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„Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört“ : SPD will Lichtenberger Affären-Stadtrat Hönicke loswerden – und hat eine Nachfolgerin
Die SPD in Berlin-Lichtenberg will vor den Wahlen endlich Ruhe: Ihr Stadtrat Kevin Hönicke wird wohl abgewählt. Einen gesichtswahrenden Rückzug lehnte er ab.
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Der Lichtenberger Bezirksstadtrat Kevin Hönicke (SPD) soll nach den Affären der letzten Monate nun doch sein Amt verlieren – auf Antrag seiner eigenen Genossen. Der SPD-Kreisvorstand und die Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wollen damit auch mit Blick auf die Wahlen 2025 (im Bund) und 2026 (im Land) für Ruhe sorgen.
Das Angebot eines „gesichtswahrenden Rückzugs“ hatte Hönicke abgelehnt, wie der Tagesspiegel aus Parteikreisen erfuhr, das Vertrauen in ihn sei „irreversibel verspielt“. Am Montagabend votierte der Kreisvorstand mit großer Mehrheit für einen Sonderparteitag kommenden Mittwoch. Der soll beschließen, ob die SPD-Fraktion einen Abwahlantrag in der BVV stellt. Zugleich wird über einen Nachfolger entschieden.
Nach Tagesspiegel-Informationen einigten sich die Sozialdemokraten auf Sandy Mattes: Die Gesundheitspolitikerin ist Favoritin dafür, im Bezirksamt auf Hönicke zu folgen. Mattes ist Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion.

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Der Fall Hönicke beschäftigte das Bezirksamt seit Herbst. Umstritten war der SPD-Mann auch wegen verbaler Ausfälle vor den Bezirksverordneten. Lichtenbergs Bürgermeister Martin Schaefer (CDU) belegte den Stadtrat dann im Oktober mit einem Verbot der Amtsgeschäfte.
Hintergrund ist, dass die Staatsanwaltschaft gegen Hönicke wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen ermittelt, auch ein Disziplinarverfahren läuft. Der Vorwurf: Der SPD-Politiker soll Journalisten im Januar 2023, also kurz vor der Berliner Wiederholungswahl, interne Akten per Post geschickt haben. Dabei ging es um den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen einen Mitarbeiter des Bezirksamts, der längst widerlegt war.
Als er suspendiert war, inszenierte sich Hönicke als Kämpfer gegen Belästigung und Aufklärer – insbesondere in der „Berliner Zeitung“. Das Blatt wärmte die alten, erledigten Belästigungsvorwürfe auf, nannte den betroffenen Mitarbeiter namentlich und zeigte ihn mit großem Foto. Das Landgericht Berlin II untersagte jene Artikel, weil die Vorwürfe widerlegt waren.
Noch im Dezember hatte das Verwaltungsgericht die Suspendierung Hönickes bestätigt. Denn es lägen ausreichende Indizien für den Verdacht vor, dass der Stadtrat seine beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht verletzt habe.
Als Bürger besuchte Hönicke die BVV weiter. Auch dabei kam es zum Eklat. Im Januar pöbelte er in einem Ausschuss und beschimpfte die Vorsitzende. Die CDU warf Hönicke danach wiederholt frauenfeindliches Verhalten vor. Hönicke selbst geißelte sich danach selbst, sein Vorgehen habe „nicht den gesetzten Normen der Bezirkspolitik“ entsprochen: „Dafür rüge ich mich selbst.“
Im März entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg, dass Hönicke wieder ins Amt darf. Den Vorwurf des Geheimnisverrats stellte das OVG allerdings nicht infrage. Vielmehr war der Fall für das OVG so offenkundig, dass es keine Verdunklungsgefahr mehr sah – und Hönicke deshalb wieder auf seinen Posten durfte. Prompt gab es in der BVV einen neuen Zwischenfall: Wegen als rassistisch eingestufter Aussagen zum vietnamesischen Großmarkt Dong-Xuan-Center erhielt Hönicke einen Ordnungsruf, er bat später um Entschuldigung.
Die SPD hat davon nun genug. Der geschäftsführende Kreisvorstand und die Fraktion kamen nach „anstrengenden und zermürbenden Monaten“ zum Entschluss, „dass eine weitere Zusammenarbeit mit Kevin Hönicke nicht mehr möglich ist“. Der „damit verbundene Vertrauensverlust“ lasse sich mit Hönickes Verbleib im Amt nicht wiederherstellen, heißt es in einer internen Erklärung.
Der Impuls für diesen Schritt kam aus der Fraktion. Ende Mai votierte die Fraktion einstimmig für einen Abwahlantrag, weil das „Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört“ sei: Eine Aufarbeitung der Ereignisse der vergangenen Monate durch Hönicke bleibe aus.
Ende Mai bot die SPD ihrem Genossen Hönicke eine „einvernehmliche Lösung im Sinne eines selbstbestimmten Rückzuges“ an. Hönicke lehnte ab. Im Schreiben des Vorstands heißt es: „Wir sind an einem Punkt, an dem wir nicht absehen können, ob die von Kevin vorgebrachten Erklärungen und Entschuldigungen ehrlich gemeint sind.“ Manche Fragen beantworte er unzureichend oder gar nicht.
Hönicke selbst gibt sich unbeirrt. „Ich habe in den letzten vier Jahren bewiesen, dass ich für Entscheidungen und Handeln stehe, auch bei schwierigen Themen. So führe ich mein Amt weiter“, sagte der Stadtrat dem Tagesspiegel. „Ich renne vor Verantwortung nicht weg und stelle mich auch jeglichen Wahlen.“
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