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Nachhaltigkeit als Kerngeschäft: Milena Glimbovski, Geschäftsführerin des Lebensmittelgeschäfts "Original Unverpackt" in dem Laden in der Wiener Straße in Berlin-Kreuzberg.

© Inga Kjer/dpa

Umfrage: Nachhaltigkeit interessiert Berliner Unternehmen kaum

Nur jedes vierte Unternehmen in Berlin sieht in „Nachhaltigkeit“ eine Herausforderung, der es sich in den kommenden fünf Jahren stellen muss.

Das ist das ernüchternde Ergebnis einer erstmals durchgeführten Studie von der Berliner Sparkasse und dem Beratungsunternehmen DIW Econ (einer Tochter des Forschungsinstitutes DIW Berlin) unter rund 400 mittelständischen Unternehmen in der Hauptstadt. Das Papier liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor. Tendenziell messen größere Unternehmen dem Thema demnach mehr Bedeutung bei als kleinere Unternehmen.

Die befragten Firmenvertreter sollten unter anderem Relevanz von "Nachhaltigkeit" auf einer Skala von 1 (nicht wichtig) bis 10 (sehr wichtig) einordnen. Relativ wichtig ist dieser Aspekt im Verarbeitenden Gewerbe (Durchschnittsnote 7,6), im Grundstücks- und Wohnungswesen (7,5) und bei Unternehmen der Kreativwirtschaft, Kunst, Unterhaltung, Erholung (6,9).

Bei Unternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen (5,8), dem Baugewerbe (5,8), den unternehmensnahen Dienstleistungen (5,5) spielt es hingegen überdurchschnittlich oft eine untergeordnete Rolle. Am Ende der Tabelle ordnen sich Unternehmen aus der Berliner Verkehrs- und Logistikbranche ein (Note 5,1). Das ist insofern bemerkenswert, da gerade Firmen aus diesen Branchen zumindest mit Blick auf ökologische Nachhaltigkeit besonders viel bewegen könnten - und sie daher in entsprechenden Konzepten des Berliner Senats und der Bezirke Schlüsselrollen einnehmen.

Der relativ schwammige Begriff Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf Umweltschutzaspekte. Es existiere keine allgemeingültige Definition, erinnern die Autoren der Studie. Sie haben die Beschreibung aus der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verwendet. Diese umfasst ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen. Die Unternehmen der Hauptstadtregion bringen "Nachhaltigkeit" am häufigsten (69 Prozent) mit verantwortungsvollem Handeln mit Blick auf die Umwelt in Verbindung. Nur eine Minderheit (41 Prozent) verstehen den Begriff im Sinne eines "globalem Verantwortungsbewusstseins". Und 17 Prozent gaben an, Nachhaltigkeit sei ein "Marketinginstrument zur verbesserten Öffentlichkeitsarbeit".

Während die in der Regel größeren börsennotierten Unternehmen seit 2017 gesetzlich verpflichtet sind, regelmäßig Berichte über Umwelt, Arbeitnehmer- und Sozialbelange vorzulegen, gibt es derartige Vorgaben nicht für kleinste beziehungsweise kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit bis zu 249 Beschäftigten. Die machen aber 99 Prozent aller Unternehmen hierzulande aus.

Am beliebtesten ist Energieeffizienz - da sie auch Kosten spart

Ein Thema ernst zu nehmen ist das eine, daraus konkrete Beschlüsse abzuleiten, das andere. Immerhin 77 Prozent der Mittelständler gaben an, sie führen mindestens ein Projekt im Sinne der Nachhaltigkeit durch. Hier nannten besonders viele (47 Prozent) der Befragten Investitionen in die Energie- oder Materialeffizienz. Das nennen die Studienautoren "plausibel", da damit auch direkte Kosteneinsparungen verbunden sind. 31 Prozent der Unternehmen gaben an, in umweltfreundliche Produktionsverfahren zu investieren.

27 Prozent fördern demnach soziales Engagement ihrer Beschäftigten und 27 beziehungsweise 22 Prozent achten bei der Lieferantenwahl auf ökologische oder soziale Kriterien. Mehrfachnennungen waren möglich. Und außerhalb der Wertschöpfungskette fördert immerhin mehr als jedes vierte Unternehmen (28 Prozent) soziale Organisationen oder Projekte.

Die Berliner Sparkasse als Auftraggeberin der Studie teilte mit, sie möchte nachhaltige Handlungsoptionen mit ihren Firmenkunden künftig intensiver besprechen. Hier nennte die Sparkasse zentrale Argumente nachhaltiges wirtschaften und in diesem Blog beschreibt sie ausgewählte eigene Aktionen. "Bei Finanzierungen nutzen wir für unsere Kunden die Angebote der öffentlichen Förderinstitute und bieten das komplette Spektrum an Förderprogrammen der KfW und der regionalen Förderinstitute an, etwa wenn es um energieeffiziente Produktionsanlagen oder erneuerbare Energien geht", sagt Sparkassensprecherin Julia Kittler. Darüber hinaus sei die Berliner Sparkasse seit 200 Jahren eng mit der Stadt verbunden und engagiere sich mit ihren drei Stiftungen, zahlreichen Kooperationen, Spenden und Sponsoring für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt.

Gleichwohl plant bisher nur jedes fünfte Unternehmen mit Investitionsabsichten konkrete Investitionen in "nachhaltige" Projekte. Ob sich das ändert, könnte eine Folgestudie in den kommenden Jahren zeigen.

Lesen Sie auch einen aktuellen Gastbeitrag: Strukturen von vor 100 Jahren verhindern die Entwicklung nachhaltiger Leitbilder für die Stadt von morgen.

Mehr Nachrichten rund um das Thema Nachhaltigkeit finden Sie unter anderem bei "Tagesspiegel Background", unseren wochentäglichen Briefings für Energie & Klima oder Mobilität & Transport.

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