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Völlig zerstört ist diese Brücke über die Ahr in Ahrweiler nach der Flutkatastrophe am 22. Juli 2021.

© dpa/Boris Roessler

„Begünstigt Überschwemmungen und Sturzfluten“: Warum uns solche Wetterwechsel wie jetzt gefährlich werden können

Erst eine Hitzewelle mit langer Trockenheit, dann Starkregen. Experten warnen vor genau diesem Extremwetter-Cocktail. Wie angespannt ist die Situation – und was kann man tun?

Stand:

Noch am Mittwoch warnte der Deutsche Wetterdienst (DWD) regional vor „extremer Hitze“. Am bisher heißesten Tag des Jahres wurden in der Stadt Andernach in Rheinland-Pfalz am Nachmittag gegen 15.30 Uhr 39,3 Grad gemessen. Zweitheißester Ort war Tangerhütte-Demker in Sachsen-Anhalt mit 39,2 Grad, gefolgt von Kitzingen in Bayern mit 39,1 Grad.

Am Mittwochabend machte Hoch Bettina schließlich Platz für eine Kaltfront, die von Nordwesten her kommend am Donnerstag in Richtung südostwärts über Deutschland hinwegzieht. Bereits im Vorfeld warnte der DWD vor einer erhöhten „Unwettergefahr durch schwere Gewitter, teils mit Orkanböen“. Via Infovideo kündigten die Meteorologen „rotierende Superzellen und größere Gewittersysteme“ an, die Starkregen und „Hagel in Tischtennisballgröße“ mit sich bringen sollten.

Und tatsächlich legte das Tief zunächst im Westen Deutschlands einen lautstarken Auftritt mit Donner, Blitzen und teils heftigen Unwettern hin. Über Nordrhein-Westfalen, den Niederrhein und das westliche Münsterland zogen Gewitter mit Starkregen und Sturmböen hinweg. In Teilen von NRW blockierten umgestürzte Bäume den Bahnverkehr und Straßen, Autos wurden durch abgebrochene Äste beschädigt, zahlreiche Keller liefen voll. „Schwere Gewitter beenden unsere Hitzewelle“, resümierte der DWD. Doch was passiert, wenn auf eine Hitzewelle und lange Perioden der Trockenheit plötzlich Starkregen folgt?

Folgt auf eine Dürre Starkregen, fließt das Wasser nur oberflächlich ab, was Überschwemmungen und Sturzfluten begünstigt.

Prof. Dr. Ralf Merz, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung 

Dürre-Situation in Deutschland angespannt

Ein Blick auf die aktuellen Karten des Dürre-Monitors des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (kurz: UFZ) verrät, dass die Trockenheit der Böden in den letzten 14 Tagen in einigen Regionen Deutschlands im bedenklichen Bereich ist.

Für einige Bereiche wird eine „Vorwarnung“ herausgegeben (siehe gelbe Markierungen), andere Regionen werden bereits als „Dürre“ klassifiziert. Bei orangefarbenen Bereichen handelt es sich um „moderate bis schwere Dürre“, rote Bereiche bedeuten „extreme Dürre“, dunkelrote Bereich werden als „außergewöhnliche Dürre“ eingestuft.

Verlauf der langjährigen Einordnung – Gesamtboden (Stand: 30.06.2025)

© UFZ-Dürremonitor/ Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Professor Dr. Ralf Merz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung bestätigt dem Tagesspiegel auf Nachfrage, dass die Böden in einem besorgniserregenden Zustand sind. „Das Frühjahr 2025 war nicht nur deutlich zu warm, sondern zählt auch zu den trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“, betont der Experte. Die aktuelle Trockenheitsperiode könne sich zu einer längeren Dürre entwickeln. Dabei hätten viele Regionen immer noch mit den Folgeschäden aus den Dürrejahren 2018 bis 2021 zu kämpfen.

Durch lange Trockenperioden könne außerdem das Risiko für Überschwemmungen und Überflutungen enorm ansteigen, erklärt der Leiter der UFZ-Abteilung Einzugsgebietshydrologie. „Ein ausgetrockneter Boden kann diesen intensiven Regen oft nicht aufnehmen“, so der Experte. Dadurch könne das Wasser nur oberflächlich ablaufen und es könne lokal zu Überschwemmungen kommen. „Das größte Risiko entsteht, wenn nach einer langen Trockenperiode plötzlich starker Regen fällt.“

Überflutungen: Welche Gebiete sind besonders gefährdet?

Als besonders gefährdete Bereiche nennt Merz „enge Täler oder Gebiete mit vielen versiegelten Flächen“. Hier könne es infolge starker Regenfälle zu schnellen Pegelanstiegen und Überflutungen kommen. Auch das Abrutschen größerer Erdmengen und Schlammlawinen (sogenannten Muren) könnten dann vermehrt auftreten. „Wenn der Boden sehr trocken ist, kann er brüchig werden, was wiederum das Risiko für Erdrutsche erhöht“, so der Experte.

Erst am 2. Juli kam es im Tiroler Gschnitz in Österreich zu massiven Murenabgängen infolge von Starkregen.

© dpa/unbekannt

Erst Hitze, dann Starkregen: Was hilft gegen Überschwemmungen?

Was kann man dagegen tun? Der Experte verweist auf den Naturschutz: „Eine intakte Vegetation hilft, Wasser in der Landschaft zu halten. Ist die Vegetation jedoch geschädigt, steigt die Gefahr von Überschwemmungen weiter an.“ Das sei auch der Grund, warum Dürren und darauf folgende Hochwasser häufig gemeinsam auftreten.

Der Wetter-Cocktail der letzten Tage demonstrierte in seiner Abfolge einmal mehr das Potenzial für schwere Schäden hat: Auf eine längere Trockenperiode folgten heftige Unwetter mit gebietsweise Starkregen. Auch Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdienst wollte Hochwasser am Mittwoch nicht gänzlich ausschließen. „Je nach Topografie kann es – aber muss nicht – lokal zu Überschwemmungen oder vielleicht auch Erdrutschen kommen“, berichtete er dem Tagesspiegel auf Nachfrage.

Dieses Mal sorgte der Starkregen lediglich für vollgelaufene Keller – bleibt die Frage, wie lange das noch gut geht. Hydrologie-Experte Merz ist sich sicher: „Eine weitere Dürre würde sicherlich wieder zu erheblichen Problemen führen.“

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