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David Hasselhoff beim Auftritt im Friedrichstadt-Palast in Berlin.

© Reuters/Markus Schreiber

Konzerte in Berlin: Das Geheimnis von David Hasselhoffs Ruhm

Vor 30 Jahren nahm David Hasselhoff „Looking for Freedom“ auf und wurde zur Legende. Jetzt füllt er wieder Konzerthallen und beweist damit: Er kann nur er selbst sein.

Ein altes amerikanisches Sprichwort lautet: Don’t hassel the Hoff! Ärgere nicht David Hasselhoff! Aber genau das ist passiert, ausgerechnet in Berlin. Und an diesem Mittwoch begann hier seine große Jubiläumstour „30 Jahre Looking for Freedom“. 18 Auftritte in 24 Tagen, Neubrandenburg und Suhl, Lingen und Wetzlar, Hamburg und Nürnberg.

Im Februar hatte das Museum „Little Big City Berlin“ am Fuß des Fernsehturms die singende Hasselhoff-Figur aus seiner Ausstellung genommen. Bis dahin begann die Stadtgeschichte mit der Gründung der Mark Brandenburg 1157 durch den Askanier Albrecht den Bären und endete mit dem Auftritt Hasselhoffs Silvester 1989 am Brandenburger Tor. Mag sein, dem Gewürdigten schien das nicht unangemessen, er ist Superlative gewöhnt. „Baywatch“ ist die bis heute erfolgreichste Fernsehserie überhaupt, zu ihren besten Zeiten wollten mehr als eine Milliarde Menschen auf allen Kontinenten dabei sein, wenn David Hasselhoff, der singende Bademeister der Welt, den Strand von Malibu betrat. Nur von der Antarktis gab es keine Zahlen.

Seine Figur wurde durch Nena ersetzt

Doch die Managerin des „Little Big City Berlin“ stülpte ungerührt einen Pappkarton über seine Miniatur, später wurde er durch Nena mit nicht ganz 99 Luftballons ersetzt. Es folgten Proteste und Empörung, aber auch die Auskunft, bis seine Rolle beim Fall der Berliner Mauer nicht wirklich geklärt sei, werde Hasselhoff nicht mehr gezeigt.

Im Augenblick ist die Managerin für keine Stellungnahme erreichbar. Hasselhoffs Management auch nicht. Aber Andrew Hadfield ist da. Hadfield ist Miteigentümer des „Circus Hostel“ am Rosenthaler Platz in Mitte. Einerseits ein vollkommen normales Hostel, für eine Übernachtung im Zehnbettzimmer mit Dusche auf dem Flur zahlt man 19 Euro, aber andererseits beherbergt es das erste Hasselhoff-Museum.

„Schreiben Sie besser nicht meinen Namen“, sagt Hadfield, schlägt stattdessen „der Kurator“ vor. Das Museum befindet sich im Keller. Hadfield lehnt sich, was Kuratoren sonst eher selten tun, gegen ein großes Wandbild, das einen der meistangeschauten Männer der Welt am Strand liegend zeigt. Mit aufgestütztem Arm, so werden sonst eher Frauen fotografiert. Hadfield lehnt also an Hasselhoffs Schulter, und plötzlich sieht man es: Da klafft ein kleines, schlecht kaschiertes Loch in Hasselhoffs Brust. „Ja“, sagt der Kurator, „da war sein Brusthaar aufgeklebt, leider wurde es gestohlen.“

Hadfield weiß, dass David Hasselhoff ohne die Haare auf der Brust nicht vollständig ist. 2010 nannten britische Forscher eine in der Nähe der Antarktis entdeckte Tiefsee-Krabbenart The Hoff Crab. Die dichtstehenden Borsten des Tieres hatten sie an Hasselhoffs Oberkörper erinnert. Auch konnte nun keiner mehr behaupten, David Hasselhoff habe es nie bis in die Antarktis geschafft. Aber hat er darum schon die Berliner Mauer gestürzt? Mit einem Lied?

Die Amerikaner hatten den Song nie gehört

Vom marxistischen Standpunkt aus betrachtet, scheint die Annahme plausibel: „Die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“ So sagt es die „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“. Die Theorie oder eben ein Nummer-1-Hit.

Hadfield will das nicht ausschließen. Ihm ist bewusst, dass sein Haus nicht ganz unschuldig ist an diesem Gerücht. Vor ungefähr zehn Jahren sahen die Gäste des Hostels an der Bar zum ersten Mal das Porträt eines Mannes, der ihnen durchaus vertraut war. Es steckte in einem schweren Goldrahmen, darunter stand groß: „The Hoff“. Es war ein Schrein. Die Gäste, meist Amerikaner und Kanadier, fragten, was David Hasselhoff denn diese Verehrung einbringe. Sie erfuhren, dass dieser Mann die Mauer geöffnet hat, und zwar mit einem Song, „I’ve Been Looking for Freedom“. Nie gehört.

