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Von Meck-Pomm nach L.A.: Bitte nicht stören!

Hinnerk Schönemann redet nicht so gerne, der Schauspieler mistet lieber Pferdeställe aus. Jetzt spielt er aber im ZDF einen schlagfertigen Detektiv - und auch Hollywood hat den Mann aus Mecklenburg-Vorpommern bereits entdeckt.

Hinnerk Schönemann sah nach der Premiere des RTL-Zweiteilers „Hindenburg“ im Januar ein wenig verloren aus. Die Bühne des Berliner Kinos Kosmos lag im Dunkel, schwarze Anzüge, schwarze Schuhe, schwarze Cocktailkleider. Die Schauspieler, Produzenten und der Regisseur wurden vom Publikum beklatscht. Hinnerk Schönemann stand auf der Bühne ganz rechts außen. Er trug Jeans, helle Turnschuhe und Basecap, es wirkte fast so, als sei er auf der falschen Veranstaltung gelandet.

Er lebt in einem Dorf, in dem die Freundinnen „Braten“ heißen und die Kinder „Welpen“. Einen Geburtstermin nennen die Leute „Wurftermin“. Es ist eine ländliche Gegend, 70 Einwohner hat der Ort in der Nähe von Plau am See, Mecklenburg-Vorpommern. Hinnerk Schönemann hat seine Kindheit hier verbracht, seine Eltern besaßen ein Ferienhaus. Jetzt hat er sich hier einen Hof gekauft. Er sieht jeden Morgen die Sonne aufgehen. Wenn er aus dem Fenster blickt, liegen vor ihm das weite Feld und ein Haufen Arbeit. Im Moment ist er damit beschäftigt, Holz zu zerschneiden, zu zersägen und zu zerhacken. „Da ist man ganz schön kaputt abends“, sagt er, „da schaffe ich es gerade noch zu duschen, bevor ich erschöpft ins Bett falle.“

„Heimat“ steht auf dem Foto, welches auf seinem Handy klebt und einen seiner drei Hunde in der mecklenburgischen Landschaft zeigt. Zwei Stunden hat die Fahrt nach Berlin zum Interview gedauert. Am Morgen hat er noch sein Auto repariert, ein kaputter Kofferraum. Im Café hält er die Hände unter dem Tisch versteckt, er schämt sich, dass seine Finger schmutzig sind. Er liebt Autos, er hat zwei. Eins davon, dessen Marke er nicht verraten will, ein großes, schweres Ding, hat er vor drei Wochen in Hamburg mit einer neuen Folie bekleben lassen, mattbraun. „Das sieht gefährlich aus“, meint er. Man kann sich gut vorstellen, wie er damit durch die Gegend tourt, zufrieden wie ein großer Junge, der sich einen lang ersehnten Traum erfüllt hat, Hinnerks Traum. „Autos sind wie Kunstwerke“, sagt er, „sie zeigen eine Lebenseinstellung. Und sie geben mir das Gefühl von Freiheit.“ Sein Großvater und sein Vater waren schon Autofanatiker, ein Verwandter betrieb eine Reifenwerkstatt. Jede Woche kauft er sich am Kiosk alle Pkw-Fachzeitschriften. Er sagt: „Ich hätte auch gut Automechaniker oder Autohändler werden können.“

Stattdessen aber hat er es als Schauspieler bis nach Hollywood geschafft. Im vergangenen Jahr stand er für Steven Spielberg vor der Kamera. Der Film „War Horse“ erzählt die Geschichte des Ersten Weltkrieges aus der Sicht eines Pferdes, ein Märchen, wie Hinnerk Schönemann findet. Über seine Rolle darf er noch nicht reden, aber die Arbeit mit dem amerikanischen Regisseur war für ihn ein „Bonbon“. Etwas, das man zusätzlich genießen kann. Hinnerk Schönemann tritt regelmäßig als Kommissar Jürgen Simmel in der ZDF-Serie „Marie Brand und ...“ auf. In der Verfilmung von Hermine Huntgeburths „Tom Sawyer“ ist er bald als Sheriff im Kino zu sehen. Im Zweiteiler „Hindenburg“, der Anfang Februar auf RTL lief, spielte er Alfred Sauter, einen korrekten und pflichtbewussten Luftschiffsfahrleiter. Der Mann in Uniform – das ist kein untypisches Bild für ihn. Regisseur Markus Imboden besetzte ihn zwei Mal als Polizisten. Die Uniform lässt ihn stattlich erscheinen, wie maßgeschneidert für seinen durchtrainierten Körper. Mindestens drei Tage in der Woche geht er ins Fitnessstudio, früher war er Kickboxer. „Das war enorm gut fürs Selbstbewusstsein“, erzählt er, „seitdem hatte ich nie wieder Ärger.“

