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„Uns fehlt ein Stichschutz am Hals“: Wie gut sind Berlins Polizisten für den Einsatz gerüstet?
Zwei Schwerverletzte in zwei Tagen werfen ein Schlaglicht auf die Gefahren für Berliner Polizisten im Einsatz. Wie steht es um die Ausstattung der Beamten?
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Bei einer Demonstration wird ein Polizist niedergetrampelt und schwer verletzt, zwei Tage später wird einem Beamten vor einer Polizeiwache in den Hals gestochen: Die Vorfälle der vergangenen Tage sind sehr unterschiedlich, werfen aber beide ein Schlaglicht auf Gefahren für Berliner Polizisten im Einsatz.
Wie steht es allgemein um den Schutz der Beamten in ihrer täglichen Arbeit und um ihre Ausstattung im Dienst? „Grundsätzlich ist die Ausrüstung in den vergangenen Jahren besser geworden“, sagt Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei Berlin. „Wir haben ganz andere Schutzwesten heute, ein besserer ballistischer Schutz auch gegen Langwaffen.“ Diese Westen könnten Einsatzkräfte aber nicht täglich tragen, im Bedarfsfall würden sie mit Einschub-Platten aufgerüstet. Auch in Helme sei investiert worden.
„Wenn wir aber über die zunehmende Messergewalt in unserer Gesellschaft sprechen, gibt es noch etwas, das uns fehlt: ein Stichschutz am Hals“, sagt Jendro. Diesen hätte man gerne als zusätzliche Ausstattung für den Bedarfsfall. Allerdings sei auch klar: „Bei Fällen wie dem am Freitag in Neukölln hätte dies nicht geholfen, da der Kollege sich nicht mal im Ansatz auf den Einsatz beziehungsweise den Messerangriff vorbereiten konnte.“
Poloshirts mit Stichschutz
Für den täglichen Dienst fordert Jendro ein anderes Kleidungsstück, das helfen könnte: Poloshirts mit Stichschutz. „Damit wäre zumindest der Oberkörper im Basiseinsatz besser geschützt“, sagt er. Außerdem müsse man auch über eine bessere Sicherung von Dienststellen nachdenken, über Videoüberwachung nach außen und Sicherungsschleusen. „Dass Liegenschaften so ungeschützt sind, ist eine Katastrophe“, sagt er.
Schutz durch Taser-Einsatz?
Und inwiefern können die durchaus umstrittenen Taser zum Schutz von Einsatzkräften dienen? Hier käme es sehr auf die Situation an, sagt Jendro. „Es kommt sehr darauf an, ob es sich um eine statische oder dynamische Situation handelt, ob der Taser wirklich eingesetzt werden kann – bei einer dynamischen Situation mit Messer dauert die Nutzung eines Tasers zu lange, um effektiv Schutz zu bieten.“ Als zusätzliches Hilfsmittel sei der Taser aber eine gute Alternative zu Schusswaffe.
Im vergangenen Jahr wurden von der Polizei laut Senat 125 solcher Geräte angeschafft. Insgesamt besaß die Berliner Polizei mit Stand Anfang Januar rund 250 Taser, die auf die unterschiedlichen Polizeidirektionen aufgeteilt sind. Die Taser, die es flächendeckend in den Funkwagen gibt, besitzen laut Jendro eine effektive Reichweite von sieben Metern. Es gebe aber auch neuere Modelle, die eine Reichweite von zehn bis 15 Meter haben.
Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man Polizisten so schwer einpacken kann, dass sie jederzeit und immer vor allem geschützt sind.
Vasili Franco, Innenexperte der Berliner Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus
Der Innenexperte der Berliner Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Vasili Franco, sieht eine Debatte über die Anschaffung neuartiger Schutzmaterialien eher kritisch: „Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man Polizisten so schwer einpacken kann, dass sie jederzeit und immer vor allem geschützt sind“, gibt er zu bedenken. Wo es Verbesserungsmöglichkeiten gebe, sollte man aber auch darüber sprechen.
Richtig sei: „Der Polizeiberuf ist ein gefährlicher Beruf, da darf nicht an der Alltagsausstattung gespart werden. Wenn Dinge kaputtgehen, müssen sie schnell ausgetauscht werden.“ Die Grundausstattung müsse jederzeit und vollständig vorhanden sein. „Oftmals erleben wir in Berlin Scheindebatten über neue Anschaffungen, während es gleichzeitig an den Basics fehlt“, sagt Franco.
Ihm sei lieber, dass Geld für die Ausrüstung in die Hand genommen werde, als „die nächste Scheindebatte über Messerverbotszonen“ zu führen. Stattdessen wäre es sinnvoll, die Alltagsnöte von Polizistinnen und Polizisten stärker in den Blick zu nehmen, sagt er.
Immer wieder werden Polizeibeamte im Dienst angegriffen. 10.584 Polizistinnen und Polizisten wurden laut Kriminalstatistik 2014 in Berlin Opfer einer Gewalttat. Auch bundesweit steigt die Anzahl der Angriffe seit 2017.
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