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Jedes Jahr wird in Halle der Opfer des Terroranschlags gedacht, hier ein Bild von 2023.

© imago/Steffen Schellhorn

Fünf Jahre nach dem Attentat auf die Synagoge: Gedenken und eine neue Thora in Halle

Der Täter plante ein Massaker – doch die Tür der Synagoge verhinderte das Schlimmste. Bei mehreren Veranstaltungen wird heute an den Anschlag von Halle erinnert.

Von Karin Wollschläger

Stand:

Der Angriff auf diese Synagoge war „einer der widerwärtigsten antisemitischen Akte seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Generalbundesanwalt Kai Lohse in seinem Schlussplädoyer im Prozess über den rechtsterroristischen Anschlag vom 9. Oktober 2019 in Halle.

Im Dezember 2020 erging das Urteil: Der 28-jährige Täter wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Stephan B. hatte am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur schwer bewaffnet versucht, in der Synagoge der Großstadt im Süden von Sachsen-Anhalt ein Massaker anzurichten.

Zum Zeitpunkt der Tag befanden sich dort 51 Menschen, um am Gottesdienst teilzunehmen. Er eröffnete das Feuer auf die Synagogentür. Doch es gelang ihm nicht, in das Gebäude einzudringen.

Zwei Tote, mehrere Verletzte

Daraufhin erschoss er erst die 40-jährige Passantin Jana Lange vor der Synagoge, dann den 20 Jahre alten Maler-Azubi Kevin Schwarze in einem nahen Döner-Imbiss. Auf seiner Flucht verletzte der Täter weitere Menschen, zwei davon schwer.

Der Täter filmte seine Taten und streamte sie live im Internet. Bis zuletzt zeigte er im Prozess keine Reue für seine Taten.

„Der Attentäter wollte das jüdische Leben in Halle zerstören“, sagt der Gemeindevorsitzende Max Privorozki. „Das ist ihm nicht gelungen.“

Im Anschluss an die für Mittwoch geplante Gedenkveranstaltung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll die Jüdische Gemeinde feierlich eine neue Thora-Rolle erhalten, deren letzter Buchstabe dann geschrieben wird. Das sei für die Gemeinschaft auch „ein Zeichen neuen Lebens“.

Die Tür der Synagoge von Halle, die den Schüssen des Attentäters standhielt, wurde zu einem Denkmal verarbeitet. 

© dpa/Hendrik Schmidt

Auf die Frage, inwieweit seine gut 500 Mitglieder umfassende Gemeinde überhaupt wieder zur Ruhe kommen kann, sagt Privorozki: „Wir arbeiten weiter. Die gesamte Welt kommt ja nicht zur Ruhe.“

Die Solidarität nach dem Attentat sei damals unglaublich groß gewesen. „Aber das ist nicht automatisch so. Jetzt im Zuge des Kriegs gegen Israel vermisse ich sie ein wenig. Da würde ich mir noch klarere Statements wünschen.“

Ein Döner-Imbiss als Gedenkort

Auch am zweiten Tatort, dem Döner-Imbiss, ist am Abend ein Gedenken geplant. Der ehemalige „KiezDöner“ heißt inzwischen „Tekiez“ und ist heute ein Gedenkraum, an dem zweimal wöchentlich nachmittags die Türen geöffnet sind, um Kaffee zu trinken, gemeinsam zu kochen, sich auszutauschen, zu trauern und zu erinnern. Daneben gibt es Lesungen und Workshops.

Die Initiative kam von den Betreibern Ismet und Rifat Tekin, die mitansehen mussten, wie der Attentäter in ihrem Laden einen Mann erschoss. „Für uns ist die Erinnerung sehr präsent, aber sie in der Öffentlichkeit wach zu halten, ist sehr schwierig“, berichtet Projektkoordinatorin Yamin Hamid. „Das Interesse konzentriert sich doch sehr auf konkrete Anlässe wie eben jetzt.“

Verstärkter Schutz

„Die Aufarbeitung der Tatfolgen ist langwierig und stellt eine weitreichende Aufgabe dar. Das sehen wir sehr deutlich bei den Überlebenden“, berichtet auch die Psychologin Marina Chernivsky, Geschäftsführerin von „Ofek“, einer bundesweiten Beratungsstelle für Opfer von Antisemitismus.

Die Synagoge in Halle hatte zum Zeitpunkt des Anschlags keinen Polizeischutz. Das führte zu einer bundesweiten Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Gotteshäuser. Bund und Länder sagten zu, Synagogen besser zu schützen.

Recherchen des „Mediendienstes Integration“ ergaben, dass die meisten Bundesländer seitdem Gelder für zusätzliche Schutzmaßnahmen an jüdische Einrichtungen zahlen. Zuvor hatten viele von ihnen Maßnahmen wie Einlassschleusen, Videoüberwachung und Sicherheitspersonal selbst finanzieren müssen. (KNA)

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