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Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich mit einer Beschwerde gegen die komplette Wiederholung der Wahl.

© dpa/Uli Deck

Update

Wahlwiederholung laut Staatsrechtler nicht gefährdet: Karlsruher Richter lassen sich alle Wahlniederschriften aus Berlin liefern

Ulrich Battis räumt der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zur Berliner Wiederholungswahl kaum Chancen ein. Doch das Gericht schaut nun ganz genau hin.

Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis gibt der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofs für eine komplette Wahlwiederholung kaum eine Chance. Das Bundesverfassungsgericht werde sie „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als unzulässig verwerfen“, sagte Battis bei einem Pressegespräch im Berliner Abgeordnetenhaus.

Allerdings erfuhr der Tagesspiegel am Dienstag, dass die Karlsruher Richter sich schon Ende Dezember 2022 alle Wahlniederschriften haben liefern lassen. Dies wurde den Berliner Bezirken am Montag vom Landesverfassungsgericht Berlin mitgeteilt. Ein entsprechendes Fax liegt dem Tagesspiegel vor.

Battis hatte ein Gutachten für die Stellungnahme der Berliner CDU-Fraktion an das Bundesverfassungsgericht erstellt, die nach deren Angaben am Dienstag in Karlsruhe eingereicht wurde. An diesem Tag endete die Frist für alle Verfahrensbeteiligten. Auch die Landeswahlleitung, Parteien, andere Fraktionen und verschiedene Bezirke hatten schon zuvor Stellungnahmen eingereicht.

Battis argumentiert damit, dass das Bundesverfassungsgericht keine Überprüfungsinstanz von Landesverfassungsgerichten sei. Dies habe es 2009 in einem Urteil bestätigt. „Karlsruhe hat Kompetenzen in Ländersachen abgegeben. Das entspricht einer Entwicklung seit über 40 Jahren“, sagte Battis. Bei einer Landtagswahl sei nun mal das Landeswahlrecht relevant.

Das räumen auch die Beschwerdeführer ein, sie argumentieren allerdings, dass durch die verbundene Wahl von Bundestag und Abgeordnetenhaus in diesem Fall auch Bundesrecht tangiert sei. Wie ernst das Bundesverfassungsgericht die Prüfung nimmt, zeigt das nun bekannt gewordene Detail: Offensichtlich haben die Karlsruher Richter vor, sich die Wahlniederschriften aus Berlin genau anzuschauen.

Falsche Zeitschätzung sei die „Mutter aller Fehler“

Selbst wenn die Karlsruher Richter das Verfahren an sich ziehen sollten, hält Battis auch die inhaltlichen Argumente der Kläger für falsch. „Mandatsrelevanz sagt, nur die Fehler, die sich auf die Zusammensetzung des Parlaments auswirken können, nur die sind relevant. Da sagt die Gegenseite, das missachtet das Berliner Gericht“, erläuterte Battis. „Das ist nicht richtig.“

Nach Einschätzung des Landesverfassungsgerichts sei die Wahl zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten im September 2021 systemisch von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, weil zu wenig Zeit für die Stimmabgabe eingerechnet worden sei. Die Landeswahlleitung hatte dafür pro Person nur drei Minuten eingeplant. Dies bezeichnete Battis als „die Mutter aller Fehler“. Die Beschwerdeführer versuchen das zu entkräften: Wie sollte ein Fehler eine ganze Wahl delegitimieren, der nur in rund zehn Prozent der Wahllokale zu Verzögerungen geführt hatte?

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Klägerinnen und Kläger aus Berlin haben Beschwerde gegen das Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs eingereicht. 

„Dieser grundlegende Fehler hat dazu geführt, dass das Ganze in einem Schlamassel geendet hat“, sagt dagegen Battis. „Und deshalb widerspricht die Entscheidung des Verfassungsgerichts Berlin nicht materiell den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts.“ Battis rechnet damit, dass die Karlsruher Richter schon bald zu der Verfassungsbeschwerde Stellung nehmen.

Beim Bundesverfassungsgericht wurde Mitte Dezember eine Verfassungsbeschwerde von 43 Klägerinnen und Klägern aus Berlin eingereicht, die sich gegen das Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs wenden. Darunter sind auch acht Mitglieder des Abgeordnetenhauses.

Der Generalsekretär der Berliner CDU-Fraktion, Stefan Evers, kritisierte die Verfassungsbeschwerde der 43 Kläger. „Was sollen Menschen davon halten, dass Abgeordnete von SPD, FDP, Linken so kurz vor einer Wahl nach wie vor alles unternehmen, diese Wahl insgesamt zu unterbinden?“ Es stelle sich die Frage, was das mit den Menschen mache, die teilweise schon ihre Stimmen abgegeben hätten oder jetzt ihre Wahlbenachrichtigungen erhielten.

„Wir hoffen sehr, dass das Bundesverfassungsgericht hier ein schnelles und deutliches Zeichen setzt und eine klare Entscheidung fällt“, sagte Evers. „Das Vertrauen in die Demokratie in Berlin hat genug gelitten.“ Der CDU-Abgeordnete kritisierte außerdem, dass die Argumentation der Beschwerdeführer aus der Innenverwaltung bekannt erscheine.

Evers sagte: „Wie der Zufall es will, ist es die gleiche Kanzlei, die sowohl die Innenverwaltung gegenüber dem Landesverfassungsgericht vertreten hat als auch jetzt die Beschwerdeführer gegenüber dem Bundesverfassungsgericht.“ Insofern interessiere die CDU-Fraktion, welche Zusammenhänge es dort gebe. Der Senat hatte immer betont, das Urteil des Landesverfassungsgerichtes zu akzeptieren. Nun müsse man prüfen, ob die Kanzlei die Verfassungsbeschwerde wortgleich von der Innenverwaltung übernommen habe. (mit dpa)

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