Hinnerk Schönemann war ein schmächtiger und schüchterner Junge, der Tiere liebte und die Schule hasste. 1974 in Rostock geboren, wuchs er in Berlin-Friedrichshain auf. Seine Wohnung lag in der Nähe der Warschauer Straße, unweit der Narva-Fabrik, die Glühbirnen produzierte. Licht gab es dort trotzdem nicht genug. Dunkel und grau kam ihm der Osten vor. Seine Eltern, ein Ärzteehepaar, stellten einen Ausreiseantrag. Anfang 1988 siedelte die Familie in die „Große Freiheit“ über, nach Hamburg, Reeperbahn. „Wir sind dort abends gegen 23 Uhr angereist und alles war total beleuchtet,“ erinnert er sich. Eine Woche lang hat er gebraucht, um wirklich dort anzukommen, in dieser Zeit hat er sein Zimmer nicht verlassen. Als er den ersten Tag in der Schule war, baten ihn seine neuen Mitschüler: „Sprich mal DDRisch.“

Hinnerk Schönemann wackelt auf seinem Stuhl herum. Und dann kommt’s: „Erst später habe ich begriffen, dass die sächsisch meinten.“ Er guckt, wie er damals auch geguckt haben muss, zieht seine Brauen hoch, weitet die Augen, ein Mundwinkel zuckt leicht nach oben. Das Gesicht passt so gar nicht zu einer Uniform: gutmütig, still, verschmitzt. Als Kind konnte er nie ruhig sitzen, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom brauchte ein Ventil. Statt Medikamente zu nehmen, sammelte er Schildkröten und züchtete sie. Es gab Zeiten, da kam seine Farm auf 100 Exemplare. Anfang der 90er Jahre zogen seine Eltern zurück nach Berlin, im Bezirk Pankow lag das Ikaron-Theater. Zusammen mit einem Freund besuchte er dort Schauspielkurse, stand auf der Bühne. Er merkte, dass er im Spiel seine Energie gut loswerden konnte. Dass er nie müde wurde. Vor allem aber bekam er auf einmal eine Bestätigung dafür, dass er so ist, wie er ist. Für ihn war der Schauspielberuf die beste Heilung. Statt Reptilienzüchter zu werden, studierte er an der Hochschule der Künste.

Hinnerk Schönemann sagt, dass er sich normalerweise nie in ein Café setzen würde, um zu plaudern. Er redet nicht gern und weiß eigentlich auch nicht, worüber er erzählen soll. Er wird sauer, wenn er gerade eine Regenrinne am Haus repariert und ihn jemand in ein Gespräch verwickeln will. Zusammen mit seinem besten Kumpel aus dem Dorf mistet er jeden Morgen und jeden Abend die Pferdeställe aus. Dabei, sagt er, werfen sie sich ab und an ein paar Laute zu, so wie Männer eben miteinander reden würden. Diese Art erinnert an einen seiner großen Helden. In der norddeutschen Krimikomödie „Mörder auf Amrum“ von Markus Imboden spielt er Helge Vogt, maulfaul und spröde wie Brennholz. Der Inselpolizist will eine ruhige Kugel schieben, aber als Killer auf Amrum landen, bekommt sein Leben plötzlich eine Geschichte, der er sich stellen muss. Um eine Zeugin zu beschützen, fängt er eine wilde Verfolgungsjagd an. Die Darstellung des Helge Vogt hat Hinnerk Schönemann im letzten Jahr den Grimme-Preis und eine Nominierung für den Deutschen Fernsehpreis eingebracht. Er verlieh seiner Figur alle Zeiten des Jahres: Er war naiv wie der Frühling, sehnsüchtig wie der Sommer, verloren wie der Herbst und manchmal bitter wie der Winter.

Sein Vorbild ist der amerikanische Schauspieler Jim Carrey. „Er ist wie ein Lehrer für mich“, sagt Hinnerk Schönemann, „selbst wenn man ihn kopiert, ist man immer noch gut. Er kann Gefühle so aufbrechen, dass seine Figuren traurig erscheinen, auch wenn sie sich die ganze Zeit kaputtlachen.“ Am Montag ist Hinnerk Schönemann um 20 Uhr 15 im ZDF-Film „Mörderisches Wespennest“ zu sehen. Darin spielt er den Privatdetektiv Finn Zehender, der im Dorf Aschberg engagiert wird, einen Mord aufzuklären. Er ist ein gesprächiger Zeitgenosse, selbstbewusst und schlagfertig. Als er in Aschberg anreist, fragt er die Frau, die ihn bestellt hat, wie sie ausgerechnet auf ihn gekommen sei. Sie antwortet: „Sie waren der billigste.“ Er druckst kurz und entgegnet: „Ich bin der günstigste.“ Die Rolle des Privatdetektivs ist für Hinnerk Schönemann ein guter Kompromiss: Er kann ermitteln, ohne Polizist zu sein. Uniformen hat er genug getragen.

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