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EU-Antisemitismus-Umfrage: 76 Prozent der Juden in Europa zeigen ihre Identität aus Angst nicht immer offen
Die EU-Agentur für Grundrechte hat Juden in 13 EU-Staaten zu Antisemitismus befragte. 80 Prozent gaben an, dass dieser zugenommen hat. Doch diese Zahlen wurden noch vor dem 7. Oktober erhoben.
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Viele Juden in der EU verbergen laut einer Umfrage ihre Identität aus Sorge um ihre Sicherheit. Jeder dritte Befragte meide gar jüdische Veranstaltungen oder Orte, weil er sich nicht sicher fühle, geht aus der Studie der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien hervor. Insgesamt seien 80 Prozent der befragten Jüdinnen und Juden der Meinung, dass der Antisemitismus in ihrem Land in den vergangenen fünf Jahren zugenommen habe. Eine wesentliche Rolle spielten dabei Hass-Kommentare im Internet.
37 Prozent der Befragten hätten angegeben, wegen ihrer jüdischen Identität meist auf Straßen, in Parks oder Geschäften belästigt worden zu sein. 76 Prozent der Juden an, ihre jüdische Identität „zumindest gelegentlich“ zu verbergen. 34 Prozent meiden demnach jüdische Veranstaltungen oder Stätten, „weil sie sich nicht sicher fühlen“.
Die Umfrage unter rund 8.000 Juden in 13 Staaten der EU wurde im ersten Halbjahr 2023 durchgeführt, also noch vor dem Massaker von Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel und dem folgenden Gaza-Krieg. Im Vergleich zu zwei vorhergehenden Umfragen zum selben Thema in den Jahren 2013 und 2018 zeige sich, dass weiterhin sehr viele Juden und Jüdinnen den Antisemitismus im Internet und im wahren Leben zu spüren bekämen, hieß es.
„Europa erlebt eine Welle des Antisemitismus, die teilweise durch den Konflikt im Nahen Osten angeheizt wird“, sagte FRA-Direktorin Sirpa Rautio. Es gelte, in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft die Botschaft der Toleranz zu verbreiten und die Achtung der Grundrechte zu gewährleisten. Seit dem Gaza-Krieg sei die Zahl der antijüdischen Vorfälle noch einmal gestiegen. „Manche Organisationen melden einen Anstieg von über 400 Prozent“, teilte die FRA unter Berufung auf Recherchen in jüngster Zeit mit.
In Frankreich hat sich die Situation der Juden seit dem besonders verschlechtert. Vor dem Hintergrund der Wahlerfolge von Rechts- und Linksaußen im Land warnte der Rabbiner der Großen Synagoge in Paris, Moshe Sebbag, im Gespräch mit der „Jerusalem Post“: „Es ist heute klar, dass es für Juden in Frankreich keine Zukunft mehr gibt. Ich sage jedem, der jung ist, dass er nach Israel oder in ein anderes sichereres Land gehen soll.“
Deutschland keine Ausnahme
Nach den vorliegenden Daten weicht auch Deutschland nicht vom negativen Trend ab. 80 Prozent der Befragten verzichteten zumindest fallweise auf das Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit, geht aus der Befragung hervor. Neun Prozent sagten, dass sie in den vergangenen fünf Jahren angegriffen worden seien - dies sei eine der höchsten Raten in der Umfrage. 51 Prozent hätten wegen des Antisemitismus mit dem Gedanken gespielt, aus Deutschland auszuwandern. Auch dies sei ein vergleichsweise hoher Anteil. Insgesamt leben in der Bundesrepublik etwa 171.000 Jüdinnen und Juden.
Die Grundrechte-Agentur forderte, die teilweise vorhandenen Aktionspläne gegen Antisemitismus auch umzusetzen. Das gelte nicht zuletzt für die Bekämpfung der antijüdischen Kommentare im Internet. Um den Betroffenen die Angst zu nehmen, sei es nötig, mehr in den Schutz der jüdischen Bürger zu investieren. (dpa)
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