
© Mike Wolff TSP
Streit um Tierversuche in der Forschung: Wie sinnvoll ist das Berliner Verbandsklagegesetz?
Bestimmte Vereine dürfen seit vier Jahren für Labormäuse vor Gericht ziehen. Die Senatsjustizverwaltung evaluierte das umstrittene Tierschutzverbandsklagegesetz. Das sind die Schlüsse.
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Seit Jahren geraten Laborforscher und Tierschützer in Berlin aneinander. Die Stadt ist eines der deutschen Medizin- und Pharmazentren, weshalb Wissenschaftler hier experimentell mit Tieren arbeiten. Die Forscher stören sich an dem im Jahr 2020 unter dem rot-rot-grünen Senat eingeführten Tierschutzverbandsklagegesetz.
Jetzt liegt dazu eine Evaluation der Justizverwaltung vor. Auch nach vier Jahren habe das Gesetz nur „geringe Auswirkungen“ auf den Tierschutz, heißt es in dem Bericht. Die für die Labore zuständigen Kontrolleure der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht im Bezirksamt Mitte und des Landesamtes für Gesundheit und Soziales leisteten „ausgezeichnete Arbeit“ – zur Durchsetzung des Rechts brauche es die ermächtigten Tierschutzverbände nicht.
Der Verwaltungsaufwand ist in Relation zum Tierschutz kritisch zu beurteilen.
Senatsjustizverwaltung über das Tierschutzverbandsklagegesetz
Sieben Organisationen, darunter Peta und die „Tierversuchsgegner Berlin und Brandenburg“, dürfen stellvertretend für Tiere klagen. Die Vereine strengten jedoch nur wenige Verfahren an, schreiben die Prüfer, man sehe keine „grundlegenden Differenzen“ zwischen Behörden und Tierschützern. Insofern habe sich die „skeptische Haltung“ der betroffenen Forschungseinrichtungen bestätigt: „Der Verwaltungsaufwand ist in Relation zum Nutzen des Gesetzes für den Tierschutz kritisch zu beurteilen.“
Viele Medizin- und Pharmaforscher, zudem einige Bezirksämter und die CDU lehnen das Gesetz ab, viele Sozialdemokraten sehen zumindest entsprechende Probleme: Schon die Auskunftspflicht gegenüber den Tierschützern verzögere Genehmigungsverfahren, verpasste Fristen gefährdeten Forschungsprojekte – die oft von Auftraggebern oder Sponsoren abhängig sind.
Die Experten der Justizverwaltung schreiben allerdings, dass „Überschreitungen der gesetzlich vorgesehenen Bearbeitungsfristen“ nicht auf das Tierschutzverbandsklagegesetz zurückzuführen seien, sondern offenbar eher auf die Personalnot der Ämter.
Folgende Schlussfolgerung in dem Bericht könnte die Tierschützer provozieren: Man gehe davon aus, dass einige der ermächtigten Tierschutzverbände nicht über die erforderliche „Zahl an Mitarbeitenden“ und „Expertise“ verfügten, um ihre Befugnisse umfänglich wahrnehmen zu können.
Die sieben Verbände dürfen von den Ämtern auch detaillierte Informationen anfordern und darauf drängen, die Forschungsstätten genauer zu überprüfen. Und die Tierschützer werden schon vor Laborversuchen einbezogen, indem zwei auch mit ihnen besetzte Kommissionen die beantragten Projekte überprüfen.
Um diese Kommissionen gab es im Jahr 2020 heftigen Streit, als der damals für sie zuständige Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) dort mehr Tierschützer platzieren wollte. Letztlich setzte sich Senatschef Michael Müller (SPD) gegen Behrendt durch, indem er in den Tierversuchskommissionen die Forscherseite stärkte. Für Experimente werden überwiegend Mäuse eingesetzt.
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