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Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin.

© dpa/Christoph Soeder

Update

„Ich trete nicht zurück“: TU-Präsidentin Rauch will im Amt bleiben – trotz Senatsmehrheit gegen sie

Der Akademische Senat der Technischen Universität Berlin ist gespalten: 13 Mitglieder sind gegen die Präsidentin, zwölf für sie. Einen Rücktritt lehnt Rauch ab. Jetzt äußert sich Senatorin Czyborra.

Stand:

24 Stunden hatte der Akademische Senat der Technischen Universität (TU) Berlin der umstrittenen Präsidentin Zeit gegeben, sich zu ihrer Zukunft zu äußern. Am Donnerstagnachmittag gab Geraldine Rauch bekannt: „Ich trete nicht zurück.“

Die wegen Likes für antisemitische Posts auf der Plattform X unter Druck geratene Präsidentin begründete ihre Entscheidung damit, dass der Akademische Senat keinen Abwahlantrag gestellt habe. In einer schriftlichen Stellungnahme, die die TU verbreitete, erwähnte Rauch zwar, dass sich tags zuvor in einem Meinungsbild 13 Senatsmitglieder für ihren Rücktritt ausgesprochen hatten und 12 dagegen. Ansonsten erklärte sie dazu nur: „Die Debatte war konstruktiv.“

Viele Aufrufe und Stellungnahmen hätten sie erreicht, die sie auffordern würden, im Amt zu bleiben, ließ Rauch sich weiter zitieren. „An meinen Fehlern werde ich arbeiten. Im Akademischen Senat habe ich Maßnahmen für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft genannt. Das von mir eingereichte Disziplinarverfahren wird eine juristische Bewertung hervorbringen.“

Sitzungsleitung: Fehler nicht schwerwiegend genug für klare Abwahl

Schon am Mittag hatte der Tagesspiegel berichtet, dass das im Streit um Rauch entscheidende Gremium bei seiner Sitzung am Mittwoch in der Mitte gespalten war. Für eine Abwahl wäre eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

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Das Gremium konnte sich jedoch nicht auf das Einbringen eines Abwahlantrags einigen. Stattdessen erhob es ein Meinungsbild zur Frage, ob es der Präsidentin einen Rücktritt empfiehlt. Der Akademische Senat setzt sich aus 13 Hochschullehrenden, vier wissenschaftlichen Mitarbeitern, vier Studierenden und vier Verwaltungsangestellten zusammen.

Das Gremium forderte die Präsidentin noch am Mittwoch auf, sich innerhalb von 24 Stunden zu ihren Absichten zu äußern. Die Leiterin der Sitzung, Annette Hiller, sagte: Der Fehler Rauchs sei nicht so schwerwiegend, dass man eindeutig sage, die Präsidentin müsse abgewählt werden. Sie habe die TU aber schwer beschädigt.

Kuratorium kommt am Montag zur Sondersitzung zusammen

Wie kann es an der TU jetzt weitergehen? Auch das Kuratorium, eine Art Aufsichtsrat der Uni, könnte die Abwahl Rauchs in die Wege leiten. Das Kuratorium kommt am Montag zu einer Sondersitzung zusammen. Ein Antrag auf Abwahl müsste hier ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit bekommen.

Dann müsste sich der Akademische Senat allerdings nochmals damit befassen und dem Abwahlantrag auch mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen – was nach dem knappen Meinungsbild unwahrscheinlich sein dürfte.

Schwierige Diskussionen. Sitzungsleiterin Annette Hiller und TU-Präsidentin Geraldine Rauch am Mittwoch bei der Senatssitzung.

© dpa/Jens Kalaene

Entscheiden würde schließlich der Erweiterte Akademische Senat, der mehr Mitglieder als der Akademische Senat hat. Auch hier wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, die angesichts der Zerrissenheit der TU ebenso schwer zu erreichen sein dürfte. Sprich: Derzeit sieht alles danach aus, dass Rauch das Ganze aussitzen kann.

Wissenschaftssenatorin: Disziplinarverfahren „nicht allein ausschlaggebend“

Zurückhaltend reagierte Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) auf Rauchs Entscheidung. Sie ist nämlich selbst von Amts wegen Mitglied im TU-Kuratorium. „Die Gremien der TU – der Akademische Senat und das Kuratorium – müssen nun entscheiden, wie sie weiter vorgehen wollen“, teilte Czyborra mit.

Dabei ließ sie jedoch durchblicken, dass sie von der Verteidigungsstrategie der Uni-Chefin nicht überzeugt ist. „Das von der Präsidentin Rauch eingereichte Disziplinarverfahren ist für diese Frage nicht allein ausschlaggebend, da es nur vermeintliche rechtliche Verfehlungen prüfen wird“, ließ sich die Senatorin zitieren. „Die hochschulpolitische Bewertung obliegt weiterhin ausschließlich den Gremien der TU.“

Zeigt sich skeptisch gegenüber Rauchs Verteidigungsstrategie: Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD).

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Hochschule und Präsidentin müssten nun „die Präsidentin die Ereignisse der letzten Tage konsequent aufarbeiten und ihrer Verantwortung für einen konstruktiven, respektvollen Dialog gerecht werden“, betonte Czyborra. „Dazu gehören entschiedene Maßnahmen gegen Antisemitismus an der Hochschule und der Schutz jüdischer Studierender.“

Kritik von der CDU, Akzeptanz von den Grünen

„Frau Rauch stellt ihr persönliches Schicksal über das Wohl der TU Berlin, obwohl ihr die Mehrheit der Mitglieder im Akademischen Senat das Vertrauen entzogen hat“, teilte Adrian Grasse, wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, nach der Stellungnahme der Präsidentin mit. „Sie schadet inzwischen nicht mehr nur der TU, sondern dem gesamten Wissenschaftsstandort und beschädigt den Berliner Exzellenzverbund.“

Die Grünen im Abgeordnetenhaus erkannten Rauchs Entscheidung an – unter Verweis auf die Autonomie der Hochschulen. „Es ist jetzt wichtig, dass sich die TU wieder auf Forschung und Lehre konzentrieren kann“, teilte Laura Neugebauer, Sprecherin für Wissenschaft und Forschung, mit.

