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Der Breitscheidplatz wird wie gewohnt gesichert.

© Madlen Haarbach

„Wissen jetzt, dass man zu keiner Zeit sicher ist“: Bedrückte Stimmung am Berliner Breitscheidplatz nach Anschlag in Magdeburg

Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt beunruhigt auch am Samstagmittag viele Besucher am Breitscheidplatz in Berlin. Die Tat ähnelt der von 2016. Die Gedächtniskirche kündigt eine Andacht an.

Stand:

Am Mittag nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt herrscht am Breitscheidplatz in Berlin eine bedrückte Stimmung. Der Schock sitzt bei einzelnen Gewerbetreibenden und Besuchern tief.

Die wenigen Touristen, die sich auf den Markt verirren, haben auch am Folgetag noch nichts vom Anschlag und von den zahlreichen Verletzten und Toten mitbekommen. Einige posieren mit ihrem Glühwein in der Hand für ein Selfie, um die weihnachtliche Kulisse am Zoologischen Garten einzufangen.

Doch die Schausteller sind verunsichert. „Wir haben richtig Angst“, sagt eine der Schaustellerinnen. Der Weihnachtsmarkt sei noch gut zwei Wochen geöffnet, sie hoffe, dass die Zeit schnell umgehe. „Ich bin wirklich zittrig hier heute Morgen hergekommen.“ Überall müsse es Kameras geben, denn es könne immer wieder überall passieren. „Man hat Angst um die Familie.“

Die Tat am Freitagabend erinnert stark an das Attentat des Islamisten Anis Amri im Jahr 2016. Fast genau auf den Tag vor acht Jahren steuerte er einen Lkw auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. 13 Menschen starben damals, mehr als 70 Menschen wurden verletzt.

Am Freitagabend raste Taleb Jawad Al Abdulmohsen, ein Mediziner, der 2006 nach Deutschland einreiste, mit einem SUV in den Magdeburger Weihnachtsmarkt – und tötete mehrere Menschen. Bislang gibt es 200 Verletzte. 

Auch ein anderer Schausteller ist schockiert. „Man kann es gar nicht fassen“, sagt er. Auch er war 2016 als Verkäufer auf dem Breitscheidplatz, „da kommen Erinnerungen hoch“. Es könne zwar immer etwas passieren, aber „ich fühle mich hier super sicher“ durch die Poller und Polizeipräsenz, sagt der Kunsthandwerker.

„Wir können besonders mitfühlen“, erklären die Veranstalter des Weihnachtsmarktes. „Auch wir tragen die Erinnerungen an diesen Tag mit uns“, teilen der Schaustellerverband Berlin und die AG City mit. Der Weihnachtsmarkt bleibe aber geöffnet.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte am Morgen eine erhöhte Polizeipräsenz auf den Berliner Weihnachtsmärkten an. Am Vormittag war von dieser am ohnehin geschützten Breitscheidplatz nichts zu bemerken. Eine Reporterin vor Ort berichtet, dass keine Polizisten zu sehen sind.

„Ich bin zutiefst erschüttert“, sagte die SPD-Politikerin. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einer „schrecklichen Tragödie“.

Die Polizei erklärte, dass es in Berlin keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Sicherheitslage gebe. „Die Kapazitäten werden dennoch vorsorglich erhöht“, hieß es. Am Vormittag war davon am ohnehin geschützten Breitscheidplatz nichts zu bemerken.

Am frühen Abend hat die Gedächtniskirche zu einer Gedenkandacht im Gotteshaus am Breitscheidplatz geladen. Sie galt den Opfern des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt und ihren Familien und Freunden. Erst am Donnerstag hatten Politiker und Angehörige in der Gedächtniskirche der Opfer des Anschlags vom Breitscheidplatz gedacht.

Jens Fischer, gebürtiger Berliner, besucht den Markt am Sonnabend lediglich, weil er Besuch aus dem Ruhrgebiet hat. Er sagt, er habe ein unruhiges Gefühl. Man wisse man nun, dass man zu keiner Zeit sicher sei, sagt er. Grundsätzlich würde er lieber auf kleinere Märkte gehen. Auch prüfe er immer, ob es Barrieren gibt und wie sicher der Markt wirkt, bevor er ihn besucht.

Ein Standmitarbeiter schildert, dass er am Sonnabend mit einem Kloß im Hals aufgewacht sei. „Ich habe tatsächlich gerade darüber nachgedacht, was wäre, wenn hier noch mal was passieren würde“, sagt er. „Als ich gefragt wurde, ob ich hier arbeiten will, musste ich überlegen.“ Er fühle sich wegen der Sicherheitsmaßnahmen rund um den Markt und der Polizeistreifen aber recht sicher.

Eine Frau mit einem Kleinkind isst Puffer an einem Stand. „Tatsächlich sind wir nur hier, weil der kleine Hunger hatte und wir auf meine Eltern warten müssen“, sagt sie. „Sonst wäre mir tatsächlich auch unwohl, heute auf einen Markt zu gehen.“

Wissen jetzt, dass man zu keiner Zeit sicher ist.

Jens Fischer, Besucher auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz

Ein Paar, das bei Verwandten in Berlin zu Besuch ist, erzählt, dass sie am Freitagabend auf einem anderen Weihnachtsmarkt in Berlin waren, jetzt wollten sie hierherkommen. Abhalten lassen würden sie sich von dem Anschlag in Magdeburg aber nicht. „Ich finde sehr gut, dass es hier Sicherheitsdienste und am Bahnhof bewaffnete Polizisten gibt“, sagt der Partner. „Das und die ganzen Poller geben mir ein Gefühl von Sicherheit“.

„Wir haben jetzt zwar ein bisschen Angst gehabt, aber wir haben gesagt, wir fahren trotzdem gucken“, erzählen die Besucherinnen Nancy Kalkofen und Simone Schröder. „Wir können uns nicht von sowas ausbremsen lassen.“ Ihr Arbeitskollege sei 2016 bei dem Anschlag ums Leben gekommen. Es sei ein mulmiges Gefühl, sagen sie. „Man ist schon mit Vorsicht hier.“ Die Unsicherheit bemerkten sie auch bei anderen. „Man guckt sich so um.“

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