Als David Hasselhoff, Mitte dreißig, in der Silvesternacht 1989 von einer Hebebühne 30 Meter hoch in den Himmel über Berlin gehoben wurde, war er ein Mann, der wusste, was der Aufenthalt in Wellentälern des Daseins bedeutet.

Dieselbe Nacht, zwei Jahre zuvor, hatte er allein in Los Angeles gefeiert, mit sechs Hunden, zwei Katzen und vier Papageien. Einer hieß Winston und konnte „I left my heart in San Francisco“ in f-moll singen. Sollte f-moll seine Grundtonart werden? Das Neujahr 1986 war auch nicht besser gewesen, damals hatte er sich einen Dackel gekauft und gesagt: „Also, Dackel, jetzt stehen du und ich gegen den Rest der Welt.“

Nicht mehr „Knight Rider“. Und auch sonst niemand

Die Serie „Knight Rider“, die ihn weltberühmt gemacht hatte, war eingestellt worden. Von „Baywatch“ sprach noch kein Mensch. Castinganzeigen neigten inzwischen zu Präzisierungen wie: „Typus Hasselhoff nicht gesucht.“ Seine Frau hatte sich scheiden lassen; er hatte eine Platte aufgenommen, die sich ihm zufolge in den USA sieben Mal verkaufte: „Drei Exemplare hatten meine Eltern genommen, drei ich selbst, und eine ist noch an irgendeinen Spinner weggegangen.“

So saß David Hasselhoff unter seinem Avocadobaum, als sein Agent ihn anrief, da sei eine österreichische Journalistin, die wolle ihn besuchen. „Kommt nicht in Frage, ich bin gerade in meiner Ernest-Hemingway-Phase“, antwortete Hasselhoff. Es brauchte lange, bis er nachgab.

Und dann sagte diese Österreicherin, nur in einem Nebensatz, sein Album „Night Rocker“ liege in Österreich auf Platz 1. Hasselhoff war sprachlos. In diesem Augenblick wusste der Mann, der nicht mehr „Knight Rider“ war, aber auch sonst niemand, was er tun würde: Ich gehe auf Tournee durch Österreich. Sein Vater bekam einen Anruf: „Ich brauche sofort zwei schwarze Trans Ams!“

In „Knight Rider“ war Hasselhoff ein Freak, der mit seinem Auto redet. Michael Knight und sein sprechender „Knight Industries Two Thousand“, Kitt genannt, erschienen am Freitagabend um 21 Uhr auf NBC: Das war auch die „Dallas“-Sendezeit, eigentlich eine Garantie für Unsichtbarkeit. Er änderte das.

Er signierte das Bild mit dem fehlenden Brusthaar

Der Kurator im ersten Hoff-Museum der Welt hat natürlich auch einen Miniatur-Trans-Am in seiner Ausstellung. Daneben befinden sich in einer Vitrine Hasselhoffs Baywatch-Trainingsjacke, rot mit blauem Kragen, und seine Badehose. „Wir zeigen hier natürlich nur Originale“, versichert Hadfield und hat dabei einen Blick wie die Schlange Ka in Disneys Verfilmung des „Dschungelbuchs“. Bei der Erkundigung, ob er Hasselhoffs Musik möge, mischt sich zudem noch ein Funke Verzweiflung hinein. Wie kann man nur so bestürzend direkt fragen.

Im letzten Juli war er plötzlich selber da und wollte sein Museum sehen. Und den Schrein. Leider war der Kurator gerade abwesend. War Hasselhoff enttäuscht, dass sein Museum nur ein kleiner Kellerflur ist, vielleicht sechs Quadratmeter groß? Wahrscheinlich musste er sich bücken, um darin zu stehen. Aber an der Stirnseite prangte sein Porträt.

Der Kunststudent Sebastian Neeb hatte es geschaffen, als er einst im Circus kellnerte. Neeb zeigt gern vom Leben falsch gerahmte Leute. Meist legt er noch zwei Bratwürste oben auf den Goldrand, um den Erkenntnisprozess zu beschleunigen. Heute, elf Jahre später, sagt seine Galerie über ihn: „Sebastian Neebs Werk ist ein umfassender Kommentar auf eine distanzlos durchdachte Gegenwart.“ Was um Himmels willen ist eine distanzlos durchdachte Gegenwart? Hasselhoff hätte es wohl auch nicht verstanden. Gottseidank lagen keine Bratwürste auf dem Rahmen, als er kam, und er signierte das Bild, auch das mit dem fehlenden Brusthaar.

Ohne jeden Arg

Plötzlich glaubt man zu begreifen, was Hasselhoffs Popularität bis heute ausmacht. Er ist genau das, was die vorsätzlich Nicht-Authentischen authentisch nennen: Er ist ohne jeden Arg. Also jemand, dem nichts anderes übrig bleibt, als der zu sein, der eigentlich niemand sein will: er selbst. Inmitten eines zynisch-kalkulierenden Geschäfts steht er da wie ein letzter Ritter der Einfalt.

