für das Dezernat für Wirtschaftskriminalität, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als rassistische Stimmungsmache. „Kriminelle Ausländer raus“, heißt es ebenfalls in dem Demo-Aufruf.
NPD-Nachfolger meldete Demonstration an
Starten soll die Demonstration um 13 Uhr am Berliner Dom, eine Abschlusskundgebung ist um 15.30 Uhr am Brandenburger Tor geplant. Angemeldet wurde der Protest mit 100 Teilnehmern durch den Berliner Ableger der NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“, sagte ein Polizeisprecher auf Nachfrage.
Rassistische Ressentiments mit einem angeblichen Kampf gegen Trickbetrug in Großstädten zu verknüpfen, ist eine neue Strategie extrem rechter Akteure. Der YouTuber „Kurt Caz“ beispielsweise verbreitet Videos, in denen er europäische Großstädte bereist und angebliche Trickbetrüger teils verbal, teils physisch angreift. Gleichzeitig spricht er von einer Überfremdung Europas. Die Beiträge werden millionenfach geklickt.
Auch „Die Heimat“ veröffentlichte auf Instagram ein Video, in dem „drei Kameraden der DJV“ durch Berlin-Mitte laufen, migrantisch gelesene Frauen verfolgen und diese als Taschendiebinnen und Trickbetrügerinnen bezeichnen. Belege für den angeblichen Trickbetrug werden an keiner Stelle geliefert. Der Beitrag erhielt über 4000 „Gefällt mir“-Angaben.
Den Erfolg des Trickbetrüger-Narratives in sozialen Medien will das rechtsextreme Bündnis nun offenbar nutzen, um für den Protest in Berlin zu mobilisieren. Laut dem Bündnis „Berlin gegen Nazis“ planen die „Omas gegen Rechts“ eine Gegendemonstration am Lustgarten. Nach Angaben des Polizeisprechers haben Einzelpersonen 200 Teilnehmende bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Um 12.30 Uhr soll die Gegendemo starten.
„Die Heimat“ will offenbar zurück zur Relevanz
Die Partei NPD benannte sich 2023 in „Die Heimat“ um. Im Berliner Verfassungsbericht 2024 wird sie als „mitgliederstärkste Partei innerhalb des traditionellen Rechtsextremismus“ in der Hauptstadt bezeichnet. Innerhalb der Szene habe sie aber in den letzten Jahren an Relevanz verloren. Sie ist in Teilen neonazistisch ausgerichtet.
Jüngst scheiterte ein Versuch der Partei, die Spendensammlung für Adventslichter am Ku’damm zu kapern. Eine stärkere Vernetzung mit rechtsextremen Jugendgruppen, die im Gegensatz zu den alten Kadern Zulauf erhalten, ist offenbar der nächste Versuch, Relevanz zurückzuerlangen. Die Jungen Nationalisten (JN) sind die Jugendorganisation der Partei.
Die JN zählen zu einer neuen Generation der extremen Rechten, genau wie „Deutsche Jugend Voran“ (DJV). Diese Organisation entstand im Frühjahr 2024 und gilt als besonders gewaltbereit. Der Verfassungsschutz Berlin stuft sie als „gesichert rechtsextrem“ ein.
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