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Der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Update

Vorwürfe der sexuellen Belästigung: Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar zieht Listenkandidatur zurück

Gegen den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar sollen Belästigungsvorwürfe aus der Partei erhoben worden sein. Der Fall überschattet die Wahl von Lisa Paus zur Spitzenkandidatin.

Stand:

Der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar hat überraschend seine Kandidatur für die Landesliste der Partei für die Bundestagswahl zurückgezogen. Mehrere Parteimitglieder sollen Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn erhoben haben, berichteten Parteimitglieder dem Tagesspiegel übereinstimmend.

Gelbhaar gab seinen Verzicht auf die Kandidatur am Samstag in einem Schreiben bekannt. „In den letzten Tagen sind Vorwürfe gegen mich erhoben worden. Das muss parteiintern geklärt werden und das will ich jetzt erst klären“, schreibt er darin.

Die Landesparteivorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai wollten sich zu den Vorwürfen gegen den Bundestagsabgeordneten nicht näher äußern. „Stefan Gelbhaar hat aufgrund von Beschwerden gegen seine Person beschlossen, dass er sich nicht um einen Listenplatz für die nächste Bundestagswahl bewerben wird“, erklärten sie in einem Statement. Dazu gebe es ein geordnetes Verfahren durch die Ombudsstelle bei der Bundesgeschäftsstelle.

Wir unterstützen aktiv dabei, dass dieses Verfahren so gut und schnell wie möglich abgeschlossen werden kann und Personen, die sich gemeldet haben, Beratung in einem geschützten Raum erfahren.

Nina Stahr und Philmon Ghirmai, Landesvorsitzende der Berliner Grünen

„Wir unterstützen aktiv dabei, dass dieses Verfahren so gut und schnell wie möglich abgeschlossen werden kann und Personen, die sich gemeldet haben, Beratung in einem geschützten Raum erfahren“, teilten Stahr und Ghirmai mit.

Aus Grünen-Kreisen heißt es, die Vorwürfe innerhalb der Partei seien seit Montag bekannt. In den vergangenen Tagen sei dann um einen Umgang damit gerungen worden. Wohl auch deshalb, weil Gelbhaar zunächst nicht auf die Kandidatur habe verzichten wollen, heißt es. Der Bundestagsabgeordnete selbst wollte sich auf Anfrage nicht weiterführend zu dem Thema äußern.

Gelbhaar wollte ursprünglich wie bei der vergangenen Bundestagswahl für Listenplatz zwei der Berliner Grünen kandidieren. Um den Platz war eine Kampfkandidatur zwischen ihm und dem Neuköllner Bundestagsabgeordneten Andreas Audretsch erwartet worden. Am Freitag zog Gelbhaar die Kandidatur jedoch zurück.

Gelbhaar sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag. Bei der vergangenen Wahl gewann er das Direktmandat im Bezirk Pankow. Dort hat ihn sein Kreisverband auch dieses Mal wieder als Direktkandidat nominiert.

Muss Gelbhaar auch Direktkandidatur in Pankow aufgeben?

Ob es dabei bleibt, ist jedoch offen. Mancher in der Partei hält es für nötig, dass Gelbhaar auch von der Direktkandidatur zurücktritt. Alles andere sei inkonsequent, sagten wichtige Parteimitglieder. Erst recht, weil Gelbhaars Kandidatur für die Liste ohnehin eher symbolischer Natur gewesen sein dürfte. Gegen den Parteilinken Audretsch hätte er beim vom linken Flügel dominierten Parteitag lediglich Außenseiterchancen gehabt. Will er in den Bundestag, dann wohl nur über den Sieg im Wahlkreis Pankow.

Noch halten sich Parteivertreter mit öffentlichen Aufforderungen zu einem Kandidaturverzicht zurück. Auch Gelbhaars Kreisverband Pankow wollte zunächst keine Schlüsse aus dem Bekanntwerden der Vorwürfe ziehen. „Es gibt jetzt ein geordnetes Verfahren durch die unabhängige Ombudsstelle, das wir jetzt erstmal abwarten. Wir bitten, uns dafür Zeit zu lassen“, teilte der Kreisvorstand mit. Mehr könne man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen.

Grünen-Kreisverband Pankow läuft die Zeit davon

Im Pankower Kreisverband sorgte die Nachricht für Aufregung und Bestürzung. Immer wieder kamen Mitglieder am Rande des Parteitags zu Krisenrunden zusammen. Die Lage ist heikel: Einerseits nehme man die Vorwürfe sehr ernst, heißt es aus dem Kreisverband, zugleich wolle man den Bundestagsabgeordneten nicht vorverurteilen vor der Entscheidung der Ombudsstelle.

Mancher fragt sich zudem, warum die Vorwürfe ausgerechnet jetzt publik wurden – kurz vor der Listenaufstellung und nur gut zwei Monate vor der Bundestagswahl. Sollte nun doch jemand anderes für die Grünen in Pankow antreten, bliebe für das Auswahlverfahren und die Organisation des Wahlkampfs jedenfalls kaum Zeit.

Lisa Paus zur Spitzenkandidatin gewählt, Andreas Audretsch auf Platz zwei

Unterdessen wählten die Berliner Grünen Bundesfamilienministerin Lisa Paus zu ihrer Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl. Paus erhielt in der Wahl ohne Gegenkandidat 76,4 Prozent der Stimmen der Delegierten.

In ihrer Rede unterstrich Paus, für die Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland kämpfen zu wollen. „Ich möchte ein Lohntransparenzgesetz, damit jede Frau egal in welchem Unternehmen wissen kann, was ihr männlicher Kollege verdient“, sagte Paus.

Die Bundesfamilienministerin erklärte, die Steuerklassen 3 und 5 abschaffen zu wollen. So würden Ehefrauen mehr Netto vom Brutto bekommen. Zudem wolle sie auch das Ehegattensplitting abschaffen.

Auf Platz zwei der Liste wählte die Partei den Neuköllner Abgeordneten Andreas Audretsch. Der Vizechef der Bundestagsfraktion und Wahlkampfmanager von Robert Habeck erhielt mit 88,7 Prozent der Stimmen ein deutlich besseres Ergebnis als Paus. Listenplatz drei ging an die aktuelle Landesvorsitzende Nina Stahr, der 82,7 Prozent der Delegierten eine Ja-Stimme gaben.

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