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2020 wurden bei der ersten Zählung 1.976 obdachlose Menschen in Berlin erfasst.

© imago images/Rolf Zöllner

Zu wenig Freiwillige: Berliner Obdachlosen-Zählung erneut abgesagt

Grund für die Absage ist die niedrige Anzahl von Freiwilligen, die sich für Ende Januar gemeldet hatten. Nun soll der Fokus auf ein Dialogformat gelegt werden.

Die für den 31. Januar 2023 geplante zweite Zählung der Obdachlosen in Berlin findet nicht statt. „Wir haben uns nun erneut entschlossen, die zu Jahresbeginn 2023 geplante zweite zahlenmäßigen Erfassung obdachloser Menschen im öffentlichen Raum abzusagen“, teilte jetzt der Verband für sozial-kulturelle Arbeit (VskA) mit. Der Fachverband der Nachbarschaftsarbeit wollte die Zählung in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Soziales und der Freiwilligen-Agentur Marzahn-Hellersdorf organisierten.

Bereits die für den 22. Juni 2022 geplante Zählung von auf der Straße lebenden Menschen musste abgesagt werden, weil sich nicht genügend Freiwillige fanden.

Auch jetzt ist dies der Hintergrund der Absage, nachdem in den vergangenen Wochen bereits um Freiwillige geworben wurde. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die daraus folgenden Herausforderungen für die Stadtgesellschaft habe die Ressourcen der ehrenamtlich engagierten Menschen erheblich beansprucht, heißt es in der Stellungnahme des VskA: „Viele Freiwillige kümmern sich seit Beginn des Krieges um die geflüchteten Menschen aus der Ukraine, begleiten ihr Ankommen in der Stadt, bringen sie privat unter und helfen bei Behördengängen.“

Alternativplan: „Zeit für Gespräche“

Für eine Zählung würden mehrere tausend freiwillige Helfer:innen benötigt, die ganz Berlin in einer Nacht ablaufen und die angetroffenen obdachlosen Menschen zahlenmäßig erfassen und befragen. Die Helfer:innen sollten am 31. Januar in jeweils dreiköpfigen Teams von 20 Uhr bis 1 Uhr nachts unterwegs sein. Mit Zustimmung der obdachlosen Person sollte das Team fünf anonymisierte Fragen stellen und die Antworten notieren.

Stattdessen werde man den „Fokus des Projektes nun auf das Format ‚Zeit für Gespräche‘ legen und die Bedürfnisse, Lebenslagen und Erfahrungen der in Berlin auf der Straße lebenden Menschen genauer in den Blick nehmen“, schreibt der VskA. Geplant sei der „Ausbau der freiwilligen, anonymen und qualitativen Befragungen mit obdachlosen Menschen“.

Im Januar 2020 gab es eine erste „Nacht der Solidarität“. Das Ergebnis von knapp 2000 obdachlosen Menschen, die auf der Straße oder in Notunterkünften angetroffen wurden, wurde allerdings als wenig aussagekräftig eingestuft.

Allgemein wird geschätzt, dass in Berlin mindestens 10.000 Menschen auf der Straße leben. Viele der 2600 Helfer:innen zeigten sich damals nachträglich enttäuscht über die Organisation. Zahlreiche Teams verbrachten die ganze Nacht auf den Straßen, ohne einen einzigen Obdachlosen anzutreffen.

Viele wohnungslose Menschen hatten sich schlicht der Zählung entzogen. Von Vertretern der Wohnungslosen war zuvor die Zählung als „menschenunwürdig“ und als „Stigmatisierung“ kritisiert worden. Für die Vorbereitung und Durchführung der „Nacht der Solidarität“ wurde der Verband für sozial-kulturelle Arbeit von der Lotto-Stiftung mit 250.000 Euro gefördert.

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