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Gül Yavuz, die erste Koordinatorin für Digitales Engagement in einer Berliner Freiwilligenagentur.

© Doris Spiekermann-Klaas

Videos und Social Media für den guten Zweck: Diese Berlinerin bringt digitales Engagement in ihren Kiez

Gül Yavuz wurde 2019 die erste Koordinatorin für digitales Engagement in Berlin. In der Lichtenberger Freiwilligenagentur, wo sie arbeitet, tut sich seither einiges.

Sie ist eine Pionierin: Gül Yavuz ist die erste Koordinatorin für digitales Engagement in einer Freiwilligenagentur. In jedem der zwölf Berliner Bezirke gibt es eine solche Agentur, wo Menschen, die sich engagieren möchten, beraten und in passende Tätigkeiten vermittelt werden.

Seit 2019, als ihre Position in der Oskar Freiwilligenagentur in Lichtenberg geschaffen wurde, arbeitet Yavuz daran, bei dieser Vermittlung digitale Angebote unter Engagierten populärer zu machen. Es tut sich etwas, aber noch zu wenig.

„Die meisten Vereine und Organisationen suchen Menschen, die sie beim Vorlesen, für Feste oder bei der Gartenarbeit unterstützen“, sagt Yavuz. Alles wichtig, aber die wenigsten fragten danach, dass ihnen digital Engagierte bei der Öffentlichkeitsarbeit, beim Videodreh oder Social Media helfen. Sie an diese Möglichkeit heranzuführen ist eine von Yavuz’ Aufgaben.

Auch bei einem Danke-Picknick für Engagierte im Garten der Freiwilligenagentur in der Weitlingstraße 89 nutzt die 51-Jährige die Gelegenheit. Es gibt Kaffee und ein Buffet, etwa 30 Gäste – darunter Bezirksbürgermeister Michael Grunst – sitzen entspannt zusammen.

Erste Annäherung an das Digitale

Yavuz hat ihren Laptop neben einer Stelltafel aufgestellt, auf der steht: „GIF something back to the World“. GIFs sind Videos, mit denen kurze Geschichten erzählt werden können. Eine erste Annäherung an das Digitale also – von eigens erstellten politischen Botschaften bis hin zu Geburtstagsgrüßen kann alles ausprobiert werden.

Henry Schulz, Vorsitzender von Kinder an die Macht e.V., die Ferienfahrten und Feste für Kinder und Jugendliche organisieren, macht mit. Er will ein Gute-Laune-GIF, das Kinder motiviert, mitzumachen. Yavuz filmt mit dem Smartphone, dann regnet es Konfetti. Schulz ist zufrieden. Auch Albrecht Trübenbacher, Gründer von „Kehrenbürger Lichtenberg“ muss nicht lang überredet werden. Sein GIF soll zeigen, wie eklig und schädlich für die Umwelt herumliegende Zigarettenstummel sind.

Gül Yavuz wünscht sich, dass Engagierte mittels digitaler Hilfsmittel ihre Arbeit sichtbarer machen.
Gül Yavuz wünscht sich, dass Engagierte mittels digitaler Hilfsmittel ihre Arbeit sichtbarer machen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Aber nicht alle sind experimentierfreudig. „GIFs? Kenne ich nicht, nutze ich nicht“ – auch solche Sprüche bekommt Yavuz beim Fest zu hören. Es kann schwierig sein, Menschen für das Digitale zu begeistern.

Ich habe großes Interesse, digitales Engagement für ältere Zielgruppen inklusiver zu machen.

Gül Yavuz, Koordinatorin für digitales Engagement, Oskar-Freiwilligenagentur

Yavuz kommt aus dem Film- und Medienbereich, leitete drei Jahre eine freie Filmschule in Berlin. Was brachte sie dazu, in einer Freiwilligenagentur größtenteils mit Menschen zu arbeiten, die nichts mit Medien zu tun haben? Zunächst einmal sei Engagement eine wichtige Säule der Demokratie, die Engagierte mitgestalten. Durch das Digitale könnten sie auch politisch Einfluss nehmen, beispielsweise durch Petitionen.

Außerdem habe Yavuz „großes Interesse, digitales Engagement für ältere Zielgruppen inklusiver zu machen.“ Sie selbst sei auch nicht mehr im „Digital Native-Alter“, aber darauf käme es nicht an. Yavuz vernetzt sich, bildet sich stetig weiter und besucht Veranstaltungen wie den „Digital Social Summit“ – eine Konferenz, die Stiftungen, Vereinen und Engagierten digitale Kompetenzen und Trends vermittelt.

Oft sitzt die Koordinatorin dann ein bisschen zwischen den Stühlen: den Berliner Freiwilligenagenturen, die in Kontakt mit den Bezirksämtern vorrangig lokal agieren, und international oder bundesweit Aktiven einer digitalen Avantgarde. Doch es habe sich schon einiges getan: „Digitales Engagement ist eines der Top-Themen, die jetzt verhandelt werden“, sagt Yavuz.

Durch die Pandemie sei die Nachfrage an Online-Angeboten und der passenden digitalen Infrastruktur in Vereinen gestiegen – Kurse, Tutorials und Weiterbildungen seien wie Pilze aus dem Boden geschossen. 2020 wurde die bundesweit tätige Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt mit Sitz in Neustrelitz gegründet – mit digitalem Schwerpunkt.

Ein Problem: Neben der Zeit fehlt häufig auch das notwendige Wissen, um digitale Programme zu installieren und für die Vereinsarbeit zu nutzen. Deswegen startete 2021 die vom Senat geförderte Plattform „Digital Vereint“, ein Projekt des Stadtlabors City Lab und der Technologiestiftung Berlin. Ehrenamtler:innen erhalten auf der Webseite digital-vereint.berlin Informationen zu nicht-kommerzieller IT-Infrastruktur, die sie für ihre Arbeit nutzen können.

Doch trotz dieser Angebote ist das Digitale in der Engagement-Landschaft nicht selbstverständlich, immer noch muss sich Yavuz erklären: Digitales Engagement – was ist das überhaupt, was bringt es? Viele denken dabei an freiwillige Tätigkeiten, die ausschließlich im Netz ausgeübt werden: zeit- und ortsungebunden.

Yavuz fasst es aber noch weiter: ein Verein, der über das Internet Öffentlichkeitsarbeit betreibt, ein Smartphone- oder ein Programmierkurs. Kurzum: Alles, wobei das Internet oder digitale Endgeräte für das freiwillige Tun als Werkzeug („Tool“) und Unterstützung benötigt werden.

Auf der neuen Webseite oskar.berlin zeigt die Lichtenberger Freiwilligenagentur seit ein paar Monaten, wie das gehen kann: viele Fotos und Erfahrungsberichte von Engagierten, Instagram, Newsletter – sogar eine eigene Redaktion gibt es, bei der jede:r mitmachen kann. Die alte Webseite sei „ein bisschen altbacken“ gewesen.

Das hat laut Yavuz vor allem junge Menschen nicht so angesprochen. Oft ist gerade diese Außendarstellung ein Knackpunkt in Sachen Nachwuchs. Doch vielleicht erfüllt sich irgendwann der Wunsch der Koordinatorin, dass „digitales Engagement mal so selbstverständlich wird wie Zähneputzen.“

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