Im März vor dreißig Jahren nahm Hasselhoff „Looking for freedom“ auf, extra für den deutschen Markt. Nichts gegen seinen Erfolg in Österreich, aber was wirklich zähle, sei Deutschland, erklärte ihm einer, der es wissen musste. Er brauche nur einen Hit. Wer damals den Eindruck hatte, diesen Song habe er doch irgendwo schon mal gehört, lag völlig richtig. 1978 hatte Tony Marshall „Auf der Straße nach Süden“ gesungen, nach denselben Noten.

Im Unterschied zu den meisten Amerikanern hatte Hasselhoff die DDR schon mal gesehen. Er bekam ein Angebot, Dean Reed zu spielen, den Sänger und Schauspieler aus Denver, Colorado, der in die DDR ging, weil er glaubte, hier auf der richtigen Seite der Weltgeschichte zu stehen. Hasselhoff lief im Frühjahr 1989 von der Friedrichstraße Richtung Alexanderplatz und konnte das nicht nachvollziehen, als er von zwei Mädchen angesprochen wurde, die ihm „Looking for freedom“ vorsangen.

Leider durfte er die beiden nicht zum Konzert einladen; sie müssten, erklärten sie ihm, erst Großmütter werden, bis sie einen Blick über die Mauer werfen könnten. Da ließ Hasselhoff für seine Deutschland-Tour eine Mauer aus Styroporsteinen bauen, die er mit einem schwarzen Trans Am zum Einsturz brachte. So wurde die Coverversion eines deutschen Schlagers zum Soundtrack des Mauerfalls. Ein klarer Fall von ideeller Gewalt.

Silvester, zwei Jahre davor, verbrachte er mit seinen Haustieren

Im Hostel, mitunter The Hoffstel genannt, liegt statt der Bibel Hasselhoffs Autobiografie in den Nachttischen. Der Kurator hat längst Karten für das Konzert am Mittwoch im Friedrichstadtpalast gekauft. Zwei davon bekommen die Gäste, die am plausibelsten erklären können, warum sie da hinmüssen. Beim letzten Mal hatte jemand vorgeschlagen, den Weinbergsweg in David-Hasselhoff-Straße umzubenennen. Seitdem gibt es eine Internetkampagne für die Umbenennung.

Eigentlich war es Zufall, dass Hasselhoff am 31. Dezember 1989 am Brandenburger Tor sang. In dem Jahr hatten die Dreharbeiten zu „Baywatch“ begonnen, und die ganze Crew erkrankte an einem Magen-Darm-Virus. Sämtliche Abfälle von Los Angeles schienen vor dem Strand von Malibu zu schwimmen, weshalb die Produktion nach Hawaii verlegt werden musste, und dort wäre Hasselhoff beinahe ertrunken.

Die Anfrage, ob er Silvester 1989 in Berlin singen könne, kam erst im Dezember. Es ging um einen Auftritt im Hilton. „Ich komme“, antwortete Hasselhoff, „aber ich will an der Mauer singen.“

Er saß im Polizeiwagen, die Sirenen heulten. Anders hätte er es gar nicht bis ans Brandenburger Tor geschafft. Dort bat man ihn, in den Korb eines Krans zu steigen. Er kam gerade aus Los Angeles, kurz zuvor hatte er geheiratet, überall hätte er jetzt sein sollen – früher nannte man es Flitterwochen –, aber doch nicht in dieser Nasskälte in einem Berliner Kran. David Hasselhoff trug einen Schal, dessen Schwarz-Weiß die Tasten eines Klaviers imitierte, an seiner Lederjacke blinkten Lichter. Wenn die Leute ihn schon nicht erkennen konnten, die Lichter würden sie vielleicht sehen.

Teil der Geschichte

Der Kran hob ihn hoch, dreißig Meter über die Mauer. Unter ihm wogte ein Menschenmeer, später wird man sagen, eine Million Berliner und Nicht-Berliner wären an diesem 31. Dezember 1989 ans Brandenburger Tor gekommen. Hasselhoff hörte den Beifall wie Meeresbrandung, dabei hatte er noch keinen Ton gesungen. Und dann kam „Looking vor Freedom“. Im Bericht des Vortragenden: „Alle sangen mein Lied, während ich gleichzeitig sang, weinte und vor Kälte zitterte. Als sich der Refrain in den Nachthimmel über Berlin erhob, musste man kein Deutscher sein, um diesen Augenblick zutiefst bewegend zu finden.“ So ist es also, Teil der Geschichte zu werden.

Im „Little Big City Berlin“ ist er über Nacht auf seinen alten Platz zurückgekehrt. Vielleicht hatte die Managerin Angst vor einer persönlichen Konfrontation. Dafür fehlt Nena.

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