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Büroflächen könnten auch für temporäres Wohnen genutzt werden.

© imago images/Schöning

Kampf gegen Berlins Wohnungskrise: Ein Verein will leer stehende Büros zu Kurzzeit-WGs machen

Künstler und Immobilienbesitzer haben sie schon mehrfach zu Projektpartnern gemacht – jetzt möchte der Verein Transiträume das Wohnungsproblem angehen – mit temporären Unterkünften in Büros.

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Eigentlich könnte es sofort losgehen mit dem Lösen der Berliner Wohnungskrise. Alexander Sascha Wolf versucht, das Publikum mit Witz und Satire auf seine Seite zu ziehen und die „geile 90er-Jahre-Erfahrung“ zu beschwören. Als Berlin noch die Stadt der improvisierten Clubs und weiträumigen Brachen war, die sich jeder mit etwas Fantasie aneignen konnte.

Wolfs Projekt nennt sich Transitwohnen und ist der Versuch, leer stehende Büros zur temporären Unterbringung junger Fachkräfte, Studenten oder Azubis zu nutzen. Auf der Neustart-Konzeptkonferenz im Schöneberger Gasometer – einer gemeinsamen Initiative von Tagesspiegel, „Berliner Morgenpost“, Radioeins vom RBB und Euref-Campus – stellte der Gründer des Netzwerks GICA (Global Impact Capital Alliance) die Idee vor.

Das Projekt ist die Fortsetzung der bereits erfolgreich laufenden Initiative des Vereins Transiträume Berlin, den Wolf mitgegründet hat. Der Verein bringt Immobilienbesitzer, Künstler und Kreative zusammen, um vorübergehend leer stehende Hallen oder Fabriketagen sinnvoll zu nutzen und einen kulturellen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. Seit 2017 wurden rund 60 Zwischenmieter-Projekte realisiert, sagt Wolf. Eines der bekanntesten war das Kunstprojekt „The Haus“.

Die Neustart-Konzeptkonferenz im Gasometer auf dem Euref-Campus.

© Funke Foto Services/Jörg Carstensen

Nun soll ein neues Segment erobert werden. Mehr als 1,8 Millionen Quadratmeter Büroflächen stehen in Berlin leer, zugleich fehlt es an Wohnraum. Warum also nicht Büros in Wohnungen umwandeln? Rein rechtlich gibt es fast unüberwindliche Hürden, weil für Büroflächen andere Bauvorschriften gelten. Deshalb spricht Wolf von „temporären Beherbergungen“ für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten, das sei so ähnlich, als würde man in einem Hostel wohnen.

Diese Wohnmodule sind nicht für die vierköpfige Familie mit Labrador geeignet, aber für Studenten und Azubis.

Alexander Sascha Wolf, Gründer von Transiträume e.V.

Transiträume arbeitet mit der „Tiny House Foundation“ zusammen. Die Idee ist, kleine Wohnmodule in bestehende Büroetagen hineinzubauen, verbunden mit Gemeinschaftsräumen für gemeinsames Kochen oder Sporttreiben. Auf einer Bürofläche von 200 Quadratmetern könnten so sechs bis sieben Wohnungen entstehen.

Noch vor der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2026 würde Berlin seine Wohnungskrise auf diese Weise zumindest entschärfen – und damit auch die radikalen Ränder des politischen Spektrums, meint Wolf. „Diese Wohnmodule sind nicht für die vierköpfige Familie mit Labrador geeignet, aber für Studenten und Azubis.“ 2000 von ihnen könnten kurzfristig untergebracht werden.

Alexander Sascha Wolf stellt beim Neustart Berlin sein Projekt „Transitwohnen“ vor.

© Jörg Carstensen, FUNKE Foto Services

Das Potenzial insgesamt für Transitwohnen schätzt Wolf auf eine Fläche von 300.000 Quadratmetern, das würde für 5000 bis 10.000 junge Menschen reichen. Die sollten für ihre Büro-WGs rund 500 Euro Miete zahlen. Allerdings fehlt bislang noch ein Pilotprojekt.

Die Jury, die neun Projekte aus 70 Bewerbungen ausgewählt hat, reagiert wohlwollend, bleibt aber auch skeptisch, ob die Finanzierung des Transitwohnen-Projekts funktionieren würde. Die Vorständin der Investitionsbank Berlin (IBB), Angeliki Krisilion, äußert Zweifel, dass die Mieten der Büro-WG-Bewohner mit den Renditeerwartungen der Bürohaus-Eigentümer in Einklang zu bringen seien.

Die Jury ist skeptisch bei der Finanzierung

Engelbert Lütke-Daldrup, vormals Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung und Flughafen-Chef, äußert Sympathie für die Grundidee, findet die WG-Mieten von 500 Euro aber „nicht cool“, also wenig attraktiv für junge Azubis. Außerdem: Wo soll das Geld für die Bauinvestitionen herkommen?

Wolf hält dagegen. Mit den 500 Euro käme genug Rendite für die Eigentümer zusammen. Gleichzeitig könnten die Mieten auch deutlich günstiger ausfallen, wenn die Stadt ihre eigenen Flächen für Transitwohnen mobilisieren würde, im stillgelegten ICC oder in den ehemaligen Flughafengebäuden von Tegel oder Tempelhof.

Die Bauinvestitionen könnten Betreiber von hochpreisigen Apartmenthäusern aufbringen, die seien durchaus interessiert, sich auch im Niedrigpreisbereich zu engagieren.

Manja Schreiner, Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer, könnte sich eher leer stehende Industriehallen als geeignete Hüllen für die WG-Module vorstellen. Tagesspiegel-Herausgeber Lorenz Maroldt macht sich eher Sorgen, ob das Zusammenleben der WG-Bewohner so reibungslos klappen würde. Darüber hat sich Wolf noch keine Gedanken gemacht.

Eine Umnutzung seiner Flächen für temporäres Wohnen prüft unterdessen auch der Berliner Gewerbeflächenanbieter GSG. In innerstädtischen Lagen hat die GSG inzwischen mit einem Leerstand von 20 bis 25 Prozent zu kämpfen, wie der RBB berichtet. Bis zu 10.000 Quadratmeter Gewerbefläche könnten für „Möbliertes Wohnen auf Zeit“ genutzt werden.

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