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Polizeibekannter Israelfeind bei einem Protest in Berlin

© imago/Eibner/IMAGO/Eibner-Pressefoto/Jadranko Marja

Pro-palästinensische Demonstrationen: Die Angst, als „Verräter“ zu gelten

Unser Autor zeigte auf, dass es keine Demonstrationen gemäßigter Pro-Palästinenser gibt. Hier berichtet er, was ihm im Anschluss passierte.

Stand:

Eine kleine Welle der Empörung ist über mich hereingebrochen. Daniela E. schrieb, ich sei „dreckiger Zionist“.
Memo nannte mich „Missgeburt“, Nada B. wünschte mir einen qualvollen Tod.

Katrin kündigte an, aus Wut ihr „taz“-Abo zu kündigen. Ich hoffe, sie hat es rechtzeitig bemerkt.

Ich hatte es gewagt, auf die Tatsache hinzuweisen, dass es in Deutschland keinerlei Demonstrationen gemäßigter, moderater Pro-Palästinenser gibt. Dass es die Vernünftigen innerhalb der sogenannten „Palästina-Solidarität“ in neun Monaten nicht geschafft haben, eigene Großveranstaltungen zu organisieren, bei denen Terrorverherrlichung nicht geduldet wird und radikale Israelhasser keine Bühne erhalten. Ich hatte kritisiert, dass die Vernünftigen den Extremisten leider komplett die Straße überlassen.

Hierzu veröffentlichte ich zuerst einen ausführlichen Text im Tagesspiegel und dann ein Video auf dem Instagram-Account des Tagesspiegels. Für beides bekam ich sehr viel Zuspruch, was mich enorm freut. Allerdings auch hunderte Beleidigungen, Verleumdungen, Gewaltandrohungen und sogar Morddrohungen. Von „Wir werden dich kriegen“ und „Du kannst dich nicht verstecken“ über zigmal „Hurensohn“ bis hin zu „Ich hoffe, deine Leber platzt, du hässlicher Vogel“ war Etliches dabei, was auf eine ungute Haltung zur Pressefreiheit hindeutet.

Zu den plumpesten Hetzern zählt dabei der Berliner Regisseur Ralf Pleger, der sich seit Monaten als Aktivist in der Bubble der Berliner Israelfeinde verdingt. Alte Bekannte berichten, sie seien entsetzt über seine Entwicklung. Aktuell jedenfalls verbreitet er Lügen über mich, dazu unter anderem eine Collage mit meinem Gesicht, darunter: „Ekel Sebastian: Der hässliche Deutsche“.

Gleich drei israelfeindliche „Influencer“ nahmen Videos auf, in denen sie Unwahrheiten über mich verbreiteten. Etwa Serhat Sisik, der sich im Netz „Agressionsprobleme“ nennt. Das Problem bei solchen Influencern ist, dass sie viele Menschen erreichen, die jedes Wort glauben und dann so richtig loshassen wollen. Und zwar mit dem falschen Kenntnisstand und dem aggressiven Mindset, das sie dem Influencer verdanken. Das Ergebnis lässt sich in den Kommentarspalten bestaunen.

Post der Aktivistin Nina Maleika,

© Screenshot/privat

In meinem Fall verbreitete Serhat Sisik die Lüge, ich hätte behauptet, es gebe in Deutschland keine friedlichen pro-palästinensischen Demonstrationen. Das ist natürlich Quatsch. Ich behaupte, dass sämtliche Demonstrationen von Extremisten organisiert beziehungsweise wesentlich geprägt werden, die allesamt den Staat Israel auslöschen wollen. Auch solche Extremisten schaffen es, ihre Demonstrationen bei Bedarf friedlich durchzuführen. Das gelingt sogar den Nazis vom „III. Weg“. Das macht sie aber nicht zu Demokraten – oder zu Menschen, bei denen Demokraten auf einer Demo mitmarschieren sollten.

Von den Hunderten, die mir Hassnachrichten schickten, konnte mir übrigens kein Einziger konkret eine Demonstration nennen, die von gemäßigten Pro-Palästinensern organisiert und geprägt wurde. Weil es sie eben nicht gibt.

Das muss man sich mal vorstellen: Wer auch nur die Möglichkeit von zwei friedlich koexistierenden Staaten andeutet, gilt schon als ‚Verräter‘.

Sebastian Leber, Tagesspiegel-Reporter

Doch es gab auch lesenswerte Nachrichten. Eine Menge Menschen, die sich selbst als pro-palästinensisch verstehen, schrieben mir, dass sie selbst sehr gern ihre gemäßigten, terrorverurteilenden Ansichten auf die Straße tragen würden. Aber dass sie, sollten sie dies wagen, innerhalb der Bewegung der sogenannten „Palästina-Solidarität“ sofort als „Verräter“ gebrandmarkt und bedroht würden. Das muss man sich mal vorstellen: Wer auch nur die Möglichkeit von zwei friedlich koexistierenden Staaten andeutet, gilt schon als „Verräter“.

In einem solchen Klima verstehe ich, dass die Vernünftigen lieber nicht auf die Straße gehen und ihre Positionen bloß zu Hause am Küchentisch oder gegenüber Freunden äußern.

Ebenfalls interessant war die Nachricht von Florian. Er schrieb, es gebe sehr wohl gemäßigte Pro-Palästinenser, die sich auf der Straße für Frieden einsetzen und auch Israels Existenzrecht anerkennen – nämlich in Gaza. Und ich denke, genau dies ist der Punkt: In Gaza gibt es sie. Aber nicht in Deutschland. Weil es den hiesigen Demonstranten auf der Straße eben nicht wirklich um Solidarität mit den Menschen in Gaza geht. Ihr Hass auf Israel ist stärker als ihre Sorge um Zivilisten.

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