Auch sie verwies auf die fehlende Zweidrittelmehrheit für einen Abwahlantrag. „Damit ist eine Entscheidung in akademischer Selbstverwaltung gefallen, was es von politischer Seite zu akzeptieren gilt.“ Die TU Berlin müsse nun den Kampf gegen Antisemitismus fortsetzen, „damit jüdische und israelische Studierende frei von Angst studieren können“.

Rauch schweigt zur Sache bei Eröffnung des TU-Sommerfests

Mit Spannung wurde am Donnerstagnachmittag Rauchs Auftritt beim Sommerfest der TU erwartet. Rund 300 Studierende und Beschäftigte hatten sich dazu im Innenhof des Hauptgebäudes eingefunden, darunter auch Mitglieder des Akademischen Senats und Uni-Kanzler Lars Oeverdieck. Ein DJ spielte „Stayin’ Alive“.

Zu Beginn des Festes jedoch wünschte Rauch lediglich allen Anwesenden einen „wunderschönen Tag“ und „besonders viel Spaß“. Zu ihrer persönlichen Zukunft äußerte sie sich nicht. Wenig später verschickte die TU die schriftliche Erklärung ihrer Präsidentin mit dem Ergebnis der Abstimmung im Senat.

Gabriel Tiedje, studentisches Mitglied im Akademischen Senat, sprach von einer „misogynen Kampagne“, die sich von Rauchs ursprünglichem Fehlgriff weit entfernt habe. Er befürwortete einen Verbleib der Präsidentin im Amt. Das Meinungsbild des Senats betrachte er auch nicht als Rücktrittsempfehlung, sagte er dem Tagesspiegel. Schließlich sei keine Zweidrittelmehrheit erreicht worden.

Viele Unterstützer beim Sommerfest, aber auch Verärgerung

Auch sonst fanden sich viele Unterstützer der Präsidentin auf dem Sommerfest. Es sei gut, dass jetzt eine Einscheidung gefallen sei, sagte ein Doktorand im Wirtschaftsingenieurwesen. „Längere Unklarheit hätte der Uni geschadet.“ Sein Kollege, Doktorand im selben Fach, sagte zu Rauchs problematischen Likes bei Twitter: „Das war ein Fehler, wegen dem man zurücktreten kann, aber nicht zurücktreten muss.“

Auch die anderen in der Gruppe befürworten die Entscheidung, ebenso ein Mitarbeiter aus der Technik, der mit Kolleginnen auf dem Fest ist. Ein anderer TU-Mitarbeiter zeigt sich verärgert über den Skandal. Dieser habe die Uni von drängenderen Aufgaben abgehalten. „Wir müssen jetzt wieder ins Arbeiten kommen“, sagte er. Natürlich gehöre dazu aber auch eine Aufarbeitung des Vorfalls.

Bei vielen schien, bei aller Missbilligung von Rauchs Twitter-Vorfall, Pragmatismus zu überwiegen und der Wunsch, sich wieder aufs Wesentliche konzentrieren zu können.

„Gefällt mir“ für Netanjahu-Foto mit Hakenkreuz

Rauch steht in der Kritik, weil sie antisemitische Posts bei X mit einem Like markiert hatte. Wie berichtet, hatte Rauch auf der Online-Plattform X einem Tweet via „Gefällt-mir“-Funktion zugestimmt, in dem Israels Premier Benjamin Netanjahu auf einem Bild mit Hakenkreuzen dargestellt wurde. Das Foto zeigt einen offenbar islamistischen Aufmarsch in der Türkei. Gepostet wurde es von einem Troll-Account, den es seit 2023 gibt und der Russlands Propaganda verbreitet. 

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Euro bezieht die TU-Präsidentin pro Monat – so viel wie Berliner Staatssekretäre.

Dieses „Like“ war kein Einzelfall. So drückte Rauch auch bei einem Post eines rechtspopulistischen Accounts „Gefällt mir“. Sie verpasste der Forderung ein Herz, es sei Zeit für „die diplomatische Isolation Israels“. Rauch gefiel die Frage, ob Israel als angeblicher Kriegsverbrecher noch Deutschlands richtiger Wertepartner sei. Später bat sie für diese Likes um Entschuldigung.

Die umstrittene Hochschulchefin wurde zudem ein Fall für die Bundesregierung, als unter anderem der Tagesspiegel im Kanzleramt nachfragte, ob Rauch im Zukunftsrat des Kanzlers bleiben wird. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) forderte Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag dazu auf, Rauch aus seinem Beratergremium zu verweisen.

Bei der Senatswissenschaftsverwaltung hat Rauch ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt. Rauch wird besoldet, unterliegt damit auch dem Beamtenrecht. Sie ist offiziell in der höchsten Besoldungsstufe für Professoren – nämlich W3. Das sind 7360 brutto Euro im Monat, zudem bekommt sie eine Zulage. Insgesamt erhält sie pro Monat also circa 10.500 Euro. Das entspricht der Einkommensstufe eines Berliner Staatssekretärs.

Das Bundesdisziplinargesetz sieht fünf Maßnahmen gegen Beamte vor, die ihre Pflichten verletzt haben: ein Verweis, eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge, eine Zurückstufung oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

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